Steve House – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Alpine Mentoren https://blogs.dw.com/abenteuersport/alpine-mentoren/ Fri, 04 Oct 2013 15:33:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23513

Ausbildungstag im Mont-Blanc-Gebiet

„Ausbildung ist der beste Reiseproviant für die Reise zum hohen Alter“, hat schon der alte Aristoteles gewusst. Dass der Philosoph als Felskletterer die Klippen der Ägäis unsicher gemacht hätte, wäre neu. Aber sein weiser Spruch gilt auch für Bergsteiger und Kletterer: Wer gut ausgebildet ist, lebt länger. Steve House, der Topkletterer aus den USA, hat sich nach einem Sturz 2010, der ihn fast das Leben gekostet hätte, der Ausbildung junger, talentierter Kletterer verschrieben. Er gründete die gemeinnützige Organisation „Alpine Mentors“, um – so Steve – „dem Klettern etwas zurückzugeben und der heutigen Kletterjugend ein Mittel an die Hand zu geben, dass ich nicht hatte“. Der 43-Jährige hat internationale Topkletterer als Mentoren gewonnen, die bereit sind, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten am Berg an die nächste Generation weiterzugeben. Mit am Seil sind dieser Tage auch die deutschen Spitzenbergsteiger Ines Papert und David Göttler

„Die flippen bei einer Spalte aus!“

Bei einem zweiwöchigen Trainingslager in Fels, Schnee und Eis rund um den Mont Blanc bilden die beiden deutschen Spitzenbergsteiger gemeinsam mit Steve House das Trainerteam für vier Nachwuchstalente. David Göttler schwärmt via Facebook von „super Verhältnissen“ und „ungewöhnlicher Einsamkeit im ganzen Gebiet“. Der 35-Jährige, der bereits fünf Achttausender bestiegen hat, kann sich einen kleinen Seitenhieb auf die jungen Kollegen nicht verkneifen – mit einem Augenzwinkern: „(Ich) hatte Spaß mit der Truppe und finde es unglaublich, dass die teilweise in neun Stunden die „Nose“ (legendäre Kletterroute am Granitfelsen El Capitan im Yosemite-Nationalpark) hochmachen und bei einer Spalte am Gletscher ausflippen!“

DAV-Frauen-Expedkader in Indien

Spielwiese für DAV-Kletterinnen

David ist ein erfahrener Ausbilder. Von 2010 bis 2012 trainierte er die Jungs des Expedkaders des Deutschen Alpenvereins und führte sie zum Abschluss zur Erstbesteigung eines bis dahin noch namenlosen, fast 6000 Meter hohen Bergs im Westen Tibets.  Auch den nächsten Kurs über zweieinhalb Jahre wird Göttler betreuen. Derzeit ist das erste reine DAV-Frauen-Team auf Abschlussexpedition in Indien. Unter der Leitung ihrer Trainerin Dörte Pietron klettern sechs junge Bergsteigerinnen schwierige Routen an den Fünftausendern im Satling Valley. Eine vorbildliche Ausbildung, ganz im Sinne von Aristoteles, auch wenn der möglicherweise ein Klettermuffel war.

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Moro und Steck brechen Everest-Expedition ab https://blogs.dw.com/abenteuersport/moro-und-steck-brechen-everest-expedition-ab/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/moro-und-steck-brechen-everest-expedition-ab/#comments Tue, 30 Apr 2013 21:12:13 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21341

Miese Stimmung am Everest

Die beiden Topbergsteiger Simone Moro aus Italien, Ueli Steck aus der Schweiz und ihr britischer Fotograf Jon Griffith haben ihre Expedition am Mount Everest abgebrochen. Sie reagierten damit darauf, dass sie am vergangenen Samstag in Lager 2 von einer aufgebrachten Sherpa-Menge angegriffen und mit dem Tod bedroht worden waren. „Die Geschichte des Bergsteigens am Everest begann mit einer Partnerschaft zwischen einem Sherpa und einem Ausländer. 60 Jahre später hat sich diese Partnerschaft deutlich verändert“, sagte Simone Moro. Er wolle am Everest bleiben, allerdings nur, um mit seinem Hubschrauber zu Rettungsflügen zu starten. Ueli Steck trat die Heimreise an. „Mein Vertrauen ist weg. Ich kann nicht mehr an diesen Berg zurückkehren, auch wenn alle sagen, dass so etwas nicht mehr passieren werde“, sagte der Schweizer im Basislager der deutschen Journalistin und Bergsteigerin Billi Bierling. „Wer versichert mir, dass die wütende Menge nicht mein Seil zerschneidet oder mein Zelt abfackelt?“ 

