Studie – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 DLR-Hypoxiestudie: Alle Symptome nach 30 Stunden verschwunden https://blogs.dw.com/abenteuersport/dlr-hypoxiestudie-alle-symptome-nach-30-stunden-verschwunden/ Tue, 18 Dec 2018 09:51:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42993

Nancy Hansen (r.) und Ralf Dujmovits im DLR

„Wir waren fünf Wochen lang die Mäuse“, beschreibt Nancy Hansen die Zeit, die sie und Ralf Dujmovits vor einem halben Jahr – wie berichtet – in einer Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln verbracht hatten. Bei einer Studie sollte nachgeprüft werden, ob unter Umständen auch beim Menschen – wie zuvor in den USA bei einem Experimenten  mit Mäusen festgestellt – extreme Hypoxie zu einer Stärkung des Herzens führen kann.  Nach einer Akklimatisierungsphase von rund zwei Wochen hatte das Bergsteiger-Paar 16 Tage auf einer simulierten Höhe von 6700 Meter oder höher verbracht, davon vier Tage bei einem Sauerstoffgehalt von nur acht Prozent, was 7112 Metern entspricht. „Ich habe wirklich gelitten“, räumt Nancy ein. „Aber es war ein Privileg, an der Studie teilzunehmen.“ Auch Ralf ist von der Erfahrung noch immer beeindruckt: „Ich war ziemlich am Limit. Ganz ehrlich, noch einmal würde ich es nicht machen. Ich habe die ganze Sache unterschätzt.“  In der vergangenen Woche waren die beiden erneut in Köln – zu einer von mehreren Nachuntersuchungen. Die ersten vorläufigen Ergebnisse der Studie liegen inzwischen vor.

Nur 56 Prozent Sauerstoffsättigung

Lungenfunktionstest an der Kletterwand

Die extreme Hypoxie wirkte auf die Körper Nancys und Ralfs zunächst unterschiedlich. Ralf, durch seine vielen Achttausender-Expeditionen offenbar besser an die Sauerstoffarmut gewöhnt, tat sich mit der Akklimatisierung deutlich leichter als Nancy. „Einer der DLR-Ärzte sagte zu mir: ‚Ich hoffe, du fühlst dich besser, als du aussiehst“, erinnert sich die 50-Jährige und schmunzelt. Einmal wurde bei der Kanadierin eine Sauerstoffsättigung von nur 56 Prozent gemessen, ein Krankenhauspatient wäre damit ein Fall für die Intensivstation. Rund um die Uhr war ein DLR-Team für die beiden Bergsteiger im Einsatz. Die Wissenschaftler nahmen Blut- und Urinproben, machten Ultraschall- und MRT-Untersuchungen oder führten kognitive Tests durch. Die Analyse der riesigen Datenmenge aus den vielfältigen Tests ist noch lange nicht abgeschlossen.

Beide Bergsteiger verloren Muskelmasse, beide schliefen schlechter. Verblüffend war, dass sowohl bei Nancy, als auch bei Ralf die Reaktions- und die Konzentrationsfähigkeit auf annähernd konstantem Niveau blieb, auch bei extremer Hypoxie. „Allerdings mit der Einschränkung, dass sie bei den entsprechenden Tests richtig gefordert wurden und sich konzentrieren mussten“, sagt Dr. Ulrich Limper, der zusammen mit Prof. Jens Tank die DLR-Studie leitete. Im normalen Gespräch habe man schon zuweilen einige „Aussetzer“ feststellen können.

Auch Nierenleistung ließ nach

Auszug aus der Hypoxiekammer nach fünf Wochen

Bei Nancy schwoll die rechte Herzhälfte an, die Pumpleistung ließ nach. In ihrem Gehirn bildeten sich kleinere Schäden an der so genannten „Weißen Substanz“ (White Matter Lesions), wie sie häufig bei älteren Menschen auftreten. In Ralfs Hirn schwollen mit der Zeit die Venen an, ohne dass der 57-Jährige deswegen an starken Kopfschmerzen litt. Zudem arbeiteten bei beiden Bergsteigern die Nieren unter Hypoxie deutlich schlechter – wenn auch immer noch ausreichend. „Die gute Nachricht ist, dass wirklich alle Symptome innerhalb von nur 30 Stunden verschwanden, nachdem Nancy und Ralf die Hypoxiekammer verlassen hatten und wieder normale Luft atmeten“, sagt Dr. Fabian Hofmann, einer der DLR-Ärzte.

Zu der Frage, ob ein geschädigtes menschliches Herz – wie bei den Mäusen im Experiment – durch extreme Hypoxie positiv beeinflusst wird, lässt sich noch keine Aussage machen. „Wir hatten es ja hier mit zwei gesunden Herzen von Hochleistungssportlern zu tun“, sagt Hofmann. „Aber es ist schon erstaunlich, was man dem Herz zumuten kann, ohne dass es strukturellen Schaden erleidet.“ Weitere Studien sollen folgen, dann nach Möglichkeit auch mit Herzpatienten.

P.S.: Nancy und Ralf werden in Kürze zu einer Expedion in die Antarktis aufbrechen – in deutlich niedrigere Höhen als im DLR simuliert.

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Expedition „Hypoxie“ erfolgreich beendet https://blogs.dw.com/abenteuersport/expedition-hypoxie-erfolgreich-beendet/ Mon, 18 Jun 2018 13:55:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41145

Mit Nancy Hansen (r.) und Ralf Dujmovits in der DLR-Hypoxiekammer

Und plötzlich kam der Anruf aus dem All: „Hier Alex“. Ralf Dujmovits wusste zunächst nicht, wer da am anderen Ende der Telefonleitung sprach: „Wie Alex? Dann habe ich plötzlich die Stimme wiedererkannt, die ich zwei Tage zuvor während der Übertragung des Raketenstarts gehört hatte.“ Alexander Gerst erkundigte sich von der Internationalen Raumstation ISS aus nach dem Befinden des deutschen Bergsteigers und seiner kanadischen Partnerin Nancy Hansen in der Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. „Es hat sich angehört, als säße er nebenan.“ Eine Viertelstunde lang sprach Ralf, der erste und bisher einzige deutsche Bergsteiger, der alle 14 Achttausender bestiegen hat, mit „Astro Alex“, dem ersten deutschen Astronauten, der das Kommando auf der ISS übernehmen wird. „Er hat sich sehr für unsere Erfahrungen im Labor interessiert. Das war große Klasse.“ Natürlich wechselte auch Nancy einige Worte mit Gerst. Für beide Bergsteiger sei es ein „echter Höhepunkt“ gewesen, sagt die 49 Jahre alte Kanadierin.

Belastung unterschätzt

Alexander Gerst schaut WM-Fußball auf der ISS

Nach fünf Wochen in der Hypoxiekammer, auf 110 Quadratmetern, öffnen sich am Dienstag die Türen für Dujmovits und Hansen. Dann ist das Experiment vorbei, bei dem getestet werden sollte, ob sich bei langem Aufenthalt in extrem dünner Luft Herzfunktionen verbessern. Die vergangenen beiden Wochen haben Ralf und Nancy durchgängig tagsüber auf einer simulierten Höhe von 6718 Metern verbracht und nachts auf 6490 Metern geschlafen. Das hat Spuren hinterlassen. „Du siehst uns hier ziemlich müde“, sagt Ralf, als ich die beiden am vergangenen Wochenende noch einmal (mit Atemmaske) besuche. „Ich hatte es anders erwartet. Ich war überzeugt, dass wir anfangs etwas müde wären, uns aber nach einiger Zeit so weit an die sauerstoffarme Luft gewöhnen würden, dass wir gut damit zurechtkämen. Ich habe unterschätzt, wie anstrengend das Ganze ist.“

„Ein Riesenerfolg“

Ein Grund für diese Müdigkeit dürfte sein, dass sich – wie sich bei Ralfs MRT herausstellte – das Blut in den Venen des Gehirns mit der Zeit extrem gestaut hat und die Adern angeschwollen sind. „So massiv habe ich das noch nie gesehen. Auf den ersten Blick ist man darüber nicht gerade glücklich“, sagt Dr. Ulrich Limper, der zusammen mit Prof. Jens Tank die DLR-Studie leitet. „Andererseits ist es aber auch keine direkte Gefahr. Wir gehen davon aus, dass es sich wieder zurückbildet.“ Bereits in vier Wochen werden Dujmovits und Hansen zur ersten Nachkontrolle ins DLR zurückkehren.

