Ohne Flaschensauerstoff – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Der „Schneeleopard“ vom Mount Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schneeleopard-vom-mount-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schneeleopard-vom-mount-everest/#comments Thu, 06 Dec 2018 21:57:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42899

Ang Rita Sherpa mit Urkunden des Guinness Buchs der Rekorde

Ang Rita Sherpas Everest-Rekord könnte einer für die Ewigkeit sein. Der legendäre Bergsteiger aus Nepal, den die Einheimischen ehrfurchtsvoll „Schneeleopard“ nennen, ist inzwischen 70 Jahre alt. Kein anderer hat den höchsten Berg der Erde so häufig ohne Flaschensauerstoff bestiegen wie Ang Rita in den 1980er und 90er Jahren. „Sein Rekord von neun (Besteigungen ohne Atemmaske) wird wahrscheinlich für eine lange Zeit bestehen bleiben, weil die Expeditionsanbieter inzwischen von den Climbing Sherpas verlangen, dass sie Sauerstoff benutzen“, schreibt mir Richard Salisbury von der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“.

Nicht zehnmal

Lager 4 am Südsattel

Kürzlich hatte ich über die bemerkenswerte Leistung des pakistanischen Bergsteigers Fazal Ali berichtet, der im Sommer als Erster zum dritten Mal ohne Flaschensauerstoff auf dem Gipfel des K 2, des zweithöchsten Bergs der Erde, gestanden hatte. Dabei fiel mir Ang Rita ein, der Everest-Rekordhalter. Ich hatte im Hinterkopf, dass er zehnmal ohne Atemmaske zum Gipfel aufgestiegen sei. So steht es in Zeitungs- und Internetartikeln und in Büchern, u.a. dem Guinness-Buch der Rekorde. Auch er selbst hat stets diese Zahl genannt. Streng genommen ist sie allerdings nicht korrekt, wie ich bei der Recherche in der „Himalayan Database“ feststellte und wie es mir Richard Salisbury bestätigte.

Sauerstoff zum Schlafen am Südsattel

Ang Rita ist zwar in der Tat zehnmal ohne Flaschensauerstoff zum höchsten Punkt der Erde auf 8850 Metern aufgestiegen, doch bei seinem ersten Erfolg im Mai 1983 nutzte er sowohl vor, als auch nach dem Gipfelgang zum Schlafen in Lager 4 eine Atemmaske. Darauf machte seinerzeit der US-Bergsteiger David Breashears aufmerksam. Er habe im Frühjahr 1983 am Südsattel mit Ang Rita in einem Zelt gelegen, so Breashears, und sie hätten über ein Y-Verbindungsstück dieselbe Sauerstoffflasche genutzt.

Riesenrespekt vor Ang Rita

Am Gipfel

Breashears, der in seiner Karriere fünfmal den Everest mit Atemmaske bestieg, betonte gegenüber der legendären Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley (1923-2018), dass er keinesfalls die überragende Leistung Ang Ritas schmälern wolle. Schließlich sei der Sherpa am Gipfeltag 1983 ohne Flaschensauerstoff zum Gipfel gestiegen. „Ich kann mir keinen stärkeren Kletterpartner oder Sherpa vorstellen, vor dem ich mehr Respekt hätte als vor Ang Rita“, schrieb Breashears. Bei den folgenden neun erfolgreichen Everest-Aufstiegen verzichtete der legendäre Sherpa dann auch beim Schlafen in großer Höhe auf eine Atemmaske.

19 Achttausender-Erfolge

Ang Rita wurde 1948 in Yilajung, einem kleinen Dorf im Khumbu im Osten Nepals geboren. Als Kind hütete er Yaks. Mit 15 Jahren arbeitete der Sherpa erstmals als Träger bei einer Expedition. Seinen ersten Achttausender bestieg Ang Rita 1979: den Dhaulagiri. Insgesamt brachte es Ang Rita bis zu seinem Karriereende im Jahr 1999 auf 19 Achttausender-Gipfelerfolge: Zehnmal Everest, viermal Cho Oyu, dreimal Dhaulagiri, einmal Kangchendzönga und einmal Makalu. Stets verzichtete er komplett auf Flaschensauerstoff – mit einer Ausnahme: bei der erwähnten Expedition 1983.

