Jesus – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Wolfgang: Verkürzt Fasten das Fegefeuer? https://blogs.dw.com/ohne/2014/04/13/wolfgang-verkuerzt-fasten-das-fegefeuer/ Sun, 13 Apr 2014 04:38:35 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=779 Wolfgang ThielmannLiebe Mitfastende,

wir fangen an, Resümee zu ziehen und unsere Absichten und unseren Ertrag zu definieren. Wir beginnen zu spüren, dass uns ein Gewinn an Freiheit winkt. Weil sich das Maß verschoben hat, ist aus Genuss Gewohnheit geworden.  Durch den Verzicht wird das deutlich. Wir können das Maß neu justieren. Graduell wie Astrid und Klaus oder radikal wie Stefan.

Dabei sollen wir uns nicht besser fühlen, sagt Astrid. Verzicht ist normal. Denn vielen bleibt nichts anderes übrig. Also ist Fasten auch ein Akt der Solidarität mit anderen, die zum Verzicht gezwungen sind. Das entspricht dem Tweet von Papst Franziskus am 31. März: „Die Fastenzeit ist die Zeit zum Kurswechsel, um gegen das Böse und das Elend anzugehen.“

Es hat mich auch an die Sätze erinnert, die Jesus in Matthäus 6 zum Fasten gesagt hat: Keine nach Anerkennung fischende Leichenbittermiene. Normalität. Und ein bisschen preußische Pflichterfüllung. Auch die geht auf ein Wort zurück, das Jesus seinen Jüngern sagte: „Wenn ihr getan habt, was euch aufgetragen ist, dann sagt: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Das Maß bewahren, nicht zu viel Wind um die eigene Leistung machen.

Kann man trotzdem das Ende feiern? Den wieder gewonnenen Genuss? Oder die Freiheit, wie Stefan? Oder noch mehr?

Der Katechismus der katholischen Kirche bestätigt unsere Erfahrung. Die Fastentage tragen dazu bei, sagt er, „dass wir uns die Herrschaft über unsere Triebe und die Freiheit des Herzens erringen.“ Er stellt Jesus in der Wüste als Vorbild der Fastenden hin. Seinen Gehorsam gegenüber seiner Berufung. Seine Standhaftigkeit gegen das Angebot der Macht und des Einflusses. Dreimal wehrt er sich gegen Angebote und Argumente des Teufels. Dann zieht der Teufel sich zurück, und beim Evangelisten Matthäus heißt es: Engel kamen und dienten ihm. Im katholischen Katechismus folgt der Satz: „Durch die vierzigtägige Fastenzeit vereint sich die Kirche jedes Jahr mit dem Mysterium Jesu in der Wüste“. Braucht man zum Fasten die Kirche? Gewinnt es dadurch an Tiefe?

Noch weiter geht der zweithöchste Jurist im Bistum Eichstätt, Alexander Pytlik, der sich auch als Internetpfarrer betätigt. In einer Predigt zum Fastensonntag erinnert er an die katholische Ablasslehre: Durch Fasten, Beten und durch andere fromme Übungen wie den Besuch bestimmter Kirchen können Katholiken sich selber oder anderen die Zeit im Fegefeuer verkürzen oder ganz ersparen. Denn dann genießen sie sozusagen ihre persönliche Rendite des Kirchenschatzes, der aus den Verdiensten Jesu und der Heiligen besteht und aus dem die Kirche austeilen kann.

Das ist konfessionell vermintes Gelände. Luthers 95 Thesen richten sich genau gegen den Ablass. Protestanten lehnen wenige Lehren so strikt ab wie diese. Doch sie gehört zur katholischen Kirche. Und die Ablasslehre stellt uns eine interessante Frage: Gefallen wir Gott mit Fasten, kommen wir ihm näher, unabhängig davon, ob wir das empfinden oder nicht? Und macht es also die Welt ein bisschen besser, auch wenn das niemand wahrnimmt?

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Klaus: Vom schicksalhaften Wesen der Frau (für Faster) https://blogs.dw.com/ohne/2014/04/05/klaus-vom-schicksalhaften-wesen-der-frau-fuer-faster/ Sat, 05 Apr 2014 06:05:17 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=686 KlausMark Twain liefert den Stoff, aus dem die Träume eines Ex-Rauchers sind: Ohne Tabak kann der Mann den täglichen Frauenterror nicht ertragen! Noch ein Beweis für das schicksalhafte Wesen der Frau?

