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Stefan: Vatikan besucht – und Kurs gehalten

Stefan Dege, DW-RADIO/Deutsches Programm, Zeitgeschehen, 19.07.2007Hat je einer die Ziegelsteine gezählt? Die Mauern des Vatikan jedenfalls sind hoch genug, um die Welt dahinter im Verborgenen zu halten, um einen Mythos zu erzeugen, der täglich aufs Neue entsteht, bewacht von einer farbenprächtig  gekleideten Truppe aus Schweizergardisten. Neben den blau uniformierten Carabinieri wirken sie allerdings wie aus der Zeit gefallene Streifenhörnchen.

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Pater Lombardi, Sprecher des Vatikan

Was ist schon Staffage, was echt? Die Machtzentrale der katholischen Kirche lässt so manche Frage offen. Männergesellschaft?  Letzte Monarchie Europas? Geistliches Zentrum? Bezeichnungen für den Vatikan gibt es viele, für die Welt voller Wunder.  Der sie täglich erklären muss, ist Pater Federico Lombardi, der Pressechef des Heiligen Stuhls. Den 72jährigen bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Seine Bulletins, die Vorgänge und Entscheidungen des Papstes verkünden, strotzten vor nüchterner Pragmatik. Spricht er über Heikles, blickt der Jesuit Lombardi schon mal hilfesuchend gen Himmel. In diplomatische Worte kleidet er sogar, was ihm widerstrebt. Manche interpretieren das als Verschwiegenheit. Doch Lombardis Botschaften stecken zwischen den Zeilen.

Lombardis Job ist schwieriger geworden, seit Jorge Bergoglio alias Papst Franziskus die Katholiken regiert. Ein Pontifex, der eigene Termine macht, der spricht, wann und mit wem es ihm passt, der Nachrichten produziert ohne Rücksicht auf seine Beraterstäbe?  Das streut Sand ins vatikanische Getriebe. Das setzt Hierarchien außer Kraft. Das muss beunruhigen. Einer, der die päpstliche Sprunghaftigkeit uns Journalisten freundlich als „Spontanität“ verkauft, so einer ist Pressechef Lombardi: ein loyaler Diener seines Herrn.

Aber nicht nur den Presseleuten – vielen am päpstlichen Hof ist Franziskus ein Mysterium.  Er lehnt Pomp und Hybris ab.

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Vatikan-Insider Marco Politi

Er predigt Bescheidenheit. Er setzt auf Diskussionsprozesse und Demokratisierung statt auf einsame päpstliche Entscheidungen. Franziskus ist Monarch, der aber, wie der deutsche emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper feststellt, höfisches Gebaren ablehnt. Sicher ist: Draußen kommt das gut an. Selten war ein Papst beliebter. Doch hinter den Mauern des Vatikan? Da gärt es. Vielen ist der Heilige Vater, der seine Kirche zum Aufbruch nötigt, nicht geheuer.

Wer genau ist für, wer gegen Papst Franziskus? Einen Machtkampf im Vatikan will Marco Politi beobachtet haben. Der italienische Journalistenkollege ist in Kirchenkreisen bestens vernetzt. In seinem Buch „Benedikt – Krise eines Pontifikats“ zog er unlängst Bilanz unter eine „Amtszeit der verpassten Chancen“. Jetzt hat er „Franziskus – Papst unter Wölfen“ geschrieben, das bald erscheint. Ein vielsagender Titel. Sieben Jahre gibt Politi Papst Franziskus, dem Hoffnungsträger der Katholiken, um seinen Erneuerungskurs unumkehrbar zu machen. „Dann ist Franziskus 85 Jahre alt“, grinst Politi, „und vielleicht ja auch schon zurück getreten.“

Was das alles mit dem Fasten zu tun hat? Wer fastet, orientiert sich neu. Nicht nur die Kirche unter Franziskus tut das.  Am Ende meiner Rom-Reise, nach vier Tagen voller Einblicke in vatikanische Gemächer, Büros, Galerien, Säle und Kapellen, kann ich stolz sagen: Ich habe Kurs gehalten – und nicht geraucht.

Datum

0 13.04.2014 | 05:17

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