Nächtliche Aerobic-Übungen auf 8600 Metern

Verehrt und häufig geehrt

Der „Schneeleopard“ setzte Everest-Meilensteine. So eröffnete er 1984 mit den Slowaken Zoltan Demjan und Jozef Psotka eine neue Routenvariante über den Südpfeiler. Beim Abstieg stürzte Psotka in den Tod. Am 22. Dezember 1987 gelang Ang Rita die erste und bisher einzige Winterbesteigung des Everest ohne Atemmaske. Mit dem Koreaner Heo Young-ho, der Flaschensauerstoff atmete, erreichte der Sherpa den höchsten Punkt. Bei schlechtem Wetter waren die beiden Bergsteiger zu einem Biwak auf 8600 Metern gezwungen. „Wir verbrachten die Nacht knapp unterhalb des Gipfels“, erinnerte sich Ang Rita später, „und machten Aerobic-Übungen, um körperlich aktiv zu bleiben. Nur so kannst du dort oben überleben.“

P.S.: Ang Ritas Söhne bestiegen ebenfalls mehrmals den Everest – mit  Flaschensauerstoff: der 1971 geborene Karsang Namgyal Sherpa neunmal, Chewang Dorje Sherpa (1975 geboren) fünfmal. Karsang starb 2012 im Everest-Basislager, offenbar an den Folgen einer Alkoholvergiftung.

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Lämmle nach Makalu und Lhotse: „Taktik ist aufgegangen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/laemmle-nach-makalu-und-lhotse-taktik-ist-aufgegangen/ Wed, 06 Jun 2018 17:22:34 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41053

Thomas Lämmle auf dem Lhotse

Den fünft- und den vierthöchsten Berg der Erde bestiegen, dabei auf Flaschensauerstoff und Climbing Sherpa verzichtet – die Frühjahrssaison in Nepal lief für den deutschen Bergsteiger Thomas Lämmle wie am Schnürchen. Zunächst bestieg der 52-Jährige aus der Stadt Waldburg in Baden-Württemberg am 13. Mai den 8485 Meter hohen Makalu. Nur acht Tage später, am 21. Mai, stand Thomas auf dem 8516 Meter hohen Lhotse, in direkter Nachbarschaft des Mount Everest. Für Lämmle waren es seine Achttausender Nummer sechs und sieben nach Cho Oyu (2003), Gasherbrum II (2005 und 2013), Manaslu (2008), Shishapangma (2013) und Mount Everest (2016). Ich habe ihn nach seinen Erfahrungen befragt.

Thomas, im vergangenen Jahr bist du bei vier Gipfelversuchen am Makalu wegen schlechten Wetters gescheitert. Wie ist es dir bei deinem diesjährigen erfolgreichen Gipfelvorstoß ergangen?

Alles selbst getragen

Das Scheitern im letzten Jahr war quasi die Voraussetzung für den Erfolg in diesem Jahr. Ich bin letztes Jahr viermal vom Makalu La (7500 Meter) in Richtung Gipfel gestartet. Bei allen vier Vorstößen musste ich selber spuren und war meist alleine unterwegs. Das größte Problem war das wechselhafte Wetter und der Schneefall, der den Aufstieg behinderte. Trotz aller Wetterkapriolen erreichte ich immerhin eine Höhe von 8250 Metern. Allerdings wurde mir klar, dass der Makalu mit der Taktik von 2017 nicht im Alleingang ohne Flaschensauerstoff bestiegen werden konnte.