Bis heute gibt es Männer, die Frauen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Familie auf eine zweitrangige Rolle herunterreden wollen. Manch einer greift dazu auch tief in die Bibel-Kiste: Denn da, meinen sie, geistern eben vor allem Männer durchs Alte und Neue Testament – wenn man jetzt mal von der Schlüsselfigur Eva mit ihrem Sündenfall absieht, wegen der die Menschheit sich nicht mehr aus Bächen von Milch und Honig ernähren kann. Oder Maria, der Mutter Jesu, die ja ebenfalls eine essenzielle Rolle für das Schicksal des Christentums spielte. Daneben gibt es wenige Quotenfrauen wie Maria Magdalena. Aber von Moses über Jesus bis Paulus waren es stets Männer, die große Taten vollbrachten. Auch die Rollen der „Bad guys“ sind in der Bibel mit männlichen Figuren besetzt: Herodes, Pontius Pilatus und Judas. Frauen standen eher im Abseits.

Warum bloß? An Jesus kann es kaum gelegen haben. Der hatte eine durchaus wohlwollende Haltung gegenüber Frauen. Man erinnere sich nur an die Geschichte mit der Ehebrecherin, die mit vielen Männern geschlafen hatte. Jesus Spontankommentar nach Lukas: „Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“ Das ist eine dieser schallenden Ohrfeigen, mit denen er die Moralvorstellungen seiner Zeitgenossen zurecht rückte und als chauvinistische Umtriebe entlarvte. Aber wenn Jesus kein Chauvi war – wer dann?

Paulus natürlich! Wenn man seine frauenfeindlichen Sprüche liest, kommen Zweifel auf, ob da nicht immer mal wieder das Saulus-Ego durchschimmerte: „Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, […] sondern sie sei still.“ Wie Mark Twain litt er offenbar unter der Gesprächslust seiner Zeitgenössinnen und hätte ihnen am liebsten einen Knebel in den Mund geklemmt: „Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still.“ Wer das mit dem Stillsein so oft wiederholen muss, hat ganz offensichtlich Durchsetzungsprobleme gegen den weiblichen Wortschwall!

Auch Paulus‘ Sexualleben schien alles andere als erfüllt gewesen zu sein – weshalb er seinen Followern empfahl: „Bist du nicht gebunden, so suche keine Frau.“ Und: „Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine.“ Denn: „Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren.“ Hätten die ersten Christen seine Empfehlungen befolgt, dann wäre die christliche Religion schnell ausgestorben.

Erstes Fazit: Männer haben es schon in der Antike ausgezeichnet verstanden, sich in den Vordergrund zu drängen. Vielleicht spielt aber auch eine Rolle, dass das Neue Testament ausschließlich von Männern (Markus, Lukas, Matthäus und Johannes) überliefert und von einem Chauvi (Paulus) verbreitet wurde. Und dass Männer, wenn sie unter sich sind, lieber sich gegenseitig auf die Schultern klopfen als die Leistungen einer Frau angemessen zu würdigen, ist ja allgemein bekannt.

Zweites Fazit: Wer in der Fastenzeit auf Sex verzichten will, kann sich Inspiration bei Paulus holen. Verzicht auf Alkohol, Zigaretten oder Fleisch macht aber in meinen Augen mehr Sinn.

Drittes und letztes Fazit: Männer, die auf Zigaretten verzichten, sollten nicht Mark Twain lesen.

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PS: Lieber Wolfgang, aber sicher haben Sie meinen Segen! Nur bitte ein Stück Geburtstagstorte aufheben – bitte bis Ostern!

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Stefan: Allein in der Wüste https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/18/schrei-in-der-wueste/ Tue, 18 Mar 2014 14:43:52 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=519 Stefan Dege, DW-RADIO/Deutsches Programm, Zeitgeschehen, 19.07.2007Schon, oder besser: erst 14 Tage währt mein heroisches Unterfangen, das Rauchen aufzugeben. 14 Tage ohne blauen Dunst, ohne Aschenbecher, dafür mit Übellaunigkeit, mit allerlei Gegenstrategien und Ersatzbeschäftigungen, vor allem natürlich mit viel Sport. Geht so Fasten? Ist das, was ich mir und meiner Umwelt da zumute, eigentlich Fasten? Und was hat diese Art des Fastens mit einem, nein: meinem Weg zu mir oder zu Gott zu tun? Fragen über Fragen!

