Wein – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Astrid: Verzicht ist normal https://blogs.dw.com/ohne/2014/04/11/astrid-verzicht-ist-normal/ Fri, 11 Apr 2014 06:15:21 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=753 IMG_8557Warum fastest Du eigentlich? Nur wegen des Blogs? Meine Kollegin Greta wollte es genau wissen. Und da spürte ich sie wieder, diese Scheu, die Wahrheit zu sagen. Schließlich ist ein Blog kein Beichtstuhl. Wie viel gebe ich von mir preis, ohne mich der Lächerlichkeit preiszugeben? Wie viel Wahrheit vertrage ich im Online-Modus?

Die ehrliche Antwort lautet: Weniger als ich dachte. Aber immerhin soviel ist sicher: Ich faste nicht allein für den Blog, nein. Doch ich räume ein: Ohne den Blog hätte ich nicht angefangen zu fasten. Schon lange hatte ich das Gefühl, dass ich ein Gläschen Wein zu viel trinke. Allein, es fehlte die Motivation, daran etwas zu ändern. Schließlich ist es sehr entspannend, den Tag mit einem Rotwein ausklingen zu lassen.

Der Blog brachte diese gemischten, aber verdrängten Gefühlen wieder zum Vorschein. Ich entschied, mich selbst unter Beobachtung zu stellen. Bislang betrachte ich das Ergebnis dieser alkoholischen Enthaltsamkeit als positiv. Ich leide nicht unter Entzugserscheinungen, und finde neuerdings sogar Gefallen an exotischen Fruchtsäften wie Maracuja und Rhabarber. Auch für blumige Teesorten wie „Arabische Nacht“ kann ich mich mittlerweile erwärmen.

Überschwängliche Glücksgefühle blieben allerdings bisher aus. Der vermeintlich starke Geist kostet seinen Triumph über das schwache Fleisch nicht aus. Vielmehr macht sich eine gewisse Normalität bemerkbar. Ich frage mich: Ist Verzicht überhaupt ein Verdienst? Schließlich gibt es so viele Menschen, die unfreiwillig Verzicht üben und darüber kein Wort verlieren. Weil sie krank sind und eine rigorose Diät einhalten müssen, weil sie nach einem Unfall im Rollstuhl sitzen oder weil sie schlicht kein Geld haben, um sich ihre Wünsche zu erfüllen, sondern ihr Leben von Armut und Entbehrungen gezeichnet ist. Verzicht gehört für sie zum Leben wie Krankheit und Tod. Er ist alltäglich und normal.

An dieser Stelle spüre ich, dass ich meiner Kollegin Greta noch eine zweite Antwort auf die Frage schuldig bin, warum ich faste. Ich möchte nämlich dabei das Gefühl überwinden, etwas besonderes zu tun. Die siebenwöchige Fastenzeit soll Verzicht für mich zur normalsten Sache der Welt machen, genauso wie dies für die Mehrheit der Menschheit der Fall ist. Natürlich trägt mein Verzicht nicht dazu bei, dass es weniger Leid und Armut auf dieser Welt gibt. Doch er hilft zumindest, Fasten als eine luxuriöse Übung wahrzunehmen und schafft neue Perspektiven. Kurz: Ich faste, weil Verzicht normal ist.

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Astrid: Schluss mit dem Trott https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/27/astrid-schluss-mit-dem-trott/ Thu, 27 Mar 2014 13:25:47 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=617 Astrid Prange De OliveiraEs gibt nur wenige Dinge, die ich aus dem Physikunterricht noch erinnere. Dazu gehört das Gesetz über die Trägheit der Masse. „Masse ist ein Maß für die Trägheit des Körpers“, lautet eine zentrale physikalische Erkenntnis. Was für ein Satz! Wenn ich ihn auf mich übertrüge, würde er lauten: „Trott ist ein Maß für die Trägheit des Geistes.“

Dieser Trott hat in meinem Leben eine ganz eigene Dialektik entfaltet. Ich habe sogar eine gewisse Vorliebe für ihn entwickelt. Schließlich schafft er Gewohnheiten, strukturiert den Tagesablauf, macht Verhalten vorhersehbar und avanciert so zum Kompass des Alltags. Doch irgendwann kippen genau diese positiven Eigenschaften bei mir ins Negative.