Das vorgeschobene Basislager (ABC) liegt mit 5700 Metern zu hoch, um eine vernünftige Regeneration zu ermöglichen. Der Weg von Lager 3 zum Gipfel ist zu lang. Außerdem wird das Lager zu spät erreicht, um sich vernünftig auf den Gipfelgang vorzubereiten. Der ist im Alleingang nur von Lager 4 aus möglich. Ich habe mir daher aufgrund meiner Erfahrungen von 2017 und meiner Erkenntnisse aus 25 Jahren höhenphysiologischer Forschung einen detaillierten Aufstiegsplan für den Makalu zurechtgelegt. Und der ist aufgegangen!

Blick auf den Hauptgipfel des Makalu

Bereits im März habe ich am Kilimandscharo trainiert und mich vorakklimatisiert. Am 10. April ging es dann nach Nepal. Am 23. April stieg ich das erste Mal ins ABC am Makalu auf. Nachdem ich in den folgenden Tagen Lager 2 (6600 Meter) und Lager 3 (7500 Meter) eingerichtet und am 3. Mai in Lager 3 übernachtet hatte, stieg ich zur Regeneration bis auf 4400 Meter ab, zu einer Yak-Alm in Langmale. Dort wartete ich, bis (der österreichische Meteorologe) Karl Gabl mir ein Wetterfenster voraussagte: Gipfeltag sollte der 12. Mai werden, allerdings mit stürmischen Tagen vorneweg.

Am 7. Mai begann ich meinen Aufstieg zum Makalu und erreichte schließlich am 10. Mai Lager 3 am Makalu La. Leider hatte sich Karl um einen Tag vertan, sodass ich zunächst drei Tage im Sturm festsaß. Am Nachmittag des 12. Mai ließ jedoch der Sturm nach, und ich konnte mein Zelt ins Lager 4 (7600 Meter) verlegen.

Auf dem Makalu

In der folgenden Nacht startete ich um 1 Uhr nachts zum Gipfelgang. Ich war zu dieser Zeit der einzige Bergsteiger am Makalu La. Auf Grund des Sturms hatte niemand zum Pass aufsteigen können. Ein herrlicher, windstiller Tag lag vor mir. Leider gab es oberhalb von Lager 4 zunächst keine Fixseile, denen ich folgen konnte. Ich benutzte daher meinen GPS-Track vom letzten Jahr und erreichte nach einiger Sucherei erst im Steilgelände die Fixseile in Richtung Gipfel. Um 15 Uhr, nach 14 Stunden Aufstieg, erreichte ich den Hauptgipfel mit den Gebetsfahnen. Fünf Stunden später war ich wieder zurück in Lager 4. Im Abstieg begegneten mir zahlreiche Sherpas mit Kunden, die alle mit Sauerstoff unterwegs waren.

Acht Tage nach diesem Erfolg standest du auf dem Lhotse, dem vierthöchsten Berg der Erde. War das im Vergleich zum Makalu fast ein Klacks oder hast du dich genauso schinden müssen?

Abstieg vom Makalu

Am 16. Mai erreichte ich das Everest-Basislager. Ich war geschockt von den Menschenmassen und dem Helikopterlärm. Ich wollte einfach nur wieder weg. Ich stieg nach Lobuche (4900 Meter) ab, um in einer Lodge zu regenerieren. Eigentlich wollte ich am 23. Mai auf dem Lhotse stehen. Doch Karl Gabl sagte starken Schneefall ab dem 22. Mai voraus und riet mir, diese Niederschlagsperiode abzuwarten und erst danach einen Gipfelversuch zu starten. Mir war unwohl bei diesem Gedanken, vielleicht war der Schnee ja schon der Vorbote des Monsuns. Also entschloss ich mich zu einer „Hauruck-Aktion“, um den Gipfel schon vor dem 22. Mai zu erreichen.