Die Wissenschaftler haben jede Menge Daten gesammelt, die jetzt ausgewertet werden. Voraussichtlich in einem halben Jahr werden die ersten Ergebnisse vorliegen. „Für uns ist es schon jetzt ein Riesenerfolg“, sagt Limper. „Das Konzept hat funktioniert, wir haben sehr viel gelernt. Wir sind noch vorsichtig, aber es sieht klinisch danach aus, als würde sich unsere Hypothese bestätigen, dass sich bestimmte Herzfunktionen unter Hypoxie-Einfluss verbessern. Wenn wir das mit den Daten untermauern können, wäre es toll.“ Möglicherweise könnten dann aus der Studie sogar neue Therapien für Herzinfarktpatienten hervorgehen.

Herz „angeschwollen“

Nancy an der mobilen Kletterwand

Ursprünglich war geplant gewesen, dass die beiden Bergsteiger nach einer Gewöhnungsphase zwei Wochen lang Tag und Nacht auf einer simulierten Höhe von 7112 Metern leben sollten. Doch die Wissenschaftler mussten umdisponieren. Bei Nancy war in dieser Höhe der Druck in den Lungenarterien – der Druck, mit dem das sauerstoffarme Blut vom Herz in die Lunge gepresst wird – stark erhöht. Die rechte Herzhälfte war deshalb, vereinfacht gesprochen, „angeschwollen“, Nancys Werte bewegten sich im Grenzbereich. „Es hätte aus unserer Sicht keinen Erfolg gebracht, sie ‚hochzuprügeln‘“, sagt Limper. „Wahrscheinlich wäre es ihr schlechter gegangen.“ Deshalb wurde die simulierte Höhe auf unter 7000 Meter gesenkt, nachts noch etwas weiter als tagsüber. „Damit ist Nancys Körper klargekommen. Ihre Werte verbesserten sich langsam und näherten sich gegen Ende wieder jenen von Ralf an.“

Nicht viel höher als 7000 Meter

Lernt der Körper durch häufige Aufenthalte in großer Höhe?

Man gehe davon aus, so Limper, dass es sich bei Nancy um eine „normale Reaktion eines Herzens handelte, das an die ganz großen Höhen einfach noch nicht gewöhnt ist“. Auch Ralf habe von gesundheitlichen Problemen bei seinen ersten Expeditionen erzählt, die bei seinen späteren Projekten nicht mehr aufgetreten seien. „Es könnte sein, dass es so etwas wie eine Langzeitadaption gibt“, sagt der Mediziner. Wissenschaftlich bewiesen sei das jedoch bisher nicht.

Nancys Schwierigkeiten haben ihr und Ralf zu denken gegeben. „Einen Siebentausender anzugehen, bei dem wir die letzte Nacht auf 6300 oder 6500 Metern verbringen, dürfte kein Problem sein“, sagt Ralf. „Aber in Höhen darüber könnte es schon sein, dass sich Nancy einen gesundheitlichen Schaden zuzieht. Das haben wir gelernt, und darauf werden wir natürlich Rücksicht nehmen.“

Ständig gefroren

Muskelmasse verloren

Beide haben während der Zeit in der Hypoxiekammer jeweils gut zwei Kilogramm Körpergewicht verloren, in erster Linie wohl Muskelmasse. „Die Oberarme sind dünner geworden“, stellt Ralf fast. „Und wo normalerweise die Hosen an den Oberschenkeln straff sitzen, schlabbert jetzt alles.“ Der Gewichtsverlust der Bergsteiger sei geringer gewesen als gedacht, sagt Ulrich Limper. „Wir führen es darauf zurück, dass sie außer der Hypoxie keine Stressfaktoren hatten wie normalerweise im Gebirge: keine Kälte, kein Zeltaufbau, keine andauernde körperliche Belastung. Im Endeffekt haben sie sich ja sehr wenig bewegt.“ Auf einem Laufband und einem Ergometer sowie an einer mobilen Kletterwand versuchten Nancy und Ralf, halbwegs fit zu bleiben. Zu den auch für die Wissenschaftler überraschenden Erkenntnissen gehörte, dass Ralf nach 50 Minuten auf dem Ergometer zwar erschöpft war, aber überhaupt nicht schwitzte. Auch dass es Nancy und Ralf bei 24 Grad Raumtemperatur durchgehend so sehr fröstelte, dass sie noch zwei Jacken über ihre T-Shirts zogen, wirkte ungewöhnlich. Es gibt also noch einige Fragezeichen.

Ab in die Sonne!

„Es war die Anstrengung wert“

Nancy und Ralf bedauern es nicht, sich auf das DLR-Experiment eingelassen zu haben. Ganz im Gegenteil. „Ich würde es noch einmal machen“, sagt Nancy. „Wissenschaftlich gesehen, fand ich es unglaublich interessant. Natürlich war es nicht in jedem Moment das reine Vergnügen, doch insgesamt war es eine tolle und einzigartige Erfahrung.“ Auch für Ralf „war es die Anstrengung unbedingt wert“: „Wir gehen gesund aus der ganzen Geschichte heraus. Und wenn wir noch einen Beitrag dazu leisten, dass vielleicht künftig eine Therapie für Herzinfarktpatienten entsteht, dann ist doch alles perfekt.“

Und worauf freuen sich die beiden jetzt am meisten? „Sonnenschein“, sagt Nancy, wie aus der Pistole geschossen. Ralf sehnt besonders das Wiedersehen mit seiner Familie und den Freunden herbei und freut sich darauf, im Garten zu sitzen, durch die Wälder zu laufen oder mit dem Mountainbike stundenlang durch die Gegend zu radeln: „Wir hatten hier ein unglaublich engagiertes Wissenschaftler- und Ärzteteam um uns herum. Wir haben es genossen, es war spannend, und wir haben sehr viel dazugelernt. Aber jetzt ist es gut, dass wir wieder heimkommen.“

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Prinz und Prinzessin in der Hypoxiekammer https://blogs.dw.com/abenteuersport/prinz-und-prinzessin-in-der-hypoxiekammer/ Wed, 30 May 2018 22:10:44 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40971

Mit Maske zu Besuch bei Ralf Dujmovits (r.)

Flaschensauerstoff an einem Berg kam und kommt für mich nicht in Frage. Aus Prinzip. Heute habe ich jedoch eine Ausnahme gemacht – für einen „virtuellen Berg“. Um Ralf Dujmovits, den einzigen deutschen Bergsteiger, der alle 14 Achtttausender bestiegen hat, und seine Lebensgefährtin, die kanadische Kletterin Nancy Hansen, besuchen zu können, ist es Vorschrift, eine Atemmaske zu tragen. Schließlich sind die beiden in der Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln nach gut zwei Wochen schon auf der simulierten Zielhöhe von 7112 Metern angekommen. Der Sauerstoffanteil in der Luft,  normalerweise 21 Prozent, wurde durch Zugabe von Stickstoff schrittweise auf acht Prozent gesenkt.  „Es ist wie bei der Besteigung eines Bergs. Die Akklimatisation ist fast geschafft, jetzt geht es auf den Gipfel zu“, sagt Ralf. „Die Zeit am Gipfel zieht sich natürlich deutlich länger hin.“

Kurze Erholung, dann wird es ernst

Nancy Hansens Blutdruck wird überprüft

In den kommenden Tagen dürfen Ralf und Nancy noch einmal kurz „absteigen“, um dickere Luft zu atmen. Am 4. Juni beginnt dann jedoch die entscheidende Phase der Studie, in der sich die beiden Bergsteiger zwei Wochen lang konstant in einer simulierten Höhe von 7112 Metern aufhalten sollen. Dabei soll getestet werden, ob extreme Hypoxie dazu führt, dass das Herz gestärkt wird und sich unter Umständen sogar neue Zellen bilden. Sollte sich diese Erkenntnis aus Experimenten mit Mäusen auch bei Menschen bestätigen, wären völlig neue Therapieansätze bei Herzinfarkt-Patienten denkbar.