Ist dieser Trott nicht der Tod eines erfüllten Lebens? Ein Synonym für Langeweile und Spießertum? Es rumort in mir, und ich verspüre große Lust, alles durcheinanderzuwirbeln und noch einmal von vorne anzufangen. Neue Wohnung, neue Freunde, neues Land – nach meiner Erfahrung wohnt nicht nur jedem Anfang, sondern auch jedem Abschied ein besonderer Zauber inne.

Ein Gläschen Wein - nur noch zum Genuss!

Ein Gläschen Wein – nicht mehr aus Gewohnheit sondern nur noch aus purem Genuss!

Auch beim Genuss von Alkohol und Nikotin regiert am Schluss die Macht der Gewohnheit. So war ich am Anfang meines Berufslebens fest davon überzeugt, dass kreative Eingebungen für meine Artikel sich nur mit Hilfe des blauen Dunstes entfalten würden. Ein weltbewegender Kommentar ohne Zigarette? Ausgeschlossen! Eine geniale Schlagzeile für die Seite eins ohne Sekt oder Weinschorle? Undenkbar!

Doch der Trott kam durch die Hintertür. Die anscheinend stimulierende Zigarette oder das Phantasie beflügelnde Glas Wein verwandelten sich schleichend in gefährliche Gewohnheiten. Auch wenn ich mich anscheinend in guter kollegialer Gesellschaft befand – Kaffee, Zigaretten und Alkohol schufen ungeahnte Zwänge.

Gott sei Dank unterbrach meine Schwangerschaft diesen unsäglichen Genussmittel-Trott. Beim Schreiben von Artikeln komme ich mittlerweile seit 20 Jahren ohne blauen Dunst aus. Ich hoffe, dass mir die Fastenzeit dabei hilft, mich auch von feucht-fröhlichen Trinkgewohnheiten zu verabschieden.

Es ist Zeit für einen Alkohol-Aufstand! Schluss mit der Trägheit! Ich will keinen Alkohol mehr aus Gewohnheit trinken, sondern nur noch aus purem Genuss.

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Wolfgang: Vor der Freiheit kommt die Zucht https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/25/wolfgang-mit-zucht-auf-den-weg-der-freiheit/ Tue, 25 Mar 2014 13:05:25 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=579 Wolfgang ThielmannLiebe Astrid, lieber Klaus,

Cocktailrezepte im Fastenblog sind auch für mich eine Premiere. Mal schauen, wie ich damit umgehe. Vielleicht sollten wir ein Fest zum Fastenbrechen veranstalten und sie dabei ausprobieren.

Ich musste in den letzten Tagen zweimal Güter abwägen. Am Ziel einer Reise bot mir eine Ordensfrau Kekse und Schokolade an. Und es stand eine Schale Oliven auf dem Tisch. Sie hat mich darauf hingewiesen, dass man auf Reisen nicht fasten muss. Ich habe versucht, einen Mittelweg zu wählen, und zwei Kekse gegessen. Um die Gastfreundschaft zu ehren. Sie selber blieb bei den Oliven. Und gestern abend um halb zehn, als ich aus der Redaktion nach Hause kam, stand ein spontaner Besucher vor der Tür, der mir einen Gefallen tun wollte. Ich bot ihm einen Wein an, weil ich wusste, dass er nicht fastet und dass er Wein mag. Hätte ich Wasser trinken sollen? Am liebsten hätte ich es getan. Aber es schien mir gastfreundlicher, ein Glas mit ihm zu teilen. Ein zwiespältiger Genuss. Jetzt steht eine angebrochene Flasche im Kühlschrank. Und ich weiß noch nicht, was ich heute abend tun soll: Schütte ich den Rest weg, um zu fasten? Oder genieße ich noch einmal, vielleicht halbherzig?

Da sind wir beim Thema der Freiheit und der Entscheidung. Sie haben sich klar gemacht, dass Sie sich frei zum Fasten entschieden haben. Und sich auf dem Weg gefragt, ob das eine gute, eine nützliche Entscheidung war. Jetzt, wo das Fasten nicht mehr so schwer fällt, kommt der Zweifel, wem es hilft, bis zum Ende durchzuhalten, wenn es keinen Kick mehr bringt. Und manchmal wächst die Unentschlossenheit.

