Durchhalten – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Wolfgang: Wozu will ich frei sein? https://blogs.dw.com/ohne/2014/04/16/wolfgang-wozu-will-ich-frei-sein/ Wed, 16 Apr 2014 09:08:53 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=831 Wolfgang ThielmannLiebe drei,

auf der letzten Strecke löst das Fasten Glücksgefühle aus. Wie beim Marathon. Anders als bei Sprint und Mittelstrecke braucht Marathon keinen Schlussspurt. Über den Sieg entscheidet die Ausdauer: der Weg ist das Ziel. Sie drei haben sie gezeigt. Jetzt ist das Ziel nah und die Versuchung gering, noch auf den letzten Metern auszusteigen. Jetzt steigt Vorfreude auf den Genuss oder, bei Stefan, auf dass Bewusstsein, durchgehalten zu haben, was die nach dem Fasten beginnende Strecke leichter macht.

Mich beschäftigt immer noch die Frage nach dem Wert des Fastens. Und nach seinem Ertrag. Sie haben ihn für sich selbst definiert. Astrid hat den Sinn gefunden, dass Fasten, ihr Fasten, für viele Menschen normal ist. Damit gewinnt Fasten eine soziale Bedeutung. So zu fasten bringt mich anderen Menschen näher. Deshalb auch hat Astrid den Wunsch geäußert, dass Fasten auch für sie zu einer normalen Sache wird. Und dass sie das Gefühl überwindet, damit etwas Besonderes zu tun. Fasten wird zu einem Zeichen der Solidarität.

Bisher haben wir den Sinn des Fastens überwiegend für uns selbst formuliert. Doch etwa Stefan, der begonnen hat, das Rauchen aufzugeben, zeigt Verantwortung, nicht nur für sich, sondern auch für andere.

Den Gedanken finde ich auch im neuen „Lexikon des Dialogs“ wieder. Es stellt christliche und islamische Überzeugungen einander gegenüber. Aus islamischer Sicht ist Fasten vorgeschrieben und schult die Willenskraft. Es hilft, geistig zu reifen. Seinen Kern „macht die Erfahrung einer inneren Reinigung sowie der Wunsch nach Gottesnähe aus“, sagt der Islamgelehrte Talip Türcan. Dieses Verständnis haben wir schon bei Gregor von Nyssa kennen gelernt. (Nyssa ist das heutige Nevşehir in der Türkei. Vielleicht hat Gregor da sein Erbe hinterlassen.)

Aus christlicher Sicht ist Fasten dagegen ein Mittel zum Zweck. „Entscheidend ist“, schreibt der katholische Theologe Martin Thurner aus München, „dass das Fasten aus einer inneren Intention heraus geschieht und auch von tätigen Werken der Umkehr und Nächstenliebe begleitet wird.“

Das heißt also: Niemand fastet nur für sich allein. Wer es mit Gott und vor Gott tut, der gewinnt dabei auch einen Blick für andere. Freiheit ist nicht nur Freiheit von: Vom Alltag, vom Genussbedürfnis. Sondern auch Freiheit zu: zur Hingabe, zum Engagement, zur bewussten Entscheidung. Zugunsten von Menschen, die uns brauchen.

Nicht nur unsere vom Alltag oder vom Nikotin betäubten Papillen werden geöffnet, um neu zu schmecken, sondern auch unsere Sinne, um neu wahrzunehmen: Wozu tue ich, was ich tue, wozu will ich es tun?

Was werden Sie mit der neuen Freiheit anfangen, wem soll sie zugute kommen? Wenn Sie mögen, lassen sie uns das zum Schluss zusammentragen.

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Wolfgang: Vor der Freiheit kommt die Zucht https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/25/wolfgang-mit-zucht-auf-den-weg-der-freiheit/ Tue, 25 Mar 2014 13:05:25 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=579 Wolfgang ThielmannLiebe Astrid, lieber Klaus,

Cocktailrezepte im Fastenblog sind auch für mich eine Premiere. Mal schauen, wie ich damit umgehe. Vielleicht sollten wir ein Fest zum Fastenbrechen veranstalten und sie dabei ausprobieren.