Wie stark wird der körperliche Verfall

Acht Prozent Sauerstoffanteil

„Wir sind beide gespannt“, verrät Nancy. „Ich denke, die ersten paar Tage wird es okay sein. Danach wird es sich entweder normal anfühlen oder aber wir beginnen zu verfallen. Das weiß wirklich noch niemand.“ Ralf erinnert an den französischen Bergsteiger Nicolas Jaeger, der 1979 in einem Selbstversuch zwei Monate lang alleine im Gipfelbereich des 6768 Meter hohen Huascaran in Peru verbrachte: „Kognitiv war er gar nicht so schlecht beieinander. Zum Schluss wurde für ihn der körperliche Verfall zum ganz großen Problem. Das erwarte ich auch bei uns. Wahrscheinlich werden wir sehr viel Muskulatur abbauen.“

Richtig atmen

Bisher haben Hansen und Dujmovits die sauerstoffarme Zeit in der DLR-Hypoxiekammer gut verkraftet. Man sieht ihnen die Belastung jedenfalls noch nicht an. „Ich hatte drei, viermal ziemlich heftige Kopfschmerzen, meistens in der Nacht“, erzählt Nancy. „Aber es ist deutlich besser geworden.“  Die 49 Jahre alte Kanadierin findet es faszinierend, zu sehen, „was in unseren Körpern passiert, auch im Vergleich zwischen Ralf und mir.“ Ihr Partner akklimatisiere sich viel besser als sie, sagt Nancy: „Die Art, wie seine Lunge den Sauerstoff mit dem Herzen austauscht, unterscheidet sich sehr von meinem Körper. Ralf bringt mir bei, hier auf die richtige Weise zu atmen.“

Zurzeit kein Kletterwand-Training

Lungenfunktionstest an der Kletterwand

Dujmovits schätzt, dass er inzwischen „40 bis 45 Prozent Leistungsfähigkeit“ verloren habe. Dosiertes Ausdauertraining auf dem Fahrrad-Ergometer oder dem Laufband sei in der aktuellen simulierten Höhe von rund 7000 Metern noch möglich, sagt der 56-Jährige. Um die mobile Kletterwand in der Hypoxiekammer machen die beiden derzeit jedoch einen Bogen. „Die Beanspruchung der Muskulatur ist dabei sehr viel größer, und wir sind sehr schnell im anaeroben Bereich (in dem die Muskeln „übersäuern“). Wir wollen aber Sauerstoffnot vermeiden, die sofort zu Kopfschmerzen führen würde“, sagt Ralf.

Kein Lagerkoller

Ich frage, ob die Beziehung der beiden Probanden durch die lange Zeit in der Hypoxiekammer nicht auf eine ernste Probe gestellt wird? „Noch nicht“, antwortet Nancy und lacht. „Wir verbringen so viel Zeit zusammen. Aber es gibt wirklich keine Probleme, und ich erwarte auch keine.“  Ralf nickt. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man Stress aus einer Beziehung heraushält. Das haben wir bisher ganz gut geschafft.“

Kein Big Brother

Nancy und Ralf in der DLR-Hypoxiekammer

Selbst die ständige Kamera-Überwachung stört die beiden nicht mehr. „Wir machen hier ja kein Big Brother“, sagt Dujmovits. „Wir wissen, dass die Forscher mit allem, was hier zu sehen ist, vertrauensvoll umgehen.“ Er habe die Kameras mittlerweile schon völlig ausgeblendet. „Heute Morgen bin ich nur in Unterhose durch die Räume gelaufen. Erst auf dem Rückweg ist mir eingefallen, dass mich ja jeder im Überwachungsraum so sehen kann.“ Das ganze Experiment, betont Ralf, sei „eine Mannschaftleistung“. Der Bergsteiger lobt ausdrücklich die engagierten Wissenschaftler im DLR, die „24 Stunden im Rundum-Schichtdienst für uns da sind“.  Auch Nancy ist von dem Team begeistert. „Das gesamte Personal behandelt uns so gut. Wir fühlen uns wirklich wie Prinz und Prinzessin.“

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Dujmovits: „Wir sind hier in besten Händen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dujmovits-wir-sind-hier-in-besten-haenden/ Thu, 17 May 2018 12:35:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40767

Ralf Dujmoivits und Nancy Hansen

Die Türen haben sich geschlossen hinter Ralf Dujmovits und Nancy Hansen. Der einzige Deutsche, der bisher alle 14 Achttausender bestiegen hat, und seine kanadische Lebensgefährtin bezogen am Dienstag eine 110 Quadratmeter große Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Wie berichtet, nehmen die beiden Bergsteiger an einer Studie des DLR in Kooperation mit der Universität Texas teil, bei der untersucht werden soll, ob extreme Hypoxie bei Menschen auch einen positiven Nebeneffekt haben kann. US-Forscher aus Texas hatten bei zwei Experimenten mit Mäusen festgestellt, dass sich Herzmuskelzellen teilten, wenn die Tiere zwei Wochen lang einem Sauerstoffmangel ausgesetzt waren, der den Verhältnissen auf 7000 Metern entsprach. Bei Mäusen, bei denen man vorher einen Herzinfarkt verursacht hatte, verbesserte sich die Herzfunktion nach zwei Wochen Hypoxie.

Medizinische Kontrolle rund um die Uhr

Monitor im Kontrollraum

Ralf und Nancy, beide kerngesund, sind die Probanden der Pilotstudie. Gut einen Monat sollen sie sich in der Hypoxiekammer aufhalten. In den ersten Wochen wird eine Akklimatisierung wie bei einer Himalaya-Expedition simuliert. Der Sauerstoffanteil in der Atemluft wird schrittweise gesenkt und nur zweimal zwischendurch vorübergehend erhöht – so als würden die beiden Bergsteiger nochmal absteigen, um wieder dickere Luft zu atmen. Die letzten beiden Wochen sollen der 56 Jahre alte Deutsche und die 49-jährige Kanadierin dann in einer simulierten Höhe von 7000 Metern verbringen. Das Experiment kann jederzeit abgebrochen werden, sollten schwerwiegende Probleme auftauchen. Ein Forscherteam des DLR überwacht rund um die Uhr den Gesundheitszustand von Dujmovits und Hansen. Auf dem Tagesplan stehen unter anderem Kontrollen der Herz- und Lungenfunktion, Blut- und Urintests, Fitness-Checks und so genannte „Cognition Tests“, bei denen Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen der Probanden überprüft werden.

Ich besuchte gestern die beiden Bergsteiger in ihrem neuen „Zuhause“. Das war am Mittwoch letztmals ohne Atemmaske möglich. Nach einer guten halben Stunde in einer simulierten Höhe von rund 3700 Metern fühlte ich mich allerdings ein wenig benommen. Das Interview mit Ralf führte ich dann doch lieber anschließend in dicker Luft, per Telefon.

Ralf, ihr könnt nicht raus, ihr habt kein Tageslicht, und euch wird quasi der Sauerstoff abgedreht. Das klingt nicht gerade nach Ferienwohnung.