Tiefblick aus Lager 4 am Lhotse

Am Morgen des 18. Mai kehrte ich ins Everest-Basislager zurück, packte meine Sachen und stieg in der folgenden Nacht um 3 Uhr in den Khumbu-Eisfall ein. Zwölf Stunden später erreichte ich Lager 3 in der Lhotse-Wand, wo ich die nächste Nacht verbrachte. Am 20. Mai stieg ich nach Lager 4 auf 7700 Metern auf. Von dort startete ich um 23.30 Uhr Richtung Gipfel. Kurz hinter den Zelten begannen die Fixseile, die mich ins Lhotse-Couloir leiteten. Vor dieser Rinne, die an einigen Stellen nur zwei Meter breit ist, war ich mehrfach gewarnt worden. Die Gefahr, dort von Stein- oder Eisschlag getroffen zu werden, ist immens groß. Nicht so am 21. Mai – das Lhotse-Couloir war über die gesamte Länge mit festem Trittschnee aufgefüllt. Vor mir war keine Seilschaft, sodass ich ganz bequem und entspannt das Couloir hochsteigen konnte. Eine sehr makabre Begegnung hatte ich kurz unterhalb des Gipfels: Hier sitzt die mumifizierte Leiche eines russischen Bergsteigers, die im Aufstieg überstiegen werden muss. Um 8.30 Uhr stand ich dann ganz oben auf der Gipfelwechte. Es war windstill, und mir bot sich ein herrlicher Blick über den Makalu hinweg bis zum Kangchendzönga. Über die Fixseilpiste konnte ich anschließend sehr schnell abseilen und stand bereits zwei Stunden später wieder vor meinem Zelt in Lager 4.

Zwei Achttausender-Gipfel innerhalb gut einer Woche ohne Flaschensauerstoff, das verlangt dem Körper und der Psyche einiges ab. Wie sieht es nach der Heimkehr nach Deutschland in dir aus?

Lhotse-Couloir (vom Everest aus gesehen)

Es mag erstaunlich klingen, aber mit meiner Akklimatisationstaktik und der von mir entwickelten Atemtechnik war der Makalu dieses Jahr problemlos zu besteigen. Durch den Aufstieg aus 4400 Meter Höhe und den anschließenden schnellen Abstieg waren meine Leistungsverluste relativ gering. Ich ging also sehr gut akklimatisiert und kaum geschwächt an den Lhotse. Hier waren die äußeren Bedingungen extrem gut: ein stabiles Hochdruckgebiet mit entsprechend hohem Sauerstoffpartialdruck, dazu super Verhältnisse im Lhotse-Couloir. Der Aufstieg zum Lhotse hat sich sehr einfach und sehr entspannt angefühlt. Hätte ich das Geld für ein Everest-Permit gehabt, wäre ich wahrscheinlich auch noch auf den Everest gestiegen. Natürlich freue ich mich riesig, zwei relativ anspruchsvolle Achttausender „by fair means“ bestiegen zu haben – meine Nummer sechs und sieben.

Alles andere als appetitliche Bilder aus den Everest-Hochlagern haben die Debatte um das Müllproblem an den Achttausendern neu entfacht. Wie hast du die Situation erlebt?

Für den Makalu gibt es im Gegensatz zum Everest kein „Müllkonzept“. Das ABC am Makalu gleicht am Ende der Saison einer brennenden Mülldeponie: Der gesamt Abfall wird gesammelt, mit Kerosin übergossen und angezündet. Das ABC sieht dementsprechend aus. Müll aus den Hochlagern wird nicht abtransportiert und meist in Gletscherspalten versenkt. Am Makalu ist allerdings weit weniger los als am Everest, sodass sich die Verschmutzung in Grenzen hält bzw. auf relativ kleine Bereiche konzentriert.

Müll im Everest-Hochlager

Am Everest und Lhotse sieht die Sache etwas anders aus. Hier haben wir in der Hauptsaison etwa 2000 Kunden und Sherpas. Das Müllmanagement funktioniert ganz gut im Basislager und den Lagern 1 und 2 – solange kein Sauerstoff zur Fortbewegung bzw. zum Mülltransport eingesetzt werden muss. Vor allem der Südsattel (Lager 4) gleicht dagegen am Ende der Saison einer großen Müllhalde, da hier zum Abtransport des Mülls Sauerstoff nötig wäre. Diese Kosten werden natürlich vermieden. Eine Kontrolle durch die Nationalpark-Verwaltung findet in dieser Höhe nicht mehr statt. Etwas besser sieht es in Lager 3 aus, wenngleich hier der meiste Müll auch nicht abtransportiert wird, sondern in Gletscherspalten verschwindet.