Ich musste in den letzten Tagen zweimal Güter abwägen. Am Ziel einer Reise bot mir eine Ordensfrau Kekse und Schokolade an. Und es stand eine Schale Oliven auf dem Tisch. Sie hat mich darauf hingewiesen, dass man auf Reisen nicht fasten muss. Ich habe versucht, einen Mittelweg zu wählen, und zwei Kekse gegessen. Um die Gastfreundschaft zu ehren. Sie selber blieb bei den Oliven. Und gestern abend um halb zehn, als ich aus der Redaktion nach Hause kam, stand ein spontaner Besucher vor der Tür, der mir einen Gefallen tun wollte. Ich bot ihm einen Wein an, weil ich wusste, dass er nicht fastet und dass er Wein mag. Hätte ich Wasser trinken sollen? Am liebsten hätte ich es getan. Aber es schien mir gastfreundlicher, ein Glas mit ihm zu teilen. Ein zwiespältiger Genuss. Jetzt steht eine angebrochene Flasche im Kühlschrank. Und ich weiß noch nicht, was ich heute abend tun soll: Schütte ich den Rest weg, um zu fasten? Oder genieße ich noch einmal, vielleicht halbherzig?

Da sind wir beim Thema der Freiheit und der Entscheidung. Sie haben sich klar gemacht, dass Sie sich frei zum Fasten entschieden haben. Und sich auf dem Weg gefragt, ob das eine gute, eine nützliche Entscheidung war. Jetzt, wo das Fasten nicht mehr so schwer fällt, kommt der Zweifel, wem es hilft, bis zum Ende durchzuhalten, wenn es keinen Kick mehr bringt. Und manchmal wächst die Unentschlossenheit.

Dietrich Bonhoeffer, der Märtyrer, hat Situationen wie diese gekannt und dazu ein – ziemlich unbekanntes – Gedicht über die „Stationen auf dem Weg zur Freiheit“ geschrieben (der Titel im Link ist leider verkürzt). Ich habe die erste Strophe auswendig gelernt, als ich mich zum Theologiestudium entschlossen hatte und darin meine Berufung sah, die ich durchhalten wollte. Was Bonhoeffer sagt, spiegelt sich im strengen Versmaß von Distichen, also Zweizeilern aus Hexameter und Pentameter. Sie verleihen den Gedanken die Wucht von Glockenschlägen. Für Bonhoeffer fängt der Weg zur Freiheit mit „Zucht“ an, wir würden sagen: mit der Beherrschung. Wer frei werden will, muss seinen Willen trainieren und über die Begierden des Augenblicks hinwegkommen.  Stefan erlebt das mit dem Nikotin-Entzug von uns allen am heftigsten und unmittelbarsten.

Aber wir haben uns alle auf den Weg zur Freiheit begeben. Darin liegt der Reiz, die Entscheidung durchzuhalten. Die Freiheit liegt – noch – vor uns.

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Klaus: Selbstkasteiendes Fastentheater? https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/21/klaus-selbstkasteiendes-fastentheater/ Fri, 21 Mar 2014 09:07:51 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=531 KlausWo will ich eigentlich hin? Ohne Kaffee, Fleisch und Zucker komme ich aus, das habe ich mir bewiesen. Ob zwei Wochen oder sieben, scheint fast schon egal. Körperliche Entzugserscheinungen habe ich überwunden, ergötze mich nun still schweigend meines tapferen Durchhaltevermögens. Aber auf Dauer gesehen bringt mir das vorösterliche Heldentum keinen Kick mehr – es nervt nur eben ab und zu.

Jetzt mal Butter bei die Fische*: Ab Ostern werde ich Kaffee, Fleisch und Zucker wieder auf meinen Speiseplan hieven. Definitiv! Wenn Stefan seinen Fastenverzicht auf blauen Dunst als Einstieg zum Ausstieg nutzt – Hut ab! Bei mir dürft ihr nach der Fastenzeit den Hut drauflassen. Ich werde mit voller Absicht zuschlagen: mein morgendliches Cappuccino-Ritual zelebrieren, den Duft brutzelnder Koteletts auf dem Grill einatmen, Crême brûlée auf der Zunge zergehen lassen. Mit „ćejf“!