Lungenfunktionstest bei Nancy

Nein, es ist keine Ferienwohnung. Aber wir haben uns ja über einen langen Zeitraum darauf eingestellt. Wir haben es so angenommen. Wir haben uns fast ein Dreivierteljahr mental darauf vorbereitet. Jetzt sind wir hier und fühlen uns auch eigentlich ganz wohl.

Dujmovits: Wir fühlen uns hier ganz wohl.

Wie fühlt sich die Aussicht an, wochenlang gewissermaßen eingesperrt zu sein und nicht an die frische Luft zu können? Das muss doch für einen Bergsteiger fast wie Folter sein.

Gar nicht mal so. Ich habe das große Privileg, dass ich sehr viel draußen sein durfte. Ich sehe kein großes Problem darin, dass ich jetzt mal fünf Wochen drinnen bin. Wir wurden darauf schon oft angesprochen. Aber weder Nancy, noch ich haben große Sorgen, dass wir nicht damit umgehen können. Wir beiden können uns sehr auf etwas fokussieren. Wir haben uns darauf eingelassen und nehmen es so an, wie es ist.

Wie habt ihr euch auf dieses Experiment vorbereitet? Habt ihr noch einmal so viel Frischluft und Natur wie möglich getankt?

Skiabfahrt zur Monte-Rosa-Hütte

Wir waren noch einmal eine Woche lang im Wallis. Wir haben zum Schluss zwei Nächte auf der Gnifetti-Hütte auf 3700 Metern verbracht und anschließend eine Nacht im Winterraum der Capanna Margherita auf der Signalkuppe auf 4550 Metern. Wir haben quasi Natur pur für uns gehabt. Auf der Capanna Margherita waren wir 24 Stunden lang völlig für uns alleine. Wir standen schon um halb sechs auf, um den tollen Sonnenaufgang zu genießen. Anschließend fuhren wir bei schönstem Pulverschnee mit Skiern zur Monte-Rosa-Hütte ab. Wir haben wirklich noch einmal aufgetankt, es uns dort gut gehen lassen und uns damit natürlich auch schon ein Stück weit vorakklimatisiert.

Was motiviert euch denn überhaupt, an dieser Studie teilzunehmen?

Nancy hatte in ihrem familiären Umfeld einige Fälle von Herzinfarkten, die entweder tödlich ausgingen oder nach denen sich die Angehörigen nur sehr schwer erholen konnten. Daher ist für sie die Motivation wirklich, im Bereich der Forschung etwas vorwärts bringen zu können. Ähnlich ist es auch bei mir. Das Interesse an der Medizin war immer da und wird auch weiterhin bleiben. Jetzt dabei sein zu können, wie sich unter Umständen eine neue Behandlungstechnik für Herzinfarktpatienten entwickelt, ist doch eine klasse Geschichte.

Vielleicht trägt ja auch zu eurer Motivation zusätzlich bei, dass dieser „Siebentausender“, den ihr jetzt besteigt, noch unbestiegen ist.

Natürlich ist es ein Stück weit eine Erstbesteigung. (lacht) Aber es ist gar nicht so diese Erstlingstat, die uns motiviert, sondern vielmehr die Unterstützung, in der Herzinfarkt-Forschung ein Stück weiter zu kommen.

Stickstofftank im DLR-Außengelände

Habt ihr auch Befürchtungen, sei es psychischer oder körperlicher Art, wenn ihr an die Wochen in der Hypoxiekammer denkt?

Es gab eine Unbekannte, mit der wir uns beide schwer getan haben. Es ist nicht ganz einfach, die Prozentteile Sauerstoff in der Umgebungsluft auf die (virtuelle) Höhe umzurechnen. Wir müssen uns auf das verlassen, was Jens und Uli (die Leiter der Studie, Prof. Jens Tank und Dr. Ulrich Limper vom DLR) uns vorgerechnet hatten. Aber wir haben hier auch die Möglichkeit,  über Sensoren, die in allen Räumen angebracht sind, zu sehen, wie die Luft zusammengesetzt ist. Von meinem Gefühl her passt das ganz gut. Daher ist das Vertrauen, dass wir der Mannschaft hier entgegenbringen müssen, absolut gerechtfertigt. Wir haben das Gefühl, wir sind hier wirklich in besten Händen.

Dujmovits: Wir sind hier in besten Händen.

Ihr seid jetzt den ersten kompletten Tag in der Hypoxiekammer und befindet euch auf einer Quasi-Höhe von rund 3700 Metern. Fühlt sich das anders an als auf dem Berg?

Natürlich ist es anders, weil die Härtefaktoren wie starke Sonneneinstrahlung, Wind, Kälte, Sturm oder Schneefall, wegfallen. Von daher ist es natürlich deutlich leichter. Aber die dünne Luft fühlt sich so an, wie wir das von der Höhe her kennen. Und das, obwohl die Höhe simuliert wird, indem man den Sauerstoffanteil reduziert. Normalerweise ist dieser prozentuale Anteil ja immer gleich hoch, egal auf welcher Höhe man sich befindet. (Die Hypoxie entsteht durch den geringeren Druck, mit der der Sauerstoff in die Lungen gepresst wird.) Hier ist es so, dass Stickstoff in die Räumlichkeiten hineingepumpt wird und damit der Sauerstoffanteil zurückgeht.

Glaubst du, dass du in den nächsten Wochen auch etwas über dich selbst lernen wirst?

Mobile Kletterwand im Wohnbereich

Ich habe schon jetzt einiges dazugelernt. Es sind viele, viele Kleinigkeiten. Wir haben zum Beispiel gestern an der mobilen Kletterwand trainiert. Sie wurde extra für uns hier hereingestellt, weil es unser Wunsch war, auch beim Klettern fit zu bleiben. Wir haben sofort gemerkt, dass hier nicht die fehlende Kraft in den Armen oder den Fingern der limitierende Faktor sein wird, sondern die Ausdauer in der dünnen Luft. Das haben wir unterschätzt. Wenn wir hier den Überhang an der Wand klettern, kommen wir wahrscheinlich nie an den Punkt, dass uns die Kräfte ausgehen, sondern wir werden in Sachen Ausdauer am Anschlag sein.

Hilft es euch, die ganze Sache zu zweit durchzustehen?

Das macht es auf jeden Fall viel einfacher. Ich habe mir gestern beim Abendessen mal kurz vorgestellt, wie es wäre, wenn ich alleine hier sitzen, mir vielleicht noch die Tagesschau ansehen und dann alleine ins Bett gehen würde. Das wäre ja furchtbar. Man hat niemanden, mit dem man sich darüber austauschen kann, was am Tag passiert ist. Das jetzt gemeinsam mit der Partnerin machen zu können, ist wirklich klasse. Wir haben viel zu lachen. Wir haben aber in der Nacht auch schon die ersten schwierigen Momente gehabt. Nancy hatte Kopfschmerzen, ich hatte einen leichten Druck im Kopf. Man unterhält sich darüber, und dann geht es gleich wieder ein bisschen leichter.

Dujmovits: Zu zweit geht es leichter.

Ist es nicht ein bisschen so, wie in einem Basislager bei schlechtem Wetter zu sitzen und sich nicht aus dem Weg gehen zu können?

Man kann das durchaus vergleichen. Ich erinnere mich z.B. an 2009, als wir drei Wochen am Stück bei extrem schlechtem Wetter am Lhotse im Basislager festsaßen und nur zwischen persönlichem und Mannschaftzelt hin und her wechseln konnten. Das ist hier auch nicht viel anders. Wir haben eigentlich sogar mehr Auslauf, weil die Räumlichkeiten doch sehr weitläufig sind. Außerdem haben wir am Tag sehr viele Aufgaben zu erledigen.

EKG bei Ralf

Was erwartest du, wie ihr aus diesem Experiment herauskommt? Als körperliche Wracks?

