Honig – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Wolfgang: Gott, wie süß! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/wolfgang-gott-wie-suess/ Mon, 17 Mar 2014 10:24:46 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=499 Wolfgang ThielmannLieber Klaus,

auch mir fällt der Verzicht auf Süßes zeitweise am schwersten (und vielleicht auch Astrid?). Süße ist etwas Besonderes. Vielleicht kann der Verzicht das wieder zutage fördern. Ihre Recherchen haben schon ergeben, dass Süße bis vor zwei Jahrhunderten die kostbarste und teuerste aller Geschmacksrichtungen war. Sie haben die Bach-Motette „Jesu meine Freude“ zitiert mit der Schlussstrophe: „Denen, die Gott lieben muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“.

Der Text von Johann Franck entstand 1650, die  Musik Bachs wohl um 1730. Damals konnten sich nur die Klotzreichen den Stoff leisten, der von den ersten Zuckerrohrplantagen aus den Westindischen Inseln importiert wurde. Franck und Bach wollten sagen: Auch wenn die Beziehung zu Gott von Zweifeln und Anfechtung und das Leben von Rückschlägen durchzogen ist – bei dem, der Gott vertraut, wird das alles einen unendlichen Wert für sein Leben gewinnen. Eine kühne Botschaft für Familien, in denen Krieg und auch der Tod von Kindern zum Alltag gehörten und wo eine ernsthafte Krankheit des Vaters die Familie ruinieren konnte.

Den einzigen heimischen Süßstoff dieser Zeit, nämlich Honig, gewannen die Zeidler, die Vorfahren unserer Imker, durch Bienenhaltung in Waldbäumen. 15 Jahre nach Bachs Motette wurde Zucker erstmals in Rüben nachgewiesen. Erst ein knappes Jahrhundert später begann die industrielle Rübenzuckerproduktion, die den süßen Stoff billiger machte. Interessanterweise heißt es in Bachs Kaffeekantate von 1734, also aus der gleichen Zeit wie die Motette (Klaus, ich muss es Ihnen zumuten!): „Ei, wie schmeckt der Coffee süße“. Nicht, weil er gesüßt wurde, sondern weil er kostbar und ebenfalls teuer war. Bach trank ihn im Zimmermannschen Kaffeehaus in Leipzig. Dort wurde auch die Kantate uraufgeführt. Das Kaffeehaus war vierzig Jahre zuvor als eins der ersten in Deutschland eröffnet worden. Der Name „Süß“ ist übrigens für Christen und Juden („Jud Süß“) belegt und bezeichnete wohl ursprünglich einen angenehmen, freundlichen Menschen.

In der Kostbarkeit des Zuckers liegen Gründe, warum die Bibel das Wort „süß“ ganz anders gebraucht als unser Nachwuchs. Vielleicht abgesehen vom Hohenlied: Da findet der Mann die Stimme der Geliebten und sie seinen Mund süß. Aber auch da meint das Wort nicht nur Putziges oder Liebenswertes, sondern auch das Teure und Wertvolle.

Das Kostbare, Begehrte der Süße spiegelt sich etwa in den Sprüchen: „Ein Satter tritt Honigseim mit Füßen; aber einem Hungrigen ist alles Bittre süß.“ Das Gegenteil von süß ist bitter, nicht sauer wie bei uns heute. In Epheser 5,2 hat sich Christus für uns gegeben, „Gott zu einem süßen Geruch“. Das spielt auf die Opfertheologie des Alten Testaments an. Als zu Pfingsten der Heilige Geist auf die Jünger herabkommt und sie in allen Sprachen Gott loben, sagen die Kritiker: „Sie sind voll süßen Weins.“ Der Vorwurf heißt: Sie haben mit einem kostbaren Getränk geaast und wussten nicht, wann es genug war. Denn der süße Wein gehörte zu Festen. Der für den Alltag muss dagegen ziemlich sauer gewesen sein. Süß und damit nahrhaft, gesund und kostbar ist in der Bibel das Wort Gottes – und alles, was von ihm kommt. An Bluthochdruck mussten die Autoren noch nicht denken. Ihr Zuckerkonsum fiel kaum ins Gewicht.