Also alles nur selbstkasteiendes Fastentheater? Nein! Ich freue mich wie wahnsinnig auf diesen luxuriösen Moment, mir läuft das Wasser im Mund zusammen wie schon lange nicht mehr. Und genau darum geht’s: Ich will das Schlemmen wieder neu, bewusster genießen lernen.

Und es geht mir um darum, in meinem Alltag gezielte Genuss-Inseln zu kreieren. Und nicht ganz nebenbei einen Kaffee in den Schlund zu gießen, ein Schnitzel hinunterzuschlingen oder eine Tafel Schokolade zu vertilgen, als sei es selbstverständlich. Ich will all das wieder zu dem machen, was es ist: Luxus.

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*verstößt beides nicht gegen meine Fastenvorschriften!

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Astrid: Fasten für Gott? Nein danke! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/astrid-fasten-fuer-gott-nein-danke/ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/astrid-fasten-fuer-gott-nein-danke/#comments Mon, 17 Mar 2014 10:17:16 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=483 Astrid Prange De OliveiraBei so viel Pietät meiner Kollegen muss ich doch mal dagegenhalten. Ob ich Gott näher komme, hängt nicht von meiner Fähigkeit zum Verzicht ab, davon bin ich fest überzeugt. Ich muss Gott gegenüber nichts beweisen, das hat uns schon Luther klargemacht. Der Glaube an den unsichtbaren Schöpfer, an den Geist, auf den wir vertrauen, obwohl wir nie ganz sicher sind, ob es ihn auch wirklich gibt, dieser Glaube allein ist für mich schon eine große Herausforderung.

Mit anderen Worten: Fasten für Gott? Nein danke! Mit Sätzen wie „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“ kann ich schwer etwas anfangen, auch wenn sie in Bachs wunderbar schwebender Mottet „Jesu, meine Freude“ vorkommen.

Beim Fasten begegnen wir uns selber, hat Wolfgang geschrieben, das habe ich nun am zweiten Fastensonntag erneut erfahren. Es ist ein merkwürdiges Ritual, das sich da Bahn bricht. Zunächst freue ich mich eine Woche lang auf Sonntag und das damit verbundene Fastenbrechen. Ich freue mich auf ein Glas Wein oder einen kühlen Baileys.

Doch wenn es dann endlich soweit ist und ich mich nach einer Woche Abstinenz mit einem Glas Wein belohnen will, dann breitet sich Leere statt Lust  aus. Letzte Woche habe ich trotzig an meinem Chardonnay genippt, er wollte einfach nicht munden. Diesen Sonntag habe ich mir einen Ingwertee nach dem anderen aufgebrüht, um meine Grippe auszukurieren.

Angesichts dieses im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternden Szenarios schwindet meine Hoffnung, dass es am nächsten Sonntag besser wird. Brauche ich die fastenfreien Sonntage nur als psychologische Stütze, um wieder eine Woche durchzuhalten? Oder funktioniert Genuss auf Knopfdruck schlicht und ergreifend nicht?

Am besten wäre es wohl gewesen, ich hätte einfach am Samstagabend mein Fasten gebrochen. Ich hätte dann gemeinsam mit Freunden und Bekannten anstoßen können. Aber nein, auch auf dieser Geburtstagsfeier wollte ich mir mal wieder meine Stärke beweisen. Um nicht in Versuchung zu kommen, habe ich sofort angeboten, auf dem Rückweg nach Hause zu fahren, und mir damit selbst Fesseln angelegt.

Je länger ich darüber nachdenke, desto unsinniger erscheint mir dieses Verhalten im Nachhinein. Mein Bekannter hätte sich sicher gefreut, mit mir anzustoßen. Und mir hätte ein Glas Wein oder Sekt in fröhlicher Runde sicher besser gemundet als am Sonntag einsam auf dem Sofa.

