Licht – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Stefan: Geschenkte Zeit! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/12/stefan-geschenkte-zeit/ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/12/stefan-geschenkte-zeit/#comments Wed, 12 Mar 2014 15:57:41 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=373 Stefan Dege, DW-RADIO/Deutsches Programm, Zeitgeschehen, 19.07.2007Jetzt ist es also amtlich: Wer auf etwas Gewohntes verzichtet, z.B. wie ich auf das Rauchen, der schärft seine Sinne. „Die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit legt in dieser Phase deutlich zu“, bestätigt die Kölner Psychologin Christel Lensing-Reissdorf. Wen wundert’s also, wenn ich auf einmal sehr auf optische Eindrücke, zum Beispiel auf das atemberaubende Morgenlicht beim Joggen abfahre?

Meine Beschreibungen dazu fanden bei meiner Frau übrigens wenig Gnade: „Was hat das denn mit dem Rauchen zu tun?“

Meiner Wahrnehmung entgeht aber nicht die Anzeigenkampagne eines deutschen Autoherstellers: „Umparken im Kopf“ heißt Ihr Aufruf zum Perspektivwechsel. Ein neuer Blick auf die Automarke mit dem verstaubten Image? Vielleicht hilft es ja und kurbelt die Verkäufe an. Aber die Dinge mit anderen Augen sehen,  zu anderen Schlüssen gelangen, das finde ich schon hilfreich. Das betrifft auch mich, dem werdenden Ex-Raucher. 20140307_131337Zwanzig Zigaretten täglich, multipliziert mit fünf bis zehn Minuten ritueller Handlung (Zigarette zwischen die Lippen stecken, anzünden, Asche abstreifen, Zigarette ausdrücken usw.), macht zwischen 100 und 200 Minuten, die ich täglich ins eigene Vergiften investiere….

Da werde ich jetzt also reich – an selbst geschenkter Zeit! Aber was, bitteschön, mache ich mit dieser Zeit? Mit neuen Ritualen füllen? Spazierengehen (dabei entstand heute übrigens dieses Foto) Lesen (davon demnächst mehr), Kochen, Arbeiten? Muss ich noch rausfinden. Sechs Wochen bleiben noch.

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Stefan: „…schlagt mit gottloser Faust.“ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/10/stefan-schlagt-mit-gottloser-faust/ Mon, 10 Mar 2014 08:28:32 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=325 stefan2Wie prophetisch, dieser Jesaja. Als hätte er gewusst, wie sehr das Nicht-Rauchen mein Nervenkostüm angreift. (Phasenweise fühlst Du Dich wie hinter einem Schleier. Die Gedanken reißen aus.  Der Körper steht unter Strom, alles kribbelt, ist überempfindlich. Innerlich ballst Du die Faust, möchtest draufhauen, irgendwas zerstören: Wut, blanke Aggression!!!). „Wenn Ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein…“, sagt Jesaja. Jetzt verstehe ich, warum mir meine kleine Tochter heute morgen empfahl: „Ständig Deine schlechte Laune, Papa, fang lieber wieder an zu rauchen!“ Ich  weiß wohl, dass ich die Geduld meiner Mitmenschen im Moment auf eine harte Probe stelle…

20140306_082223Aber neben den Schattenseiten des Aufhörens gibt es auch die Lichtblicke. Und zwar buchstäblich: Ich liebe es, wenn während des morgendlichen Joggens der Nebel über dem Rhein aufsteigt. Wenn die Stadt flussabwärts noch im Dunkel kauert, während rheinaufwärts schon ein morgendlicher Schimmer durchbricht und Bäume, Flussufer und Wege in sein rötlich-silbriges Licht taucht.  Von da an steigert sich das Lichtspiel. Von Minute zu Minute changieren Farben, Formen und Kontraste. Manchmal unterbreche ich meinen Lauf, bleibe stehen, wie gestern morgen, und staune einfach. Licht hat es mir angetan. Aber vielleicht ist es so, dass meine optischen Wahrnehmungen momentan intensiver sind?

Was ist es, was mein „Fasten“ – im Sinne Jesajas in ein gottgefälliges Licht rückt? Noch habe ich keinen blassen Schimmer, allenfalls eine leise Ahnung: Es sind die kleinen Freiheiten, die ich zurückgewinne, und die mich zunehmend stolz machen – nicht nach Qualm zu stinken, durchzuatmen ohne Husten (heute ist immerhin Tag fünf meines Entzugs, macht ca. 100 Zigaretten, die ich nicht geraucht habe!),  Bewegungsdrang zu verspüren. Das Beste aber, und ich kenne das von früheren Quitt-Versuchen (Mark Twain lässt grüssen): Die Phasen, in denen ich meine Sucht vergesse, werden immer länger. Wäre nicht dieser Blog, vielleicht spräche mich gar keiner darauf an?

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