Das ist die ganz große Unbekannte. Wir hatten ursprünglich vor, hinterher auf Expedition zu gehen und damit diese extrem gute Akklimatisation zu nutzen.  Nachdem wir aber keine Ahnung haben, ob wir noch so fit sind, dass wir noch einen interessanten Berg besteigen können, haben wir unsere Pläne erst einmal auf die Alpen beschränkt. Es gibt z.B. auf der Südseite des Mont Blanc so viele hoch gelegene Ziele. Wenn wir noch fit genug sind, würden wir eher dorthin gehen, statt ein Permit zu kaufen, einen Verbindungsoffizier vorneweg bezahlen zu müssen, um dann hinterher vielleicht sagen zu müssen: Wir sind zu schwach, es geht einfach nicht.

Es kann aber auch sein, dass ihr euch einfach faul in die Sonne legt?

Auch das könnte sein. Nach der Zeit hier in der Kammer findet sofort die Messe „Outdoor“ in Friedrichshafen statt. Danach haben wir uns etwas Freiraum gelassen. Vielleicht legen wir uns dann auch in die Sonne.

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Vor Kibo-Expedition: Ab in die künstliche Höhe https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-kibo-expedition-ab-in-die-kuenstliche-hoehe/ Sat, 27 Jan 2018 23:05:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39373

Hypoxietraining daheim für den Kilimandscharo

Der Kilimandscharo ruft. In knapp drei Wochen werde ich zum höchsten Berg Afrikas aufbrechen. Natürlich möchte ich den Gipfel auf 5895 Meter Höhe erreichen. Aber nicht nur darum geht es bei der „Kilimanjaro Summit Challenge“. Die anderen 23 Teilnehmer der Expedition und ich werden auch an einem Forschungsprojekt der Philipps Universität Marburg zur Höhenkrankheit teilnehmen. Die Ärzte, die uns begleiten, werden täglich Blutproben nehmen und uns untersuchen. Auch psychologische Tests sind geplant. Das Risiko, am Kilimandscharo höhenkrank zu werden, ist ziemlich hoch.  Schließlich überwinden die Gipfelaspiranten innerhalb weniger Tage gut 4000 Höhenmeter. Rund 70 Prozent der Kibo-Touristen berichten anschließend über Symptome der akuten Höhenkrankheit.

Zu Hause dünne Luft schnuppern

Direkt nach dem Training: Sauerstoffsättigung 87 Prozent, fünf Minuten danach wieder 98 Prozent

Ich lebe in Köln auf rund 50 Meter Meereshöhe, die Alpen sind rund 600 Kilometer fern. Damit fehlt mir die Möglichkeit, mal eben einen Berg zu besteigen, um Höhenluft zu schnuppern. Schon vor früheren Expeditionen habe ich gute Erfahrungen mit Hypoxietraining gemacht, damals noch in speziellen Studios. Jetzt steht bei mir zu Hause ein Generator, mit dem ich gezielt einen Teil des Sauerstoffs aus der Luft filtern kann. Über eine Maske atme ich die sauerstoffärmere Luft ein und simuliere so eine größere Höhe. So kann ich nicht nur beim Sporttreiben und im Ruhezustand dünne Luft atmen, sondern sogar in einem speziellen kleinen Zelt „auf Höhe“ schlafen.

Thomas Huber, Jost Kobusch …

Inzwischen nutzen auch einige kommerzielle Expeditionsveranstalter solche Geräte, um ihren Kunden die Möglichkeit zu geben, sich vor einer Expedition zu akklimatisieren. Ich habe mein Gerät bei Höhenvorbereitung Markus Göbel ausgeliehen. Göbel, ein 41 Jahre alte Sportwissenschaftler, der in Sonthofen im Allgäu lebt, verleiht nicht nur die entsprechenden Geräte, sondern erstellt auch Trainingspläne. Zu seinen Kunden gehörten schon der deutsche Topkletterer Thomas Huber und Höhenbergsteiger Jost Kobusch (siehe Video unten).

Markus, man hat das Gefühl, dass Hypoxietraining richtig in Mode gekommen ist.

Es ist schon deutlich mehr geworden. Vor sechseinhalb Jahren habe ich mit zwei Geräten angefangen. Inzwischen erhalte ich immer mehr Anfragen. Die Reisen sind eben beliebt. Die einen haben noch nie etwas mit großer Höhe zu tun gehabt und sind froh, dass sie sich schon zu Hause darauf vorbereiten können. Die anderen haben schon Erfahrung mit dem Training gemacht und wissen, dass es ihnen hilft.

Was wird dem Körper beim Hypoxietraining eigentlich vorgegaukelt?

Im Prinzip dasselbe wie am echten  Berg. Dort liegen in der Luft die Sauerstoffmoleküle wegen des Druckverlustes weiter auseinander, und ich kann deswegen weniger Moleküle einatmen. Beim Hypoxiegerät filtert der Generator den Sauerstoff über eine Membran aus der Umgebungsluft heraus. Um eine Höhe von 4000 Metern zu simulieren, haben wir dann statt 21 Prozent nur noch 13 Prozent Sauerstoffgehalt. Die Moleküle fehlen also genau wie am echten Berg. Der Effekt ist sogar noch stärker, weil wir hier gegen normalen Umgebungsdruck anatmen müssen. Das heißt, die Sauerstoff-Sättigungswerte auf echten 4000 Metern sind etwas höher als in der künstlich erzeugten Höhe. Der Trainingseffekt ist also sogar stärker als auf der echten Höhe. 

Markus Göbel: Trainingseffekt ist sogar stärker als in echter Höhe

Merkt  sich der Körper das?

Er muss sich an den Sauerstoffmangel genauso anpassen wie am echten Berg. Ich kann nicht von jetzt auf gleich im Hypoxiezelt auf 4000 Metern schlafen, sondern steigere mich stufenweise. Ich beginne also z.B. bei 2300 Metern und erhöhe dann jede Nacht um 300 Meter, mache dann auch Pausen, um zu regenerieren. Der Körper speichert die Akklimatisierung zehn bis 14 Tage lang. Ich sehe zu, dass die Kunden das System wirklich bis zum Abflugtag nutzen, damit die Lücke nicht zu groß wird.

Kilimandscharo

Kommerzielle Veranstalter berichten, dass sich Expeditionen bis zu einer Länge von vier Wochen gut verkaufen lassen, bei längeren wird es immer problematischer. Erhöht dies den Bedarf an Hypoxietraining?

Genau darum geht es ja. Man nimmt die Zeit, die vor Ort fehlt, zu Hause vorweg. Für den Kilimandscharo mache ich z.B. zwei bis drei Wochen Höhentraining zu Hause und bin dann eine Woche dort. Dann komme ich insgesamt auf drei bis vier Wochen. Das ist nach höhenmedizinischen Erkenntnissen der Zeitraum, den ich brauche, um unbeschadet auf einen knapp 6000 Meter hohen Berg zu kommen – wenn man andere Faktoren wie mögliche Erkrankungen, Durchfall, Erkältung usw., oder auch das Wetter mal außen vor lässt. Rein auf die Höhe bezogen, würde ich sagen, dass Kunden, die im Vorfeld einer Kilimandscharo-Expedition ein Höhentraining absolviert haben, Erfolgschancen von 95 bis 98 Prozent haben.

Thomas Huber beim Hypoxie-Training

Wie wird diese Trainingsform von Profibergsteigern angenommen?

Ich hatte schon welche. (lacht) Aber es ist nicht so, dass sie mir die Tür einrennen. Ich glaube und finde es auch in Ordnung, dass sie damit nicht  hausieren gehen wollen. Es geht ja nicht darum, zu sagen, ich habe Höhentraining gemacht, also renne ich da jetzt mal schnell hoch. Es  ist einfach eine Trainingsmethode, um sich auf ein Bergsportziel vorzubereiten. Ich muss es nicht unbedingt durch die Gegend posaunen und dadurch vielleicht den Druck erhöhen, dass ich das Ziel unbedingt erreichen muss. Sie hängen es einfach nicht an die große Glocke, wenn sie es tun.