Fasten, wie ich es verstehe, ist ein Verzicht auf Zeit. Wer, bitteschön, ist so blöd, nach neun Wochen des Nichtrauchens, was einem Martyrium gleichkommt, wieder anzufangen? Ich müsste doch, wie Journalisten gerne schreiben, „mit dem Klammerbeutel gepudert“ sein. Zur Beruhigung aller: Bin ich nicht. Für mich ist diese Fastenaktion eine Absprunghilfe. Ich möchte von der Droge loskommen. Über Ostern hinaus. Punkt.

Verbindungen zum „klassischen“ Fasten gibt es dann aber doch: Weil ich nach dem Rauchstopp nicht fett werden möchte, ergreife ich Vorsichtsmaßnahmen. Ich stille mein Verlangen nicht ersatzweise mit Süßigkeiten. Ich meide Alkohol und Kaffee, sind es doch solche Verknüpfungen, die mich vom Pfad der Tugend abbringen können: Gehört zur Tasse Kaffee nicht die leckere Zigarette? Raucht es sich nicht wunderbar beim Glas Wein? Sex ohne die berühmte „Zigarette danach?“ Autofahren ohne Glimmstengel? Alles ziiiiiemlich gefährlich. Also sollte ich mein Verhalten ändern und mein Belohnungssystem umstellen.

Betrachte ich meine Mit-Faster Astrid und Klaus, so schwant mir: Die ärmste Sau bin eigentlich ich. Als Raucher auf Abwegen verordne ich mir einen weiter reichenden Verzicht. Ein Richtungswechsel. Jesus ging zum Fasten in die Wüste, heißt es in der Bibel. Er dürfte sich ziemlich allein gefühlt haben – abgesehen von seiner Begegnung mit dem Teufel…

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Klaus: Auf in die Wüste! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/18/klaus-auf-in-die-wueste/ Tue, 18 Mar 2014 14:18:45 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=505 KlausWarum ging Jesus zum Fasten in die Wüste? Damit er nicht hilflos suchend zwischen Schokoladenregal, Mettbrötchenbüffet und Kaffeeautomat herumtigern musste wie ich heute. In der Cafeteria reduziert sich meine Auswahl seit Aschermittwoch auf Orangensaft, Naturjoghurt und Obst. Dass der Fastenverzicht auf Kaffee, Fleisch und Zucker bedeutet, sich so elend gesund zu ernähren, hätte ich mir eigentlich vorher denken können. Hab ich aber nicht.

Geb ja zu: Die sprühende Freundlichkeit, mit der mich Kollegen zum Cappuccino einladen wollen, geht mir immer noch wahnsinnig auf die Nerven. Wenn ich dann die Augenbrauen strafend schräg stelle und stechende Blicke zurückschieße, ernte ich empathievolle Kommentare wie „Oh, entschuldige, ich hab vergessen, dass du das nicht darfst“. Da läuft der Waldschrat in mir zu Höchstform auf: „Ich DARF, aber ich WILL nicht!“

Und nun auch noch Astrids Vorschlag, „pragmatisch“ zu fasten: „Verzicht in Maßen, mit einer persönlich-flexiblen Leidensgrenze“! Das klingt wie „ein bisschen schwanger“. Entweder ich verzichte ganz – oder gar nicht. Ich will ja meine Grenzen erfahren, will, dass das Fasten „wirkt“, dass ich mich meinen Schwächen stelle. Um sie dann hoffentlich zu überwinden.

Auch wenn ich wohl den Scherbenhaufen, den ich in diesen sieben Wochen im Umgang mit meinen Mitmenschen anrichte, nach Ostern mühsam wieder zusammenkehren muss. Jesus hatte es ja in der Wüste wenigstens mit dem Teufel zu tun, der ihn in Versuchung führte, bei dem musste er sich danach nicht entschuldigen.