Dietrich Bonhoeffer, der Märtyrer, hat Situationen wie diese gekannt und dazu ein – ziemlich unbekanntes – Gedicht über die „Stationen auf dem Weg zur Freiheit“ geschrieben (der Titel im Link ist leider verkürzt). Ich habe die erste Strophe auswendig gelernt, als ich mich zum Theologiestudium entschlossen hatte und darin meine Berufung sah, die ich durchhalten wollte. Was Bonhoeffer sagt, spiegelt sich im strengen Versmaß von Distichen, also Zweizeilern aus Hexameter und Pentameter. Sie verleihen den Gedanken die Wucht von Glockenschlägen. Für Bonhoeffer fängt der Weg zur Freiheit mit „Zucht“ an, wir würden sagen: mit der Beherrschung. Wer frei werden will, muss seinen Willen trainieren und über die Begierden des Augenblicks hinwegkommen.  Stefan erlebt das mit dem Nikotin-Entzug von uns allen am heftigsten und unmittelbarsten.

Aber wir haben uns alle auf den Weg zur Freiheit begeben. Darin liegt der Reiz, die Entscheidung durchzuhalten. Die Freiheit liegt – noch – vor uns.

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Wolfgang: Gott, wie süß! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/wolfgang-gott-wie-suess/ Mon, 17 Mar 2014 10:24:46 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=499 Wolfgang ThielmannLieber Klaus,

auch mir fällt der Verzicht auf Süßes zeitweise am schwersten (und vielleicht auch Astrid?). Süße ist etwas Besonderes. Vielleicht kann der Verzicht das wieder zutage fördern. Ihre Recherchen haben schon ergeben, dass Süße bis vor zwei Jahrhunderten die kostbarste und teuerste aller Geschmacksrichtungen war. Sie haben die Bach-Motette „Jesu meine Freude“ zitiert mit der Schlussstrophe: „Denen, die Gott lieben muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“.

Der Text von Johann Franck entstand 1650, die  Musik Bachs wohl um 1730. Damals konnten sich nur die Klotzreichen den Stoff leisten, der von den ersten Zuckerrohrplantagen aus den Westindischen Inseln importiert wurde. Franck und Bach wollten sagen: Auch wenn die Beziehung zu Gott von Zweifeln und Anfechtung und das Leben von Rückschlägen durchzogen ist – bei dem, der Gott vertraut, wird das alles einen unendlichen Wert für sein Leben gewinnen. Eine kühne Botschaft für Familien, in denen Krieg und auch der Tod von Kindern zum Alltag gehörten und wo eine ernsthafte Krankheit des Vaters die Familie ruinieren konnte.

Den einzigen heimischen Süßstoff dieser Zeit, nämlich Honig, gewannen die Zeidler, die Vorfahren unserer Imker, durch Bienenhaltung in Waldbäumen. 15 Jahre nach Bachs Motette wurde Zucker erstmals in Rüben nachgewiesen. Erst ein knappes Jahrhundert später begann die industrielle Rübenzuckerproduktion, die den süßen Stoff billiger machte. Interessanterweise heißt es in Bachs Kaffeekantate von 1734, also aus der gleichen Zeit wie die Motette (Klaus, ich muss es Ihnen zumuten!): „Ei, wie schmeckt der Coffee süße“. Nicht, weil er gesüßt wurde, sondern weil er kostbar und ebenfalls teuer war. Bach trank ihn im Zimmermannschen Kaffeehaus in Leipzig. Dort wurde auch die Kantate uraufgeführt. Das Kaffeehaus war vierzig Jahre zuvor als eins der ersten in Deutschland eröffnet worden. Der Name „Süß“ ist übrigens für Christen und Juden („Jud Süß“) belegt und bezeichnete wohl ursprünglich einen angenehmen, freundlichen Menschen.

In der Kostbarkeit des Zuckers liegen Gründe, warum die Bibel das Wort „süß“ ganz anders gebraucht als unser Nachwuchs. Vielleicht abgesehen vom Hohenlied: Da findet der Mann die Stimme der Geliebten und sie seinen Mund süß. Aber auch da meint das Wort nicht nur Putziges oder Liebenswertes, sondern auch das Teure und Wertvolle.