Markus Göbel: Profibergsteiger hängen es nicht an die große Glocke

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Keilkissen in den Rucksack? https://blogs.dw.com/abenteuersport/keilkissen-in-den-rucksack/ Wed, 05 Jul 2017 21:13:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36889

Olympus Mons, Mars-Bergriese

Gegen den höchsten Berg des Mars ist der Mount Everest ein Zwerg. Der Olympus Mons ragt 26 Kilometer über die Oberfläche des roten Planeten hinaus. Das ist jedoch nicht der Grund, warum sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der Höhenkrankheit befasst. Für eine – wie ich finde, sehr interessante – Studie werden Bergsteiger gesucht, die zwischen dem 7. und 20. August nach einer Nacht auf der Gnifetti-Hütte (3647 Meter) zur Margherita-Hütte aufsteigen. Die „Capanna Regina Margherita“ steht auf dem Gipfel der Signalkuppe in den Walliser Alpen und ist mit 4554 Metern das höchstgelegene Gebäude Europas. Die Wissenschaftler des DLR wollen herausfinden, ob es gegen die Höhenkrankheit hilft, wenn man mit erhöhtem Oberkörper schläft. Die Probanden sollen Keilkissen nutzen, die dafür sorgen, dass sie um 30 Grad erhöht liegen. Auf Intensivstationen in Krankenhäusern werden solche Kissen seit langem erfolgreich eingesetzt.

Bergsteiger, die im August 2017 zur Schutzhütte Regina Margherita aufsteigen und an der Studie teilnehmen möchten, können sich entweder vorab per Mail unter ams@dlr.de anmelden oder sich an der Talstation in Alagna sowie der Gnifetti-Hütte bei den DLR-Mitarbeitern melden. Ich habe mit Dr. Ulrich Limper gesprochen, der die Studie leitet. Der 35-jährige Arzt arbeitet seit drei Jahren beim DLR.

Dr. Limper, warum interessiert sich überhaupt ein Zentrum für Luft- und Raumfahrt für die gesundheitlichen Probleme von Bergsteigern? Gibt es etwa Gemeinsamkeiten zwischen Astronauten und Bergsteigern?

Aufstieg zur Margherita-Hütte

Beginnen wir mit den Astronauten: Sie haben Probleme mit ihren Augen, wenn sie von Langzeitmissionen in der Raumstation zurückkehren. Das wird als „VIIP-Syndrom“ bezeichnet, das steht für Visual Impairment and Intracranial Pressure (Sehbeeinträchtigung und erhöhter Hirndruck). Die Sehkraft ist eingeschränkt. Man hat herausgefunden, dass in der Schwerelosigkeit das Blut in den Kopf steigt und dort oben verweilt, weil die Schwerkraft fehlt, um es wieder herunterzuziehen. Die Höhenerkrankung hat eine ganz ähnliche Ursache. Wenn Sauerstoffmangel herrscht, weiten sich die Gefäße zum Gehirn hin, die Arterien, um noch mehr Blut zum Gehirn zu transportieren. Die Venen, die das Blut wieder vom Kopf wegführen, haben offenbar nicht die Fähigkeit, sich entsprechend zu weiten. Daher staut sich das Blut im Kopf, und es kommt zu den üblichen Symptomen der Höhenkrankheit wie Übelkeit und Kopfschmerz.

Außerdem werden sich Astronauten in der Zukunft, etwa wenn man an die Mission zum Mars denkt, in künstlichen Atmosphären aufhalten, die jenen im Hochgebirge ähneln: niedriger Druck, bis zu einem bestimmten Level auch Sauerstoffmangel. Das macht es für uns als Weltraummediziner so spannend, über Bergsteiger nachzudenken.

Die Capanna Regina Margherita auf 4554 Metern

Da liegt der Schluss nahe, dass Bergsteiger eigentlich super qualifiziert sein müssten, ins All zu starten.

Natürlich sind das noch einmal ganz andere Herausforderungen. Aber prinzipiell haben Sie recht. Höhenbergsteiger sind oft sehr kontrollierte Menschen, die auch mit Extremsituationen umgehen und sehr rational handeln können. Immer wenn die Europäische Weltraumorganisation neue Astronauten sucht, gibt sie in einem ersten Schritt einen Fragebogen aus, wo diese Dinge abgefragt werden. Man kann Punkte sammeln, wenn man in seiner Freizeit etwa bergsteigen oder tauchen geht, also all diese Dinge tut, bei denen man seinen Körper unter Kontrolle haben muss.

Ein Kissen unter dem Kopf als Rezept gegen Höhenkrankheit? Das klingt fast zu einfach, um wahr zu sein? 

Es ist eben ein sehr pragmatischer Ansatz. Wir gehen nicht davon aus, dass wir damit die Höhenkrankheit vermeiden können, sondern es soll ein Puzzleteil im Gesamtkonzept sein. Wir wollen zeigen, dass die Leute, die das Kissen gewissermaßen als physikalische Therapie nutzen, weniger höhenkrank werden als jene, die darauf verzichten. Wir gehen davon aus, dass sich das Blut nachts im Kopf noch mehr staut, weil man flach liegt und das Blut dadurch noch weniger abfließt. Deswegen geht es den Bergsteigern auch morgens schlechter als abends. Das hat eine Studie belegt, die wir im vergangenen Jahr durchgeführt haben. 

Ganz neu ist der Ansatz nicht. Ich zitiere aus dem Buch „Höhenanpassung“ von Klaus Mees aus dem Jahr 2005: „Hilfreich ist oft auch die Hochlagerung des Oberkörpers, z. B. mit Rucksack oder Kleidungsstücken unter Isomatte oder Schlafsack.“

Everest-Krankenstation

Es stimmt, diese Empfehlung gibt es. Aber wir wollen auch wissenschaftlich beweisen, dass es hilft. Wenn Sie auf eine Berghütte steigen, werden sie niemanden finden, der es wirklich macht. Auch wenn Sie sich im Internet Bilder ansehen von höhenkranken Bergsteigern im Everest Base Camp oder sonstwo: Die liegen alle komplett flach, sie tragen eine Sauerstoffmaske im Gesicht und haben einen Sättigungsclip am Finger, aber fast niemand wird mit dem Oberkörper hoch gelagert. Wenn wir beweisen können, dass das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper wirklich eine einfache und wirksame Maßnahme gegen die Höhenkrankheit ist, könnte man sie auch mit deutlich größerer Vehemenz vertreten.

Sie messen bei den Probanden lediglich Sauerstoffsättigung und Puls und ermitteln mit einem Fragebogen, ob Symptome der Höhenkrankheit vorliegen. Ist dieses Verfahren nicht zu grob, um Mikroprozesse, die sich unter Umständen im Gehirn abspielen, zu erfassen?

Über den Mechanismus der Höhenkrankheit werden wir hinterher nichts sagen können, sondern nur darüber: Funktioniert die Methode oder funktioniert sie nicht? Wollten wir den Mechanismus erforschen, würde es mehr Sinn machen, statt auf eine Berghütte in eine Höhenkammer des DLR zu gehen, wo man alle Bedingungen kontrollieren und sich die Mikroprozesse genau ansehen kann. Wir haben jedoch mit unserer Studie einen ganz pragmatischen Ansatz. Es bringt jedem Bergsteiger etwas, wenn wir den Therapieerfolg beweisen, oder eben nicht. Daher macht es auch Sinn, die Studie so einfach wie möglich durchzuführen. Wir nehmen ja keine Probanden mit, sondern arbeiten mit Bergsteigern, die sowieso auf den Hütten sind. Wir gehen davon aus, dass die Leute umso mehr mitmachen, je weniger sie sich in ihrer Bergsteigerei belastet fühlen.

