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Wolfgang: Verkürzt Fasten das Fegefeuer?

Wolfgang ThielmannLiebe Mitfastende,

wir fangen an, Resümee zu ziehen und unsere Absichten und unseren Ertrag zu definieren. Wir beginnen zu spüren, dass uns ein Gewinn an Freiheit winkt. Weil sich das Maß verschoben hat, ist aus Genuss Gewohnheit geworden.  Durch den Verzicht wird das deutlich. Wir können das Maß neu justieren. Graduell wie Astrid und Klaus oder radikal wie Stefan.

Dabei sollen wir uns nicht besser fühlen, sagt Astrid. Verzicht ist normal. Denn vielen bleibt nichts anderes übrig. Also ist Fasten auch ein Akt der Solidarität mit anderen, die zum Verzicht gezwungen sind. Das entspricht dem Tweet von Papst Franziskus am 31. März: „Die Fastenzeit ist die Zeit zum Kurswechsel, um gegen das Böse und das Elend anzugehen.“

Es hat mich auch an die Sätze erinnert, die Jesus in Matthäus 6 zum Fasten gesagt hat: Keine nach Anerkennung fischende Leichenbittermiene. Normalität. Und ein bisschen preußische Pflichterfüllung. Auch die geht auf ein Wort zurück, das Jesus seinen Jüngern sagte: „Wenn ihr getan habt, was euch aufgetragen ist, dann sagt: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Das Maß bewahren, nicht zu viel Wind um die eigene Leistung machen.

Kann man trotzdem das Ende feiern? Den wieder gewonnenen Genuss? Oder die Freiheit, wie Stefan? Oder noch mehr?

Der Katechismus der katholischen Kirche bestätigt unsere Erfahrung. Die Fastentage tragen dazu bei, sagt er, „dass wir uns die Herrschaft über unsere Triebe und die Freiheit des Herzens erringen.“ Er stellt Jesus in der Wüste als Vorbild der Fastenden hin. Seinen Gehorsam gegenüber seiner Berufung. Seine Standhaftigkeit gegen das Angebot der Macht und des Einflusses. Dreimal wehrt er sich gegen Angebote und Argumente des Teufels. Dann zieht der Teufel sich zurück, und beim Evangelisten Matthäus heißt es: Engel kamen und dienten ihm. Im katholischen Katechismus folgt der Satz: „Durch die vierzigtägige Fastenzeit vereint sich die Kirche jedes Jahr mit dem Mysterium Jesu in der Wüste“. Braucht man zum Fasten die Kirche? Gewinnt es dadurch an Tiefe?

Noch weiter geht der zweithöchste Jurist im Bistum Eichstätt, Alexander Pytlik, der sich auch als Internetpfarrer betätigt. In einer Predigt zum Fastensonntag erinnert er an die katholische Ablasslehre: Durch Fasten, Beten und durch andere fromme Übungen wie den Besuch bestimmter Kirchen können Katholiken sich selber oder anderen die Zeit im Fegefeuer verkürzen oder ganz ersparen. Denn dann genießen sie sozusagen ihre persönliche Rendite des Kirchenschatzes, der aus den Verdiensten Jesu und der Heiligen besteht und aus dem die Kirche austeilen kann.

Das ist konfessionell vermintes Gelände. Luthers 95 Thesen richten sich genau gegen den Ablass. Protestanten lehnen wenige Lehren so strikt ab wie diese. Doch sie gehört zur katholischen Kirche. Und die Ablasslehre stellt uns eine interessante Frage: Gefallen wir Gott mit Fasten, kommen wir ihm näher, unabhängig davon, ob wir das empfinden oder nicht? Und macht es also die Welt ein bisschen besser, auch wenn das niemand wahrnimmt?

Datum

0 13.04.2014 | 04:38

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