Das Kostbare, Begehrte der Süße spiegelt sich etwa in den Sprüchen: „Ein Satter tritt Honigseim mit Füßen; aber einem Hungrigen ist alles Bittre süß.“ Das Gegenteil von süß ist bitter, nicht sauer wie bei uns heute. In Epheser 5,2 hat sich Christus für uns gegeben, „Gott zu einem süßen Geruch“. Das spielt auf die Opfertheologie des Alten Testaments an. Als zu Pfingsten der Heilige Geist auf die Jünger herabkommt und sie in allen Sprachen Gott loben, sagen die Kritiker: „Sie sind voll süßen Weins.“ Der Vorwurf heißt: Sie haben mit einem kostbaren Getränk geaast und wussten nicht, wann es genug war. Denn der süße Wein gehörte zu Festen. Der für den Alltag muss dagegen ziemlich sauer gewesen sein. Süß und damit nahrhaft, gesund und kostbar ist in der Bibel das Wort Gottes – und alles, was von ihm kommt. An Bluthochdruck mussten die Autoren noch nicht denken. Ihr Zuckerkonsum fiel kaum ins Gewicht.

In den apokryphen Schriften der Christenheit, also denen, die es nicht ins Neue Testament schafften, setzt sich das Thema fort. Der Kirchengeschichtler Christoph Markschies, der sie neu herausgegeben hatte, war so freundlich, für uns nachzuschauen. Der gnostische Schöpfungsmythos aus dem „Dialog des Erlösers“  etwa illustriert die Fürsorge Gottes: „Dann sandte er Quellen von Milch und von Honig und Wein und gute Früchte und süßen Geschmack und gute Wurzeln, damit die Erde keinen Mangel habe.“

Im „Evangelium der Wahrheit“ aus dem zweiten Jahrhundert heißt es über das Wort: Es kommt aus dem Herzen Gottes, des Vaters, und „nun trägt es alle, indem es sie erwählt. Und das Wort, das sie zum Vater und zur Mutter zurückkehren lässt, ist Jesus, der Sohn der Grenzenlosigkeit und der Süße.“ Auch von Gott, dem Vater, sagen die Autoren: „Der Vater ist süß, und in seinem Willen ist Gutes.“ Und wenig später: Er sei „weder bitter noch zornig, sondern ohne Falsch, unerschütterlich und süß, einer, der jeden Weg kennt, bevor er entsteht.“

Was die Autoren mit der Süße ausdrücken wollten, passt zu unseren Fastenwochen. Lieber Klaus, wenn Ihnen in der kommenden Woche der Verzicht auf Kaffee und Zucker zu schaffen macht, denken Sie an Francks Text und den Choral, den Bach daraus gemacht hat: „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein.“ Wer auf Gott vertraut, muss nicht fürchten, dass ihm etwas entgeht, wenn er verzichten muss, wenn das Leben an ihm vorbeizuziehen scheint. Er kann darauf setzen, dass alles, was uns begegnet, das Gütesiegel der Liebe Gottes trägt – auch das, was nach dem Gegenteil aussieht.

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Astrid: Fasten für Gott? Nein danke! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/astrid-fasten-fuer-gott-nein-danke/ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/astrid-fasten-fuer-gott-nein-danke/#comments Mon, 17 Mar 2014 10:17:16 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=483 Astrid Prange De OliveiraBei so viel Pietät meiner Kollegen muss ich doch mal dagegenhalten. Ob ich Gott näher komme, hängt nicht von meiner Fähigkeit zum Verzicht ab, davon bin ich fest überzeugt. Ich muss Gott gegenüber nichts beweisen, das hat uns schon Luther klargemacht. Der Glaube an den unsichtbaren Schöpfer, an den Geist, auf den wir vertrauen, obwohl wir nie ganz sicher sind, ob es ihn auch wirklich gibt, dieser Glaube allein ist für mich schon eine große Herausforderung.

Mit anderen Worten: Fasten für Gott? Nein danke! Mit Sätzen wie „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“ kann ich schwer etwas anfangen, auch wenn sie in Bachs wunderbar schwebender Mottet „Jesu, meine Freude“ vorkommen.