Warum hat eigentlich noch kein Reisebüro „Sahara-Fasten mit Teufelserscheinung“ im Programm? Könnte ein Renner werden!

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Wolfgang: Gott, wie süß! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/wolfgang-gott-wie-suess/ Mon, 17 Mar 2014 10:24:46 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=499 Wolfgang ThielmannLieber Klaus,

auch mir fällt der Verzicht auf Süßes zeitweise am schwersten (und vielleicht auch Astrid?). Süße ist etwas Besonderes. Vielleicht kann der Verzicht das wieder zutage fördern. Ihre Recherchen haben schon ergeben, dass Süße bis vor zwei Jahrhunderten die kostbarste und teuerste aller Geschmacksrichtungen war. Sie haben die Bach-Motette „Jesu meine Freude“ zitiert mit der Schlussstrophe: „Denen, die Gott lieben muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“.

Der Text von Johann Franck entstand 1650, die  Musik Bachs wohl um 1730. Damals konnten sich nur die Klotzreichen den Stoff leisten, der von den ersten Zuckerrohrplantagen aus den Westindischen Inseln importiert wurde. Franck und Bach wollten sagen: Auch wenn die Beziehung zu Gott von Zweifeln und Anfechtung und das Leben von Rückschlägen durchzogen ist – bei dem, der Gott vertraut, wird das alles einen unendlichen Wert für sein Leben gewinnen. Eine kühne Botschaft für Familien, in denen Krieg und auch der Tod von Kindern zum Alltag gehörten und wo eine ernsthafte Krankheit des Vaters die Familie ruinieren konnte.

Den einzigen heimischen Süßstoff dieser Zeit, nämlich Honig, gewannen die Zeidler, die Vorfahren unserer Imker, durch Bienenhaltung in Waldbäumen. 15 Jahre nach Bachs Motette wurde Zucker erstmals in Rüben nachgewiesen. Erst ein knappes Jahrhundert später begann die industrielle Rübenzuckerproduktion, die den süßen Stoff billiger machte. Interessanterweise heißt es in Bachs Kaffeekantate von 1734, also aus der gleichen Zeit wie die Motette (Klaus, ich muss es Ihnen zumuten!): „Ei, wie schmeckt der Coffee süße“. Nicht, weil er gesüßt wurde, sondern weil er kostbar und ebenfalls teuer war. Bach trank ihn im Zimmermannschen Kaffeehaus in Leipzig. Dort wurde auch die Kantate uraufgeführt. Das Kaffeehaus war vierzig Jahre zuvor als eins der ersten in Deutschland eröffnet worden. Der Name „Süß“ ist übrigens für Christen und Juden („Jud Süß“) belegt und bezeichnete wohl ursprünglich einen angenehmen, freundlichen Menschen.

In der Kostbarkeit des Zuckers liegen Gründe, warum die Bibel das Wort „süß“ ganz anders gebraucht als unser Nachwuchs. Vielleicht abgesehen vom Hohenlied: Da findet der Mann die Stimme der Geliebten und sie seinen Mund süß. Aber auch da meint das Wort nicht nur Putziges oder Liebenswertes, sondern auch das Teure und Wertvolle.

Das Kostbare, Begehrte der Süße spiegelt sich etwa in den Sprüchen: „Ein Satter tritt Honigseim mit Füßen; aber einem Hungrigen ist alles Bittre süß.“ Das Gegenteil von süß ist bitter, nicht sauer wie bei uns heute. In Epheser 5,2 hat sich Christus für uns gegeben, „Gott zu einem süßen Geruch“. Das spielt auf die Opfertheologie des Alten Testaments an. Als zu Pfingsten der Heilige Geist auf die Jünger herabkommt und sie in allen Sprachen Gott loben, sagen die Kritiker: „Sie sind voll süßen Weins.“ Der Vorwurf heißt: Sie haben mit einem kostbaren Getränk geaast und wussten nicht, wann es genug war. Denn der süße Wein gehörte zu Festen. Der für den Alltag muss dagegen ziemlich sauer gewesen sein. Süß und damit nahrhaft, gesund und kostbar ist in der Bibel das Wort Gottes – und alles, was von ihm kommt. An Bluthochdruck mussten die Autoren noch nicht denken. Ihr Zuckerkonsum fiel kaum ins Gewicht.