Daher hier mein persönliches Plädoyer für pragmatisches Fasten! Verzicht in Maßen, mit einer persönlich-flexiben Leidensgrenze. Ich will mir nichts mehr beweisen, weder vor mir noch vor Gott. Doch trotz aller Kritik am gottgefälligen Verzicht bin ich jedoch dankbar für die Erfahrung, dass mir der Alkoholverzicht bis jetzt leichter fällt, als ich angenommen hatte.

Ausgerechnet beim Schreiben dieser Zeilen habe ich mich übrigens an einen historischen Ausspruch des brasilianischen Dichters und Diplomaten Vinicius de Moraes erinnert. Der scharfsinnige Literat, der gemeinsam mit dem Komponisten Antonio Carlos Jobim den Bossa-Nova-Hit „Girl from Ipanema“ schrieb, war dem Alkohol bekanntermaßen nicht abgeneigt. Seine unverblümte Liebeserklärung an Hochprozentiges lautete: “Whiskey ist der beste Freund des Menschen. Er ist ein Hund in der Flasche.“

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Wolfgang: Den Weg zu Ende gehen! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/13/451/ Thu, 13 Mar 2014 17:36:58 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=451 Wolfgang ThielmannLiebe Astrid, liebe Mitfastende,

erst noch einmal ein Kompliment für den Song „Wenn ich mit Gott sprechen wollte“. Ich war dabei, als Sie ihn im Bonner Pantheon auf die Bühne gebracht haben. Hinreißend! Wir haben begeistert applaudiert.

Ja, es fängt an, weh zu tun. Wir kommen in eine entscheidende Zeit. Gestern musste ich der Arbeit die Mittagspause opfern. Als sich der Hunger meldete, waren im World Café nebenan nur noch gesüßter Müslijoghurt und Nussecken verfügbar. Einen Moment dachte ich an die kluge Regel, dass man am fremden Tisch, auf Reisen und bei schwerer Arbeit nicht fasten muss. Und war drauf und dran, meine Arbeit als schwer einzustufen. Dann habe ich der Versuchung widerstanden – und ließ eine Mahlzeit ausfallen. Und fragte mich, ob das sein muss. Heute hätte ich mich gern mit einem Eis für ein gutes Interview belohnt. Nein.

Bringt Fasten uns Gott näher? Erst lernen wir jemand anders kennen. Warum faste ich, obwohl ich nicht muss? Warum soll ich darauf achten, keinen Kaffee, keinen Alkohol und keinen Zucker zu mir zu nehmen, nicht zu rauchen? Weil es uns hilft, in uns zu gehen. Und zu fragen, was wir wirklich wollen. Da begegnen wir dann uns selber. Sehen den Sinn nicht mehr so ganz. Haben aber versprochen, dabei zu sein. Das erinnert mich daran, wie Paulus im Römerbrief schreibt, dass unsere Gedanken einander verklagen und entschuldigen. So anschaulich lässt sich das Gewissen beschreiben. Das sind wir, sagt die erste Erfahrung, ein Hin und Her.

Aber das ist nicht alles, was uns ausmacht. Deshalb ist Durchhalten wichtig. Manche Wege muss man zu Ende gehen. Erst an Ende des Weges sind wir wirklich bei uns selber angelangt.

Das zweite Buch der Könige im Alten Testament berichtet, dass der syrische General Naaman an Aussatz erkrankt. Da erfährt er vom israelischen Propheten Elischa (evangelisch: Elisa, katholisch: Elisäus, islamisch: Elyasa) und fährt sechsspännig bei ihm vor, um durch die Heilkräfte des Gottes Elischas der Krankheit zu entgehen – und der gesellschaftlichen Ächtung, denn als Seuchenträger würde er aus der Stadt vertrieben.

Elischa provoziert Naaman doppelt: Er bleibt im Haus und lässt seinen Diener Gehasi ausrichten, der General solle sich siebenmal im Jordan waschen. Siebenmal, nicht weniger. Naaman wird wütend, weil der Prophet ihm keine Ehre erweist: „Kann er nicht herauskommen und für mich beten, so dass ich gesund werde?“ Und Syrien, so entfährt es dem Befehlshaber, hat weit bedeutendere Flüsse als den Jordan, dieses Rinnsal, diesen besseren Dorfbach! Da soll er siebenmal hineinsteigen? Ein peinlicher Anblick, eine sinnlose Wiederholung, eine Demütigung. Seine Diener müssen ihn mit Engelszungen überreden. Schließlich lässt er sich herab und entledigt sich seiner Uniform, die sagen soll, wer er ist. Nach dem siebten Mal kommt er gesund aus dem Flüsschen. Und findet zu sich selber, denn er gibt anschließend Gott die Ehre.