Beim Fasten begegnen wir uns selber, hat Wolfgang geschrieben, das habe ich nun am zweiten Fastensonntag erneut erfahren. Es ist ein merkwürdiges Ritual, das sich da Bahn bricht. Zunächst freue ich mich eine Woche lang auf Sonntag und das damit verbundene Fastenbrechen. Ich freue mich auf ein Glas Wein oder einen kühlen Baileys.

Doch wenn es dann endlich soweit ist und ich mich nach einer Woche Abstinenz mit einem Glas Wein belohnen will, dann breitet sich Leere statt Lust  aus. Letzte Woche habe ich trotzig an meinem Chardonnay genippt, er wollte einfach nicht munden. Diesen Sonntag habe ich mir einen Ingwertee nach dem anderen aufgebrüht, um meine Grippe auszukurieren.

Angesichts dieses im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternden Szenarios schwindet meine Hoffnung, dass es am nächsten Sonntag besser wird. Brauche ich die fastenfreien Sonntage nur als psychologische Stütze, um wieder eine Woche durchzuhalten? Oder funktioniert Genuss auf Knopfdruck schlicht und ergreifend nicht?

Am besten wäre es wohl gewesen, ich hätte einfach am Samstagabend mein Fasten gebrochen. Ich hätte dann gemeinsam mit Freunden und Bekannten anstoßen können. Aber nein, auch auf dieser Geburtstagsfeier wollte ich mir mal wieder meine Stärke beweisen. Um nicht in Versuchung zu kommen, habe ich sofort angeboten, auf dem Rückweg nach Hause zu fahren, und mir damit selbst Fesseln angelegt.

Je länger ich darüber nachdenke, desto unsinniger erscheint mir dieses Verhalten im Nachhinein. Mein Bekannter hätte sich sicher gefreut, mit mir anzustoßen. Und mir hätte ein Glas Wein oder Sekt in fröhlicher Runde sicher besser gemundet als am Sonntag einsam auf dem Sofa.

Daher hier mein persönliches Plädoyer für pragmatisches Fasten! Verzicht in Maßen, mit einer persönlich-flexiben Leidensgrenze. Ich will mir nichts mehr beweisen, weder vor mir noch vor Gott. Doch trotz aller Kritik am gottgefälligen Verzicht bin ich jedoch dankbar für die Erfahrung, dass mir der Alkoholverzicht bis jetzt leichter fällt, als ich angenommen hatte.

Ausgerechnet beim Schreiben dieser Zeilen habe ich mich übrigens an einen historischen Ausspruch des brasilianischen Dichters und Diplomaten Vinicius de Moraes erinnert. Der scharfsinnige Literat, der gemeinsam mit dem Komponisten Antonio Carlos Jobim den Bossa-Nova-Hit „Girl from Ipanema“ schrieb, war dem Alkohol bekanntermaßen nicht abgeneigt. Seine unverblümte Liebeserklärung an Hochprozentiges lautete: “Whiskey ist der beste Freund des Menschen. Er ist ein Hund in der Flasche.“

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Wolfgang: Finde das richtige Maß! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/12/wolfgang-finde-das-richtige-mass/ Wed, 12 Mar 2014 15:38:47 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=367 Wolfgang Thielmann

Lieber Klaus Dahmann,

mit dem Vegetarismus machen Sie ein Fass auf. Wofür Jesus schon vereinnahmt wurde! Und mit welchen Argumenten! Vor Jahren las ich in einer Vegetarier-Zeitschrift zum Christfest, Jesus zeige als Weihnachtsmann den richtigen Weg – denn: „es roch so nach Äpfeln und Nüssen“. Der Autor verwechselte das Neue Testament mit einem Gedicht der „Gartenlaube“-Autorin Anna Ritter.

Jesus hat gefastet. Aber er hat auch oft gefeiert und musste sich von den Frommen seiner Zeit vorwerfen lassen, er sein ein Fresser und Säufer. Sein erstes Wunder bestand darin, dass er auf der Hochzeit in Kana Wasser in Wein verwandelte. Er lud sich bei dem anrüchigen Zöllner Zachäus ein und feierte ein Fest. Sind in einer Gesellschaft von Bauern und Hirten fleischlose Feste vorstellbar? Im Johannesevangelium erklärt Jesus den Kern seiner Botschaft so: „Mein Fleisch ist die wahre Speise und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt der bleibt in mir und ich in ihm.“ Kann ein Vegetarier seine Lehre so auf den Punkt bringen?