Ein weit größeres Problem als der Müll am Südsattel stellt für mich persönlich der Hubschrauberlärm im gesamten Solu Khumbu dar. Im Everest-Basislager fühlt man sich an sonnigen Tagen wie auf einem Großflughafen. Alle fünf bis zehn Minuten startet oder landet ein Helikopter. Der Lärm ist teilweise unerträglich und passt so gar nicht in den Everest-Nationalpark. Laut Aussage eines Helikopterpiloten gibt es in Nepal inzwischen 38 Hubschrauber, die vornehmlich im Solu Khumbu für touristische Flüge und so genannte „Rettungsflüge“ eingesetzt werden. Ein nettes Beispiel hierzu sind die Teilnehmer einer chinesischen Expedition, die sich wegen schlechter Wetteraussichten aus dem Basislager kurzerhand nach Kathmandu ins Hotel fliegen ließen – um dann eine Woche später, bei besserer Wetterprognose, wieder zurückzufliegen und den Berg ab Lager 2 mit persönlichem Sherpa und Sauerstoff zu besteigen.

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Doch keine Everest-Besteigungen ohne Atemmaske https://blogs.dw.com/abenteuersport/doch-keine-everest-besteigungen-ohne-atemmaske/ Fri, 01 Jun 2018 12:22:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41015

Mount Everest (l.) im ersten Tageslicht

Eigentlich ist es doch ganz einfach. Ein Everest-Gipfelerfolg ohne Flaschensauerstoff bedeutet, dass der Bergsteiger nicht zur Atemmaske gegriffen hat. Und genau deshalb waren die beiden einzigen in dieser Frühjahrssaison vom höchsten Berg der Erde vermeldeten Besteigungen ohne Flaschensauerstoff zwar Gipfelerfolge, mehr aber nicht! Die deutsche Bergsteigerin und Journalistin Billi Bierling, Chefin der Chronik „Himalayan Database“, informierte mich heute darüber, dass Tenjing Sherpa (oft auch „Tenji“ genannt) am 24. Mai am Südgipfel auf 8750 Metern, also 100 Meter unterhalb des Hauptgipfels, zur Flasche gegriffen habe. Es sei windig gewesen, der 26-Jährige habe keine Erfrierungen riskieren wollen, so Billi nach dem „Debriefing“ mit Tenji und dessen britischem Kletterpartner Jon Griffith. Lakpa Dendi Sherpa sei sogar schon vom knapp 8000 Meter hohen Südsattel aus mit Flaschen-Sauerstoff aufgestiegen, informierte mich die Chronistin.

Keine Richtigstellung

Am Gipfeltag hatte das noch ganz anders geklungen. Da hatte Iswari Poudel, Chef des nepalesischen Expeditionsveranstalters „Himalayan Guides“ noch gegenüber der Zeitung „Himalayan Times“ erklärt, sowohl Tenjing, als auch Lakpa Dendi Sherpa hätten bei ihren Aufstiegen auf Flaschensauerstoff verzichtet. War bei der Kommunikation über Funk etwas falsch verstanden worden? Hatte man gar nicht darüber gesprochen, ob die Bergsteiger Atemmasken verwendet hatten? Oder wurde hier bewusst eine Falschmeldung lanciert, um den Erfolg schlagzeilenträchtig zu vermarkten? Wie auch immer, die Information, dass Tenjing und Lakpa Dendi ohne Atemmaske den Everest bestiegen hätten, verbreitete sich weltweit. Und weder die beiden genannten Bergsteiger, noch der Expeditionsveranstalter stellten die Sache anschließend richtig. Das finde ich nicht nur unsportlich, sondern auch unredlich.