Sollte sich Ihre Hypothese bestätigen, darf das Keilkissen im Rucksack von Höhenbergsteigern und Mars-Astronauten künftig nicht mehr fehlen, oder?

Es wäre zumindest nicht verkehrt, es mitzunehmen.

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Mountainbiker und Bergläufer für Kibo-Studie gesucht https://blogs.dw.com/abenteuersport/mountainbiker-und-berglaeufer-fuer-kibo-studie-gesucht/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mountainbiker-und-berglaeufer-fuer-kibo-studie-gesucht/#comments Thu, 06 Apr 2017 14:08:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35721

Kilimandscharo

Statistisch gesehen, gehört der Kilimandscharo zu den Top-Bergzielen weltweit. Jahr für Jahr versuchen sich mehrere zehntausend Menschen am höchsten Berg Afrikas. So sollen allein 2016 mehr als 30.000 Besucher den höchsten Punkt auf 5895 Meter erreicht haben. Der „Kibo“ gilt als Wanderberg, mehrere einfache Routen führen auf den Gipfel. Nur während der Regenzeiten April/Mai und Oktober/November reißt der Touristenstrom etwas ab. Viele Anbieter bieten Touren auf das Dach Afrikas als Wochentrip an – auch diese kurze Verweildauer sorgt dafür, dass der Berg bei den kommerziellen Kunden so beliebt ist. Weniger bekannt ist, dass am Kilimandscharo alljährlich mehrere hundert schwer höhenkranke Touristen gerettet werden müssen, für rund zwei Dutzend von ihnen kommt jede Hilfe zu spät. In vielen Jahren sind es auch deutlich mehr.

4000 Höhenmeter in wenigen Tagen

Christian Kreisel

Die Regierung Tansanias hält die genaue Zahl der Todesfälle unter Verschluss. Würde sie bekannt, könnte das dem boomenden Bergtourismus schaden. Viele unterschätzen ganz einfach das Risiko, am Kibo höhenkrank zu werden. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand. Schließlich überwinden die Gipfelaspiranten innerhalb weniger Tage gut 4000 Höhenmeter. Der Arzt Christian Kreisel vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg will jetzt eine schnellere und sichere Diagnose der Höhenkrankheit entwickeln – mit einer Studie am Kilimandscharo. Die bisher üblichen Tests seien teilweise zu grob, sagt mir der 37-Jährige, der selbst den Berg schon sechsmal bestiegen hat: „Ich möchte die Maschen des Siebs verkleinern.“

Zahlreiche Tests

Kreisel sucht für seine Studie 25 Sportler – Mountainbiker oder Bergläufer. Sie sollen in der Zeit vom 24. September bis 1. Oktober 2017 den höchsten Berg Afrikas besteigen. Geplant sind ein dreitägiges Trainingslager auf 3700 Metern, eine Übernachtung auf 4800 Metern und ein Gipfelversuch. Vor und während der Reise werden zahlreiche medizinische und auch psychologische Tests gemacht. Dabei erhalten die Athleten Daten über ihre Leistungsfähigkeit in großer Höhe, die ihnen auch bei künftigen Bergsport-Projekten nützlich sein dürften.

„Sport am Kilimandscharo war bisher nur wenigen Eliteathleten vorbehalten,“ sagt Rainer Braehler, Organisator der „Kilimanjaro Summit Challenge“, „aber ist jetzt im Rahmen der Studie für ambitionierte Amateure unter medizinischer Aufsicht sicher möglich.“ Wer Interesse hat, kann sich auf der Homepage des Projekts über die Einzelheiten informieren und sich dort auch ab sofort bewerben.

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f (Expeditionsleiter) = Autorität + offenes Ohr https://blogs.dw.com/abenteuersport/studie-hierarchie-expeditionen/ Thu, 22 Jan 2015 13:47:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28173 Expeditionsleiter: Keine leichte Aufgabe

Expeditionsleiter: Kein leichtes Brot

Schmusebär oder Diktator. Zwischen diesen Extremen bewegen sich Expeditionsleiter. Immer auf der Suche nach dem „Goldenen Weg“, der maximalen Erfolg garantiert. Wie viel Diskussion ist nützlich, wie viel „Basta!“ nötig? In den USA haben jetzt Wissenschaftler eine interessante Studie über den Einfluss von Hierarchie auf den Ausgang von Expeditionen veröffentlicht. Sie befragten Bergsteiger aus 27 Staaten und werteten die Daten von insgesamt 5104 Himalaya-Expeditionen zwischen 1905 und 2012 aus. Ihr Ergebnis: „Hierarchie führte im Himalaya nach oben, tötete aber auch: Expeditionen aus eher hierarchischen Ländern brachten mehr Teilnehmer auf den Gipfel, gleichzeitig starben dabei auch mehr Bergsteiger.“ Einerseits könne also eine starke Führung ohne Dauerdiskussionen eine Atmosphäre schaffen, in der die Teilnehmer entschlossener seien, den Gipfel zu erreichen. Andererseits erhöhe sich unter Umständen das Risiko für die Gruppe, weil die in der Rangordnung unten stehenden Bergsteiger ihre Zweifel für sich behielten. Wie aber soll nun ein Expeditionsleiter den richtigen Mittelweg finden? Ich habe bei den Machern der Studie nachgefragt.

Alles auf den Tisch

Eric Anicich

Eric Anicich

„Eine starke Führung wird im Bergsteigen immer wichtig sein, weil es so entscheidend ist, die ganze Gruppe gut aufeinander abzustimmen“, antwortet Eric Anicich von der Columbia Business School in New York. Es komme jedoch gleichzeitig darauf an, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Bergsteiger, auch jene weiter unter in der Hierarchie, ihre Bedenken frei äußern könnten. „Ein Weg für die Expeditionsleiter, dies zu erreichen, besteht darin, schon vor dem Aufbruch für ein Gruppenklima zu sorgen, in dem sich die Mitglieder sicher fühlen.“ Während der Expedition sollten die Leiter dann ihre Bergsteiger ausdrücklich ermutigen, das Wort zu ergreifen, wenn sie Informationen hätten, die für die anderen relevant seien. „Wirksame Führung erfordert, alle wichtigen Informationen auf den Tisch zu bekommen, um optimal begründete Entscheidungen treffen zu können.“ Sprich: Autorität gepaart mit einem offenen Ohr erhöht die Gipfelchance.

Schmaler Grat

Die Gruppe muss funktionieren

Die Gruppe muss funktionieren

Ich hatte die Wissenschaftler auch gefragt, ob sie zwischen kommerziellen Expeditionen mit den dort üblichen Leistungsschwankungen und solchen Gruppen unterschieden hätten, zu denen sich gleich starke Bergsteiger zusammenschlossen. Meine Vermutung: Bei kommerziellen Expeditionen dürften die beobachteten Effekte deutlicher ausgeprägt sein. „Ich stimme deiner Intuition zu“, sagt Eric Anicich. Allerdings hätten er und die anderen beteiligten Wissenschaftler dies mit ihrer Studie nicht belegen können, da ihnen verlässliche Daten über die kommerziellen Expeditionen gefehlt hätten. „Möglicherweise spielt Hierarchie dort eine größere Rolle, weil sich die Kletterer in der Regel vorher nicht kennen. Dann braucht es einen starken Expeditionsleiter, um die Bemühungen der Gruppe zu koordinieren“, glaubt Eric. „Gleichzeitig haben die Kletterer bei kommerziellen Expeditionen aber vielleicht auch zu viel Respekt vor ihrem Leiter. Das könnte sie davon abhalten, den Mund aufzumachen und über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen.“  Ein schmaler Grat. Gar nicht so leicht, ein guter Expeditionsleiter zu sein.