Spitze des Eisbergs 

Uelis gute Laune ist verflogen

Der Schock sitzt tief. „Es ist ein Wunder, dass wir noch leben“, sagt Simone. „Ohne Scherz und ohne Übertreibung.“ Auch Ueli ist „glücklich, dass ich noch lebe“. Die beiden glauben, dass die Ursache des Angriffs viel tiefer liegt als der Streit darüber, dass die drei westlichen Bergsteiger angeblich die Arbeit der Sherpas an den Fixseilen behindert hatten. Der Angriff sei der Ausdruck einer Wut, die über Jahre gewachsen sei, meint Steck. „Die Sherpas haben hier seit Jahren gearbeitet, und sie sind die reichen Leute in Nepal, die auch über eine gewisse Macht verfügen. Andererseits sehen sie all diese Westler, die am Berg Geld machen. Und zwischen ihnen und diesen Westlern gibt es einen tiefen Graben.“ Ähnlich äußert sich Simone. „Wir waren nur die Spitze des Eisbergs, der Strohhalm, der die Geduld der Sherpas zerriss.“ 

Kritik an Moro 

Im Basislager sprachen sich die beiden Konfliktparteien aus und reichten sich anschließend die Hände. Die Sherpas und ihr Sirdar (Leiter) hätten sich offiziell entschuldigt, sagt Simone. Die nepalesische Regierung weist darauf hin, dass bei dem Treffen beide Seiten Fehler eingeräumt hätten. „Dieser Vorfall darf sich nicht wiederholen“, heißt es in einer Presseerklärung des Tourismusministeriums. Alle müssten sich an die vereinbarten Regeln halten. Garrett Madison vom Veranstalter Alpine Ascents weist darauf hin, dass sich alle Expeditionsleiter bei einem Treffen im Basislager am 18. April mit den leitenden Sherpas darauf geeinigt hätten, dass während der Sherpa-Arbeiten an den Fixseilen niemand aufsteige. Simone Moro habe an diesem Treffen nicht teilgenommen. Madison warf dem Italiener auch eine gewisse Mitschuld an der Eskalation vor. Mit einem unbedachten Funkspruch nach dem Streit mit dem Leiter der Sherpas, den alle am Berg hätten mithören können, habe Moro die Situation angeheizt. 

Steck am Boden zerstört 

Ueli Steck ist nach eigenen Worten am Boden zerstört. „Wir waren ein sehr starkes Team, und die Bedingungen am Berg sind perfekt. Ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass wir erfolgreich gewesen wären, und das tut sehr weh. Aber ich kann nicht einfach an den Everest zurückkehren, so gesehen haben die Sherpas meinen Traum zerstört.“

Auch wenn der Zwischenfall am Everest in seinem Ausmaß bisher einmalig ist, scheint das grundsätzliche Problem nicht ganz neu zu sein. Der US-Spitzenbergsteiger Steve House berichtet über eine ähnliche Erfahrung 2011 am Makalu. Als er und sein Team zur Akklimatisierung über die Normalroute aufgestiegen seien, habe sie  der dortige Leiter der Sherpas ebenfalls bedroht. „Ich kann mir vorstellen, dass die Sherpas am Everest ihre Felle schwimmen sehen, wenn Kletterer auftauchen, die ihre Hilfe nicht benötigen.“

Update 3. Mai: Simone Moro hat der Darstellung von Garrett Madison widersprochen. „Das ist komplett, komplett, komplett unwahr! Ich habe niemals einen so dummen und provokativen Funkspruch abgesetzt und ich habe Zeugen, die das bestätigen können“, sagte Simone in einem Interview mit explorersweb.com. „Der Bericht verdreht die Fakten, um die gespannte Lage und die Gewalt in Lager 2 zu rechtfertigen. Ich kann verstehen, dass er (Madison) sein Gewerbe verteidigen muss, aber Lügen taugt dazu nicht.“

 

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Steve House, im Herzen ein Purist https://blogs.dw.com/abenteuersport/steve-house-im-herzen-ein-purist/ Mon, 29 Nov 2010 17:27:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/11/29/steve-house-im-herzen-ein-purist/ „Du kraulst wie ein alter Kahn“, pflegte einst mein Sportlehrer zu mir zu sagen, wenn er mich schwimmen sah. Ähnlich verhält es sich mit meinem Englisch. Genug, um nicht unterzugehen, zu wenig, um zu glänzen. Dennoch, also auf die Gefahr hin, mich als Grammatikmuffel und Vokabelwinzling zu offenbaren, stelle ich euch unten mein Interview mit Steve House ohne Übersetzung bereit. In diesem Fall, glaube ich, ist es wirklich ein Mehrwert, den Spitzenbergsteiger aus den USA im Original zu hören, weil er bei unserem „Wander-Gespräch“ beim International Mountain Summit in Brixen extrem offen war.