In den apokryphen Schriften der Christenheit, also denen, die es nicht ins Neue Testament schafften, setzt sich das Thema fort. Der Kirchengeschichtler Christoph Markschies, der sie neu herausgegeben hatte, war so freundlich, für uns nachzuschauen. Der gnostische Schöpfungsmythos aus dem „Dialog des Erlösers“  etwa illustriert die Fürsorge Gottes: „Dann sandte er Quellen von Milch und von Honig und Wein und gute Früchte und süßen Geschmack und gute Wurzeln, damit die Erde keinen Mangel habe.“

Im „Evangelium der Wahrheit“ aus dem zweiten Jahrhundert heißt es über das Wort: Es kommt aus dem Herzen Gottes, des Vaters, und „nun trägt es alle, indem es sie erwählt. Und das Wort, das sie zum Vater und zur Mutter zurückkehren lässt, ist Jesus, der Sohn der Grenzenlosigkeit und der Süße.“ Auch von Gott, dem Vater, sagen die Autoren: „Der Vater ist süß, und in seinem Willen ist Gutes.“ Und wenig später: Er sei „weder bitter noch zornig, sondern ohne Falsch, unerschütterlich und süß, einer, der jeden Weg kennt, bevor er entsteht.“

Was die Autoren mit der Süße ausdrücken wollten, passt zu unseren Fastenwochen. Lieber Klaus, wenn Ihnen in der kommenden Woche der Verzicht auf Kaffee und Zucker zu schaffen macht, denken Sie an Francks Text und den Choral, den Bach daraus gemacht hat: „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein.“ Wer auf Gott vertraut, muss nicht fürchten, dass ihm etwas entgeht, wenn er verzichten muss, wenn das Leben an ihm vorbeizuziehen scheint. Er kann darauf setzen, dass alles, was uns begegnet, das Gütesiegel der Liebe Gottes trägt – auch das, was nach dem Gegenteil aussieht.

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Klaus: Die Bibel ist kein Zuckerschlecken https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/14/klaus-die-bibel-ist-kein-zuckerschlecken/ Fri, 14 Mar 2014 11:47:24 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=467 KlausWarum habe ich bloß beschlossen, neben Fleisch und Kaffee auch noch den Zucker wegzulassen? Und wo bleibt das göttliche Schulterklopfen? Bibelwissenschaftler haben bei der Exegese der Heiligen Schrift festgestellt: „Die Geschmacksrichtung süß […] ist mit Abstand am häufigsten belegt.“ Wie motivierend! Die Bibel trieft nur so vor Honig. König Salomo empfiehlt gar: „Iss Honig, mein Sohn, denn er ist gut, und Honigseim ist süß deinem Gaumen.“ Gerne, lieber Salomo, aber erst zu Ostern!

Auch christlich inspirierte Dichter nehmen keine Rücksicht auf mich, produzieren Süßstoff am laufenden Band: Heinrich Schütz („O Jesu süß“) ebenso wie Angelus Silesius („Jesu, wie süß ist deine Liebe“) und Annette von Droste Hülshoff („Am Feste vom süßen Namen Jesus“). Nein, bin kein Poesiebanause, sondern schlicht unterzuckert.

Und das ist ja auch mal eine Erfahrung. Zucker macht dick, Zucker treibt den Blutdruck in schwindelnde Höhen, Zucker macht zuckerkrank. Mit diesen Erkenntnissen erhalte ich mir die Fastenmoral, ignoriere tapfer den Gute-Laune-Teller, den meine Kollegin – selbstlos wie sie nun mal ist – jeden Tag mit Schokoriegeln und anderem Süßkram füllt, um die Stimmung in der Redaktion hochzuhalten. Früher war ich ihr bester Kunde, jetzt mache ich – krampfhaft lächelnd – einen großen Bogen darum.

Trost spendet mir dabei nur Johann Franck, der Textgeber für Johann Sebastian Bachs Motet „Jesu, meine Freude“. Hier heißt es in der letzten Strophe: „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“. Oh ja!