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Lachen geboten https://blogs.dw.com/abenteuersport/lachen-geboten/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/lachen-geboten/#comments Tue, 01 Apr 2014 04:00:13 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25641 Sauer macht lustig

Sauer macht lustig

Wer gut gelaunt klettert, hat bessere Chancen, den Gipfel des Mount Everest zu erreichen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Psychoanalytikers Sigmund Freud aus dem Jahr 1938, die jetzt bei Abrissarbeiten in einem Londoner Keller aufgetaucht ist. Der Fund gilt als wissenschaftliche Sensation. Der Österreicher, der auch regelmäßig Bergtouren in den Alpen machte, hatte sein letztes Lebensjahr in der britischen Hauptstadt verbracht. Dort verkehrte er häufig in den Bergsteigerkreisen der Royal Geographical Society. Dort lernte Freud auch Noel Odell kennen, der 1924 der letzte gewesen war, der George Mallory und Andrew Irvine vor ihrem Verschwinden am Everest-Nordgrat gesehen hatte. Odell war 1938 gerade von einer weiteren Expedition zum höchsten Berg der Erde zurückgekehrt, bei der immerhin eine Höhe von 8290 Metern erreicht worden war.

Lust oder Todestrieb?

„Wir diskutierten viele bierselige Abende lang darüber, ob Lust oder doch eher der Todestrieb dafür verantwortlich sei, dass es junge Menschen auf den Everest ziehe“, schreibt Freud im Vorwort der Studie. „Odell neigte zur Lebensfreude, ich vertrat die Todestrieb-Theorie.“ Das habe ihn schließlich dazu inspiriert, der Sache wissenschaftlich auf den Grund zu gehen. Odell beschaffte ihm aus den Kreisen der Royal Geographical Society 50 Bergsteiger als Probanden, die jeweils auf Zeit eine 15 Meter hohe Backsteinmauer mit einigen Vorsprüngen hinaufklettern sollten.

Sauer macht lustig

Sigmund Freud

Sigmund Freud

Freud erwog zunächst, wie schon bei früheren Experimenten, Kokain einzusetzen, um eine Gruppe von Kletterern auf ein höheres Lustlevel zu bringen. Er verwarf die Idee, nachdem er bereits dem ersten dauerkichernden Probanden nicht hatte klarmachen können, dass er die Mauer erklimmen sollte. Dann vielleicht Klettern unter Hypnose? Das erschien dem Psychoanalytiker zwar machbar, jedoch ab einer Fallhöhe von über zehn Metern zu riskant. „Ich war mit meinem Latein fast am Ende. Da kam ich eines Tages auf einem Londoner Markt an einem Gemüsestand vorbei, an dem Pampelmusen angeboten wurden“, schreibt Freud. „Da erinnerte ich mich an die alte Weisheit: Sauer macht lustig.“

33 Sekunden schneller

Die Royal Geographical Society in London

Die Royal Geographical Society in London

Der Wissenschaftler setzte die erste Gruppe auf eine viertägige, strenge Pampelmusen-Diät, während die Mitglieder der Kontrollgruppe komplett fasten mussten. „Es zeigte sich, dass die Pampelmusen-Probanden bei Auftritten von Clowns, die wir engagiert hatten, in der Tat deutlich mehr und herzlicher lachten“, schreibt Freud. „Nun ließen wir sie die Mauer hinaufklettern. Das Ergebnis war verblüffend: Die 25 Kletterer, die sich vier Tage lang nur von Pampelmusen ernährt hatten, waren durchschnittlich 33 Sekunden eher am Ziel als jene der Vergleichsgruppe.“ Schweren Herzens, so Freud, habe er Odell zumindest darin Recht geben müssen, dass gute Laune die Leistungsfähigkeit von Kletterern erhöhe und damit auch die Chance, den Gipfel des Mount Everest zu erreichen.

Schlüssel zum Erfolg

Geburtstag blog 2014Dass häufiges Lachen dazu führe, dass junge Menschen überhaupt den Everest besteigen wollten, sei damit jedoch noch keinesfalls bewiesen. „Odell und ich haben vereinbart, das Pampelmusen-Experiment in das Forschungsprogramm der nächsten Everest-Expedition aufzunehmen“, schreibt Freud. Doch dazu kam es nicht mehr. Der weltberühmte Psychoanalytiker starb im September 1939, seine Aufzeichnungen verschwanden, und Odell hatte andere Sorgen. Wahrscheinlich hatte der Brite Freuds Schlusssatz der Studie nie gelesen: „Der Schlüssel zum Erfolg am Mount Everest liegt in der Pampelmuse.“

P.S. Am heutigen 1. April feiert mein Blog seinen vierten Geburtstag! 🙂

Update 02.04.: April, April! 🙂 War doch klar, oder? Wobei Freud tatsächlich sein letztes Lebensjahr in London verbrachte und zuvor mit Kokain und Hypnose experimentiert hatte und Odell wirklich 1938 am Everest war … Vielleicht sollte  man doch mal einige Keller in London durchsuchen, oder aber gleich zum Gemüsemann gehen und Pampelmusen kaufen. 😉

 

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Tod hat Vorliebe für Geburtstage https://blogs.dw.com/abenteuersport/tod-hat-vorliebe-fur-geburtstage/ Tue, 12 Jun 2012 17:14:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=15317

Gefährlicher Geburtstag

Ihr könnt an eurem Geburtstag natürlich machen, was ihr wollt. Aber passt gefälligst auf! Wissenschaftler der Universität Zürich haben nämlich festgestellt, dass der Geburtstag statistisch gesehen lebensgefährlich ist. Die Wahrscheinlichkeit, am Ehrentag das Zeitliche zu segnen, liege um 14 Prozent höher als an allen anderen Tagen, heißt es in der jetzt veröffentlichten Studie. Untersucht wurden zwei Millionen Todesfälle in der Schweiz zwischen 1969 und 2008. Wir laden also gewissermaßen den Tod zu unserer Geburtsparty ein? Für die Männer kommt es noch dicker: Tödliche Unfälle sind an ihrem Ehrentag sogar um 29 Prozent wahrscheinlicher. „Die Männer sterben jedoch nicht an Verkehrsunfällen oder Vergiftungen, sondern an Stürzen“, teilt die Uni Zürich mit.  Was bedeutet das für uns Bergfexe?

Loretan stürzte am Geburtstag ab

Erhard Loretan (1959-2011)

Da erinnern sich die Leser meines Blogs vielleicht an den Tod Erhard Loretans, der 1995 als dritter Mensch nach Reinhold Messner und Jerzy Kukuczka alle 14 Achttausender bestiegen hatte, allesamt ohne Atemmaske. Der Schweizer Profibergsteiger stürzte am 28. April 2011 unterhalb des Gipfels des 4043 Meter hohen Grünhorns im Wallis zu Tode – ausgerechnet an seinem 52. Geburtstag. Kurios, aber zufällig, dachten damals wohl alle. Und jetzt? Die Wissenschaftler aus Zürich nennen das Phänomen der gehäuften Todesfälle am Geburtstag „anniversary reaction“ – fast als würde sich der Jubeltag rächen wollen. Vielleicht solltet ihr überdenken, ob ihr eure Kinder demnächst zum Geburtstagsklettern in die Halle schickt oder doch lieber nachfeiert.

Nüchtern bleiben!

Doch gemach, gemach! Die Studie liefert auch mögliche Erklärungen des Phänomens: Ältere Menschen versuchten vielleicht mit allen Mitteln, dem Tod einen letzten Jubeltag abzuringen. Alkohol könnte im Spiel gewesen sein oder Stress rund um den Geburtstag. Was lernen wir daraus für die nächste Geburtstagsbergtour? Immer schön cool und nüchtern bleiben! Das Weißbier schmeckt auch anschließend.

P.S. Habt Ihr schon für meinen Blog gestimmt? Nein, na dann los! Jeder darf in der Hauptwahl aber nur einmal.

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