Steve House, für Reinhold Messner der derzeit „weltbeste Extrembergsteiger“

Fleißiger Schutzengel

„Ich lag da zwei Stunden auf einem Felsvorsprung und merkte, wie mein Körper starb“, erzählt Steve über seinen 25-Meter-Sturz Ende März am 3547 Meter hohen Mount Temple in den kanadischen Rockies. „Da hatte ich plötzlich viel Zeit, über den Tod nachzudenken. Das hat mein Leben verändert. Ich habe meine Prioritäten verschoben, weg von mir selbst, hin zu den Menschen, die mir wichtig sind.“ Steves Schutzengel musste sich schon voll ins Zeug legen, damit der Kletterer seine schweren inneren Verletzungen überlebte: Fünf Rippen waren gebrochen, zwei davon doppelt, der rechte Lungenflügel zusammengeklappt. Dazu zwei kleinere Brüche an der Hüfte, fünf kleinere an den Wirbeln. „Körperlich fühle ich mich heute zu 80 Prozent wiederhergestellt“, sagt House.


Steves erste Tour nach seinem schweren Sturz

Wochenlang lag Steve nach seinem Sturz flach, vollgepumpt mit Medikamenten, erst im Krankenhaus, dann daheim. „Das war für mich eine völlig ungewohnte Erfahrung. Ich konnte mich nicht bewegen, weder ein Buch lesen, noch mir einen Film ansehen, nur nachdenken.“ Über sich selbst, sein Leben: „Jeder Kletterer muss sich fragen: Bist du wirklich nicht mehr als die Leistungen, die du am Berg gebracht hast? Was ist mit deinen Erfahrungen, deinen Beziehungen? Welchen Wert leistest du für die Gesellschaft?“

Ganz schön hart

Als er wieder laufen konnte, machte Steve einen radikalen Schnitt, fast so als wollte er komplett neu anfangen: Der 40-Jährige verlegte seinen Wohnsitz und trennte sich von seiner langjährigen Lebensgefährtin. Ich frage ihn, ob es schwieriger sei, einen Kletterpartner zu finden, als einen Menschen, mit dem man sein Leben teilt. Da gebe es durchaus Gemeinsamkeiten, sagt House. Am Anfang habe man „gleiche Ziele, gleiche Ideen, gleiche Leidenschaften. Aber dann ändert sich das Leben“. Vince Anderson etwa, mit dem er als Erster die Rupalwand am Achttausender Nanga Parbat im Alpinstil durchklettert hatte, sei fünf Jahre lang ein sehr guter Partner am Berg gewesen. Jetzt aber, so Steve, habe Vince einen Sohn, mit dem er mehr Zeit verbringen wolle, und gehe deshalb seltener auf Expedition. „Menschen verändern sich eben. Genauso verhält es sich mit einem Lebenspartner. Es ist relativ leicht jemand zu finden, der ein, zwei, drei oder fünf Jahre alles mit dir teilen will. Aber ein ganzes Leben?“ Dazu gehöre deutlich mehr: Miteinander wachsen, sich füreinander interessieren, sich herausfordern. „Gemeinsam älter und weiser zu werden, ist ganz schön hart“, sagt Steve und lacht.


Steve will seine Erfahrungen an junge Bergsteiger weitergeben

Lehrer in Fels und Eis

House ist wieder häufig in den Bergen unterwegs. Bei der ersten Tour mit zwei Freunden, einer leichten Kletterei, habe er ziemlich viel Angst gehabt, gesteht Steve. „Ich misstraute meinen Händen, meinen Füßen. Ich war so nervös.“ Das habe sich inzwischen aber wieder gelegt. Seine Träume hat Steve nicht aufgegeben: etwa die Westwand des Makalu zu durchklettern oder den Gipfel des K 2 erstmals über das so genannte Sichel-Couloir in der Westwand zu erreichen. An seinem Stil werde sich trotz des schweren Sturzes nichts ändern, verspricht House. „Im Herzen bin ich ein Purist. Ich will mit möglichst wenig Ausrüstung klettern. Nur das absolute Minimum soll mich vom Berg trennen. Das verschafft die reichhaltigsten Erfahrungen.“
Die möchte Steve künftig mit jungen Bergsteigern teilen, „aber nicht in einem Klassenraum. Wenn du Tausende von Tagen mit Klettern verbracht hast, lernt dein Körper Dinge, die du nicht beschreiben, sondern nur vormachen kannst.“ Dass Steve sein Können und Wissen nun vermehrt an die nächste Klettergeneration weitergeben will, hängt auch mit seiner Erfahrung vom Mount Temple zusammen, an der Grenze zwischen Leben und Tod. „Ich denke, ich hatte das vorher schon im Kopf. Aber durch meinen Sturz ist es schärfer hervorgetreten.“ Es scheint, als sähe Steve House in vielem nun klarer.