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Wolfgang: Finde das richtige Maß! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/12/wolfgang-finde-das-richtige-mass/ Wed, 12 Mar 2014 15:38:47 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=367 Wolfgang Thielmann

Lieber Klaus Dahmann,

mit dem Vegetarismus machen Sie ein Fass auf. Wofür Jesus schon vereinnahmt wurde! Und mit welchen Argumenten! Vor Jahren las ich in einer Vegetarier-Zeitschrift zum Christfest, Jesus zeige als Weihnachtsmann den richtigen Weg – denn: „es roch so nach Äpfeln und Nüssen“. Der Autor verwechselte das Neue Testament mit einem Gedicht der „Gartenlaube“-Autorin Anna Ritter.

Jesus hat gefastet. Aber er hat auch oft gefeiert und musste sich von den Frommen seiner Zeit vorwerfen lassen, er sein ein Fresser und Säufer. Sein erstes Wunder bestand darin, dass er auf der Hochzeit in Kana Wasser in Wein verwandelte. Er lud sich bei dem anrüchigen Zöllner Zachäus ein und feierte ein Fest. Sind in einer Gesellschaft von Bauern und Hirten fleischlose Feste vorstellbar? Im Johannesevangelium erklärt Jesus den Kern seiner Botschaft so: „Mein Fleisch ist die wahre Speise und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt der bleibt in mir und ich in ihm.“ Kann ein Vegetarier seine Lehre so auf den Punkt bringen?

Aber im frühen Christentum wurde Vegetarismus ein Megathema. Für manche Theologen der ersten Jahrhunderte wie Markion und Hieronymus aß der wahre Christ Kohl und Körner. Nur Glaubensschwache brauchten Gebratenes. Innerhalb und außerhalb des Christentums diskutierten Philosophen, ob man Tiere essen darf, die eine Seele haben. Aber die Synode von Ankyra im Jahr 314, die erste nach einer langen Periode der Christenverfolgung,  entschied: Vegetarismus ist eine Irrlehre. Doch plädierten die Lehrer der frühen Christenheit für Mäßigung. Bischof Gregor von Nyssa, dem heutigen türkischen Nevşehir,  warnte Heranwachsende vor zu viel Alkohol. Aber Fleisch in Maßen verteidigte er. In seinem Buch „Die Erschaffung des Menschen“ meinte er, bei der Schöpfung habe Gott dem Menschen die Tiere zur Ernährung gegeben. Und man könne die Tierseele kaum Seele nennen, denn ihre sinnliche Wahrnehmung liege nah bei der der Pflanzen. Nahrung, sagte Gregor, soll den Menschen stark machen. Genuss im Übermaß schwäche ihn aber bloß und fordere ihren Preis.

Zum Fasten übrigens gehörten für ihn Wasser, Gemüse und ein „unblutiger Tisch“. Das Ziel des Fastens lag nach Gregors Ansicht in der geistigen Reinheit. Deshalb sollten Fastende, was sie an Nahrung sparten, den Armen zukommen lassen. (Und deshalb behandelte er das Fasten in einem Brief über die Liebe zu den Armen.)

Die Frage nach dem Vegetarismus und dem Maß führen mitten in die Ethik. Und zum Slogan der evangelischen Fastenaktion, „Selber denken!“. Er erinnert an eine protestantische Tradition: Der einzelne soll in der Auseinandersetzung mit der Bibel zu einem geschulten Gewissen und einer begründeten Entscheidung kommen. Die katholische Kirche legt sich auf eine Lehre fest und erwartet vom einzelnen, dass er sich einfügt. Weil viele Entscheidungen und Vorbilder vorgegeben sind, erweckt der Katholizismus einen geschlosseneren Eindruck. Im richtigen Leben unterscheiden sich beide gar nicht so sehr. Denn tatsächlich übernehmen auch Katholiken nur solche Entscheidungen, die sie für sich begründen können. Und tatsächlich haben auch Protestanten Vorbilder und Riten.