Über die Geschichte Naamans hat in den Achtzigerjahren ein Freund gepredigt, Theo Lehmann. In Chemnitz, das damals eine Zeitlang Karl-Marx-Stadt hieß und in der DDR lag. Das Thema seiner Predigt lautete: Ein General geht baden. In der durchmilitarisierten DDR war das eine durchtriebene Provokation. Die Zuhörer grienten, weil sie die Ironie verstanden. Auch die Stasi hörte mit. Und setzte seine Kirche unter Druck, um ihn zur Ausreise zu bewegen. Doch er blieb – und dachte sich weitere durchtriebene Themen für seine Predigten aus.

Er hat als Zeuge des Evangeliums durchgehalten. Wenn wir beim Fasten durchhalten, gelangen wir am Ende zu uns selber. Gott allerdings begegnen wir nicht erst am Ende des Weges. Er geht den ganzen Weg mit, sagt die Bibel. Und Theo Lehmann auch.

Wenn es nochmal schwer wird, singen Sie!

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Wolfgang: Jetzt faste ich auch! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/08/wolfgang-jetzt-faste-ich-auch/ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/08/wolfgang-jetzt-faste-ich-auch/#comments Sat, 08 Mar 2014 16:30:42 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=301 Wolfgang ThielmannLiebe Astrid Prange, da entdecken Sie gerade etwas ganz Besonderes. Die Katholiken haben das Fastenbrechen am Feiertag von den Juden gelernt. Nach einer jüdischen Tradition, die auf den Propheten Jesaja zurückgeht, sollte der Sabbat als Freudentag vom Fasten frei bleiben. So hielt es die Witwe Judit in den Spätschriften des Alten Testaments: Sie „fastete alle Tage außer am Vorabend des Sabbats und am Sabbat und an den Freudentagen des Hauses Israel“. Wenn es also das ist, sollten Sie Jüdin werden!

Das Fasten soll den Alltag unterbrechen, um den Blick für das Wesentliche zu schärfen. Doch die wichtigste Alltagsunterbrechung ist ja schon der Feiertag. Wie wäre es, wenn Sie alle am Sonntag aussetzen und ihn dadurch zu etwas Besonderem machen? Nur Sie, Stefan Dege, müssen mit dem Nichtrauchen durchhalten; das lässt sich kaum unterbrechen. Was könnte Ihnen zur seelischen Erhebung am Sonntag dienen?

Der Prophet Jesaja unterstreicht in seinem 58. Kapitel mit ein paar Sätzen, wo im Übrigen das Wesentliche liegt. „Warum fasten wir“, fragt das Volk Gott, „und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?“ Gott antwortet: „An dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der Herr Wohlgefallen hat? Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen.“

Vielleicht motiviert uns das, in den nächsten Wochen in der Redaktion und zuhause nicht zu hadern und zu zanken. An das andere sollten Sie sich erinnern, wenn Sie in die Chefetage wechseln.

Klaus Dahmann, ja, der Anfang ist schwer! Er kann einem das Gefühl geben: Das schaffe ich nicht. Das Gefühl der feinen Säge trifft es auf den Kopf. Aber Sie werden sich an das Fasten gewöhnen. Und Sie sind nicht allein.

Zu Ihrer Unterstützung habe ich mir etwas einfallen lassen. Ich kann Sie schlecht auf einem Weg begleiten, den ich nicht mitgehe. Deshalb faste ich jetzt auch: Kein Alkohol, kein Zucker, kein Fleisch. Außer am Sonntag. Und an einem großen persönlichen Feiertag dazwischen. Aber der liegt auf einem Samstag, und das ist der Vorbereitungsabend auf den Sonntag.

 

 

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