Interview mit Extrembergsteiger Steve House

P.S. Steves Buch „Jenseits des Berges“ hatte ich euch ja schon einmal empfohlen. Wirklich lesenswert!

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Der schmale Grat https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schmale-grat/ Fri, 16 Apr 2010 14:14:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/04/16/der-schmale-grat/ Spitzenkletterer bewegen sich auf einem schmalen Grat. Die Liste der Bergabenteurer, die ihre Leidenschaft mit dem Leben bezahlt haben, ist lang. Und um ein Haar wäre sie um einen weiteren prominenten Namen länger geworden.


Mount Temple im Banff-Nationalpark

Ende März in der Nordwand des 3547 Meter hohen Mount Temple in den kanadischen Rockies: Ein Stück Fels, das Steve House als Griff genutzt hat, bricht aus der Wand. Der 39 Jahre alte Kletterer aus den USA fällt. 25 Meter tiefer landet er auf einem kleinen schneebedeckten Vorsprung. Nach einem Notruf seines Kletterpartners wird House kurze Zeit später von einem kanadischen Rettungsteam aus der Wand geholt und ins Krankenhaus gebracht. Die Diagnose der Ärzte: fünf gebrochene Rippen, zwei davon doppelt, der rechte Lungenflügel zusammengeklappt, zwei kleinere Brüche an der Hüfte, fünf kleinere an den Wirbeln. „Klingt schlimmer als es ist. Mein Zustand ist hundert Prozent stabil“, schreibt House einige Tage später im Internetportal Facebook.

Bloß nicht auf dem Normalweg

Steve House ist nicht irgendwer. Reinhold Messner nennt ihn den „derzeit besten Höhenbergsteiger der Welt“ – und das nicht ohne Grund. Am 8125 Meter hohen Nanga Parbat in Pakistan kletterte House 2005 gemeinsam mit Vince Anderson in nur sechs Tagen durch die viereinhalb Kilometer hohe Rupalwand – und das im Alpinstil: ohne Fixseile, ohne Hochlager, ohne Atemmaske, mit nur einem Schlafsack für zwei und Powerriegeln als Verpflegung. Als Steve House eine Woche nach dem Aufbruch ins Basislager zurückkehrte, wog er zehn Kilo weniger. „Je einfacher du Dinge machst, desto reichhaltiger wird die Erfahrung“, lautet das Credo des US-Kletterers. Für ihre Leistung am Nanga Parbat wurden House und Anderson mit dem Piolet d’Or, dem Golden Eispickel, ausgezeichnet, so etwas wie dem Oscar der Profibergsteiger. Den erhielt er auch für seinen Alleingang am 6942 Meter hohen K 7 in Pakistan, natürlich über eine neue Route. Denn Normalwege sind nichts für House.


Der K 2 wartet

Eigentlich wollte Steve sich in diesem Jahr am sogenannten Sichel-Couloir in der Westwand des K 2 versuchen, des mit 8611 Meter hohen zweithöchsten Bergs der Erde. Diese äußerst schwierige Route wurde erst zwei Mal angegangen, beide Male von Wojciech Kurtyka, einem der exzellenten polnischen Bergsteiger der 1970er und 80er Jahre, beide Male vergeblich. „Wir rannten einfach davon“, schreibt Kurtyka über einen seiner gescheiterten Versuche. Steve House wird sein neues Projekt nach dem Sturz in Kanada wahrscheinlich erst einmal verschieben müssen. „Ich habe noch starke Schmerzen“, schreibt House aus seinem Heimatort Terrebonne im US-Bundesstaat Oregon. Doch früher oder später wird der Spitzenkletterer sicher zurückkehren, auf den schmalen Grat.

P.S. Im August erscheint übrigens im Piper-Malik-Verlag die deutsche Ausgabe seines preisgekrönten Buchs „Beyond the mountain“.

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