Wo liegt das richtige Maß? Wo liegt es in Zeiten der industriellen Tierproduktion? Gerade hat der hannoversche Bischof Ralf Meister gegen die Verbilligung des Fleischs bei großen Discountern protestiert, weil sie die Existenz von Landwirten bedroht.  Ich erinnerte mich dabei an die Tiere auf dem Bauernhof meiner Großeltern. Auch da wurde jedes Fest mit selbst Geschlachtetem gefeiert. Aber wer im Alltag seinen Zorn an den Kühen ausließ, dem redeten die Männer des Dorfs ins Gewissen. Und den Moment des Schlachtens erlebten nur der Metzger und seine Helfer. Schlachten war unvermeidlich, aber nichts zum Zuschauen. So viel Würde hatte auch das Tier. Die Achtung vor der Schöpfung gibt den Maßstab ab.

Bei meinem bevorstehenden Fest hat meine Frau darauf geachtet, dass das Fleisch von freilaufenden Tieren stammt. Aber da nicht die Feste das Problem sind, sondern der Alltag: Ein Freund und seine Familie kaufen ihre Lebensmittel beim Händler im Ort und grundsätzlich nicht im Supermarkt. In beiden Haushalten wird wenig Fleisch gegessen, aber wenn, dann gutes von Tieren, die artgerecht auf Weiden und Wiesen gehalten wurden. Ich finde es wichtig, dass wir Maßstäbe für unseren Konsum gewinnen und konsequent danach handeln, wie immer unsere Entscheidung ausfällt. Und Maßhalten im Alltag ist eine zeitlos gute Lebensregel. Allein schon, weil sie die Feste schöner macht.

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Klaus: War Jesus Vegetarier? https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/11/klaus-war-jesus-vegetarier/ Tue, 11 Mar 2014 09:31:11 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=357 KlausUnglaublich, wie viele Menschen sich doch für ihre Weltansichten Rückendeckung aus der Bibel suchen! Vegetarier zum Beispiel: „Jesus lehrte Vegetarismus“  , heißt es auf einer esoterisch anmutenden Website. Nein, „Jesus war kein Vegetarier“  , antwortet eine bibelkritische Seite aus der Schweiz. „Die Bibel ist gefälscht“ , empört sich „Gesundwerden-gesundbleiben“ und versucht gar neben Jesus auch die ersten Christen als Vegetarier zu vereinnahmen.

Weil Jesus‘ Worte in der offiziellen Bibel in dieser Hinsicht nicht wirklich viel hergeben, konzentrieren sich die Verfechter des fleischlosen Lebens auf apokryphe Texte, die ja nicht in den Bibel-Kanon aufgenommen wurden. Auch die nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckten Qumran-Rollen werden gerne zitiert: „Denn wahrlich, ich sage Euch, der, der tötet, tötet sich selbst, und wer vom Fleisch erschlagener Tiere isst, isst vom Körper des Todes.“ Morbid, morbid… „Denn in seinem Blut wird jeder Tropfen ihres Blutes sich in Gift verwandeln, in seinem Atem ihr Atem zu Gestank, ihr Fleisch zu Beulen, in seinen Knochen ihre Knochen zu Kalk, in seinen Eingeweiden ihre Eingeweide zu Verfall, in seinen Ohren ihre Ohren zu wachsigem Belag. Und ihr Tod wird sein Tod werden.“ Das lässt jedes Tierschützerherz höher schlagen.

Aber mal ganz ehrlich: Angesichts der grauenhaften Bilder noch zuckender Tiere auf der Schlachtbank – braucht man da überhaupt biblischen Rückhalt, um sich vegetarisch zu ernähren? Ich nicht.

Die Bibel ist für mich eine Fundgrube von Leitlinien, um mein Leben zu gestalten. Und sie gibt mir Kraft durchzuhalten, auch wenn es Rückschläge gibt. Aber ich kann nicht erwarten, dass sie mir haarklein jedes Detail vorgibt. Oder gar als Rechtfertigung dient, anderen vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben und womit sie bitte schön ihren Magen füllen sollen und womit nicht.

Vielleicht hat Jesus wirklich kein Fleisch gegessen. Auto gefahren ist er bestimmt auch nicht. Und Smartphones waren ihm wohl ebenso fremd wie Kondome. Ich finde nicht, dass man von Jesus hätte erwarten müssen, für alle kommenden Jahrtausende die „Dos and Don’ts“ festzulegen. Deshalb finde ich – bei aller katholischer Erziehung – das Motto der diesjährigen Fastenaktion der Evangelischen Kirche einfach super: „Selber denken!“

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