Aber im frühen Christentum wurde Vegetarismus ein Megathema. Für manche Theologen der ersten Jahrhunderte wie Markion und Hieronymus aß der wahre Christ Kohl und Körner. Nur Glaubensschwache brauchten Gebratenes. Innerhalb und außerhalb des Christentums diskutierten Philosophen, ob man Tiere essen darf, die eine Seele haben. Aber die Synode von Ankyra im Jahr 314, die erste nach einer langen Periode der Christenverfolgung,  entschied: Vegetarismus ist eine Irrlehre. Doch plädierten die Lehrer der frühen Christenheit für Mäßigung. Bischof Gregor von Nyssa, dem heutigen türkischen Nevşehir,  warnte Heranwachsende vor zu viel Alkohol. Aber Fleisch in Maßen verteidigte er. In seinem Buch „Die Erschaffung des Menschen“ meinte er, bei der Schöpfung habe Gott dem Menschen die Tiere zur Ernährung gegeben. Und man könne die Tierseele kaum Seele nennen, denn ihre sinnliche Wahrnehmung liege nah bei der der Pflanzen. Nahrung, sagte Gregor, soll den Menschen stark machen. Genuss im Übermaß schwäche ihn aber bloß und fordere ihren Preis.

Zum Fasten übrigens gehörten für ihn Wasser, Gemüse und ein „unblutiger Tisch“. Das Ziel des Fastens lag nach Gregors Ansicht in der geistigen Reinheit. Deshalb sollten Fastende, was sie an Nahrung sparten, den Armen zukommen lassen. (Und deshalb behandelte er das Fasten in einem Brief über die Liebe zu den Armen.)

Die Frage nach dem Vegetarismus und dem Maß führen mitten in die Ethik. Und zum Slogan der evangelischen Fastenaktion, „Selber denken!“. Er erinnert an eine protestantische Tradition: Der einzelne soll in der Auseinandersetzung mit der Bibel zu einem geschulten Gewissen und einer begründeten Entscheidung kommen. Die katholische Kirche legt sich auf eine Lehre fest und erwartet vom einzelnen, dass er sich einfügt. Weil viele Entscheidungen und Vorbilder vorgegeben sind, erweckt der Katholizismus einen geschlosseneren Eindruck. Im richtigen Leben unterscheiden sich beide gar nicht so sehr. Denn tatsächlich übernehmen auch Katholiken nur solche Entscheidungen, die sie für sich begründen können. Und tatsächlich haben auch Protestanten Vorbilder und Riten.

Wo liegt das richtige Maß? Wo liegt es in Zeiten der industriellen Tierproduktion? Gerade hat der hannoversche Bischof Ralf Meister gegen die Verbilligung des Fleischs bei großen Discountern protestiert, weil sie die Existenz von Landwirten bedroht.  Ich erinnerte mich dabei an die Tiere auf dem Bauernhof meiner Großeltern. Auch da wurde jedes Fest mit selbst Geschlachtetem gefeiert. Aber wer im Alltag seinen Zorn an den Kühen ausließ, dem redeten die Männer des Dorfs ins Gewissen. Und den Moment des Schlachtens erlebten nur der Metzger und seine Helfer. Schlachten war unvermeidlich, aber nichts zum Zuschauen. So viel Würde hatte auch das Tier. Die Achtung vor der Schöpfung gibt den Maßstab ab.

Bei meinem bevorstehenden Fest hat meine Frau darauf geachtet, dass das Fleisch von freilaufenden Tieren stammt. Aber da nicht die Feste das Problem sind, sondern der Alltag: Ein Freund und seine Familie kaufen ihre Lebensmittel beim Händler im Ort und grundsätzlich nicht im Supermarkt. In beiden Haushalten wird wenig Fleisch gegessen, aber wenn, dann gutes von Tieren, die artgerecht auf Weiden und Wiesen gehalten wurden. Ich finde es wichtig, dass wir Maßstäbe für unseren Konsum gewinnen und konsequent danach handeln, wie immer unsere Entscheidung ausfällt. Und Maßhalten im Alltag ist eine zeitlos gute Lebensregel. Allein schon, weil sie die Feste schöner macht.

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