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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Wenn Bildung als Bedrohung gilt

In der Bernasconi-Schule in Buenos Aires

Bildung in Argentinien: Es ist Licht am Ende des Tunnels

Ich habe Hellgurds Eintrag „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ gelesen. Vieles davon kommt mir sehr bekannt vor.

Hellgurd erklärt in seinem Eintrag, dass die Bildungspolitik in seinem Land nicht sehr entwickelt ist, weil es an Kontinuität und an langfristig angelegten politischen Konzepten fehlt. Ich glaube, es hat außerdem etwas mit den Werten zu tun, denen sich die Regierungspartei verschreibt. Man sollte auch nicht vergessen, dass viele Menschen in Machtpositionen Bildung als Bedrohung ansehen.

Es hat in den 202 Jahren der Geschichte Argentiniens unzählige Staatsstreiche gegeben. Das letzte diktatorische Militärregime hat sich vor 36 Jahren an die Macht geputscht. Und das Militär ist volle sieben Jahren an der Macht geblieben und hat 30.000 Menschenleben auf dem Gewissen. Ich habe mich gerade mit dieser Zeit mehrfach beschäftigt und mit vielen verschieden Leuten darüber diskutiert. Und nach jedem Gespräch musste ich ein und dieselbe Schlussfolgerung ziehen: Das diktatorische Regime hat einen immensen kulturellen Verlust für unser Land bedeutet.

Zum einen hat die heutige Regierungsriege es immer noch nicht hinbekommen, eine ordentliche politische Plattform zu schaffen, mit Ideen, einem Langzeitprojekt und einem einigermaßen tauglichen Inhalt. Wir haben aber auch keine wirkliche Opposition, damit auch keine politische Diskussion, keine Kontrolle… kein alternatives Modell. Auf der anderen Seite hat das letzte Militärregime die Solidaritätskultur komplett ausgewischt, die doch früher so charakteristisch für die argentinische Gesellschaft war. Auch wenn sie jetzt nach und nach, Stück für Stück zurückkehrt, so ist doch der angerichtete Schaden nicht wiedergutzumachen.

Na, und dann hatten wir in den 1990ern ein ganzes Jahrzehnt Carlos Menem als Präsidenten. Der hat die meisten Unternehmen privatisiert und die Korruption auf Rekordniveau schnellen lassen. Das hat ein kulturelles Vakuum mit sich gebracht, eine Abwertung des Studiums; selbst einen Job zu haben, galt nichts mehr. Die argentinische Gesellschaft ist tief verletzt, besonders weil die politischen Maßnahmen und die Werte, die ihnen zu Grunde liegen, einfach krankhaft sind.

Lehrerproteste - Interview mit Gewerkschaftsfunktionär

Wenn die Lehrer streiken, beherrscht das Thema Bildung tagelang die Medien

Ich finde zwei Punkte in Hellgurds Beschreibungen wieder: die Beschränkungen während der Diktatur und die Korruption, die durch den „süßen“ Ölreichtum Einzug gehalten hat. („Süßes Geld“ ist übrigens hier in Argentinien ein gern verwendeter Ausdruck, er steht für eine schnell angehäufte riesige Menge Geld.)

Argentinien ist dabei, diese ganze Vergangenheit aufzuarbeiten. Man muss ja auch sehen, dass sowohl das diktatorische Regime als auch die Korruption Unterstützer hatten, beide Dinge waren ja nicht in der ganzen Gesellschaft unpopulär. Es gibt mittlerweile Fortschritte, zum Beispiel wurde vor kurzem die Mittelschule  verpflichtend. Aber es gibt auch Rückschritte. Unsere Präsidentin Christina Fernández de Kirchner hat sich Anfang Mai mit der Lehrergewerkschaft überworfen. Das hat zu einem riesigen Nationalstreik geführt. Aber das ist wahrscheinlich schon ein Thema für einen weiteren Blog-Eintrag.

Datum

Freitag, 11.05.2012 | 09:40

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