In den apokryphen Schriften der Christenheit, also denen, die es nicht ins Neue Testament schafften, setzt sich das Thema fort. Der Kirchengeschichtler Christoph Markschies, der sie neu herausgegeben hatte, war so freundlich, für uns nachzuschauen. Der gnostische Schöpfungsmythos aus dem „Dialog des Erlösers“  etwa illustriert die Fürsorge Gottes: „Dann sandte er Quellen von Milch und von Honig und Wein und gute Früchte und süßen Geschmack und gute Wurzeln, damit die Erde keinen Mangel habe.“

Im „Evangelium der Wahrheit“ aus dem zweiten Jahrhundert heißt es über das Wort: Es kommt aus dem Herzen Gottes, des Vaters, und „nun trägt es alle, indem es sie erwählt. Und das Wort, das sie zum Vater und zur Mutter zurückkehren lässt, ist Jesus, der Sohn der Grenzenlosigkeit und der Süße.“ Auch von Gott, dem Vater, sagen die Autoren: „Der Vater ist süß, und in seinem Willen ist Gutes.“ Und wenig später: Er sei „weder bitter noch zornig, sondern ohne Falsch, unerschütterlich und süß, einer, der jeden Weg kennt, bevor er entsteht.“

Was die Autoren mit der Süße ausdrücken wollten, passt zu unseren Fastenwochen. Lieber Klaus, wenn Ihnen in der kommenden Woche der Verzicht auf Kaffee und Zucker zu schaffen macht, denken Sie an Francks Text und den Choral, den Bach daraus gemacht hat: „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein.“ Wer auf Gott vertraut, muss nicht fürchten, dass ihm etwas entgeht, wenn er verzichten muss, wenn das Leben an ihm vorbeizuziehen scheint. Er kann darauf setzen, dass alles, was uns begegnet, das Gütesiegel der Liebe Gottes trägt – auch das, was nach dem Gegenteil aussieht.

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Klaus: Die Bibel ist kein Zuckerschlecken https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/14/klaus-die-bibel-ist-kein-zuckerschlecken/ Fri, 14 Mar 2014 11:47:24 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=467 KlausWarum habe ich bloß beschlossen, neben Fleisch und Kaffee auch noch den Zucker wegzulassen? Und wo bleibt das göttliche Schulterklopfen? Bibelwissenschaftler haben bei der Exegese der Heiligen Schrift festgestellt: „Die Geschmacksrichtung süß […] ist mit Abstand am häufigsten belegt.“ Wie motivierend! Die Bibel trieft nur so vor Honig. König Salomo empfiehlt gar: „Iss Honig, mein Sohn, denn er ist gut, und Honigseim ist süß deinem Gaumen.“ Gerne, lieber Salomo, aber erst zu Ostern!

Auch christlich inspirierte Dichter nehmen keine Rücksicht auf mich, produzieren Süßstoff am laufenden Band: Heinrich Schütz („O Jesu süß“) ebenso wie Angelus Silesius („Jesu, wie süß ist deine Liebe“) und Annette von Droste Hülshoff („Am Feste vom süßen Namen Jesus“). Nein, bin kein Poesiebanause, sondern schlicht unterzuckert.

Und das ist ja auch mal eine Erfahrung. Zucker macht dick, Zucker treibt den Blutdruck in schwindelnde Höhen, Zucker macht zuckerkrank. Mit diesen Erkenntnissen erhalte ich mir die Fastenmoral, ignoriere tapfer den Gute-Laune-Teller, den meine Kollegin – selbstlos wie sie nun mal ist – jeden Tag mit Schokoriegeln und anderem Süßkram füllt, um die Stimmung in der Redaktion hochzuhalten. Früher war ich ihr bester Kunde, jetzt mache ich – krampfhaft lächelnd – einen großen Bogen darum.

Trost spendet mir dabei nur Johann Franck, der Textgeber für Johann Sebastian Bachs Motet „Jesu, meine Freude“. Hier heißt es in der letzten Strophe: „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“. Oh ja!

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