Falschmeldung auch vom Makalu

Makalu

Ungewöhnlich ist es leider nicht mehr. So wurde in dieser Woche auch vermeldet, dass der 69 Jahre alte polnische Bergsteiger Lech Flaczynski und sein Sohn Wojciech den Gipfel des Achttausenders Makalu erreicht hätten. Laut Billi Bierling war jedoch nur der Sohn, nicht aber der Vater ganz oben. Der hatte später per Rettungshubschrauber ausgeflogen werden müssen, weil er sich wegen starker Bauchschmerzen kaum noch bewegen konnte.

Die Fälle häufen sich, in denen es vor allem Expeditionsveranstalter mit der Wahrheit nicht so genau nehmen oder wichtige Details unterschlagen. Ich finde diese Entwicklung bedenklich. Und schade. Wie wär’s mit ehrlich?

Update 20 Uhr: Ich muss mich insofern korrigieren, dass Tenji Sherpa vor drei Tagen auf Instagram gepostet hat, dass er vom Südgipfel an Flaschensauerstoff nutzte. Vom Expeditions-Veranstalter war jedoch nichts dergleichen zu hören.

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Erfolge an Everest und Lhotse ohne Atemmaske, drei 8000er in 25 Tagen https://blogs.dw.com/abenteuersport/erfolge-an-everest-und-lhotse-ohne-atemmaske-drei-8000er-in-25-tagen/ Thu, 24 May 2018 11:20:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40913

Tenjing Sherpa am Everest

Das Schönwetterfenster im Himalaya ist beeindruckend lang. Seit der ersten Besteigung des Mount Everest in diesem Frühjahr am 13. Mai durch das Sherpa-Team, das auf der Südseite die Fixseile bis zum Gipfel gelegt hatte, erreichten Tag für Tag Bergsteiger den höchsten Punkt auf 8850 Metern. Mehrere hundert Gipfelerfolge wurden inzwischen gezählt. Heute gelang es auch Tenjing Sherpa, und das ohne Flaschensauerstoff.  Der 26-Jährige will direkt anschließend noch den Lhotse besteigen, falls es die Verhältnisse zulassen.  Laut Iswari Poudel, Geschäftsführer des Expeditionsveranstalters „Himalayan Guides“ gelangte heute neben Tenjing auch Lakpa Dendi Sherpa ohne Atemmaske auf den Gipfel. Es sei bereits Lakpas dritter (!) Aufstieg zum Gipfel des Everest in dieser Saison gewesen, sagte Poudel.

Colibasanu und Hamor geben auf

Horia Colibasanu (r.) und Peter Hamor (l.)

Der Brite Jon Griffith, der Tenjing Sherpa als Fotograf und Filmer auf den Gipfel begleitete, nutzte beim Aufstieg Flaschensauerstoff.  Die beiden wollen mit ihrer Expedition an den vor einem Jahr am Fast-Achttausender Nuptse abgestürzten Schweizer Top-Bergsteiger Ueli Steck erinnern. Ueli und Tenjing hatten 2017 eine Everest-Lhotse-Traverse ohne Flaschensauerstoff über den Everest-Westgrat geplant. Genau das hatten sich für dieses Frühjahr auch der Rumäne Horia Colibasanu und der Slowake Peter Hamor vorgenommen. Sie erklärten heute ihre Expedition für beendet. Die Lawinengefahr auf der Route sei zu groß, begründete Horia die Entscheidung. Die beiden waren bis auf eine Höhe von 7500 Metern aufgestiegen.

Lämmle ohne Atemmaske auch auf dem Lhotse

Thomas Lämmle auf dem Lhotse

Bereits am vergangenen Sonntag erreichte der deutsche Bergsteiger Thomas Lämmle den 8516 Meter hohen Gipfel des Lhotse, nur acht Tage nach seinem Erfolg am Makalu. „Im gleichen Stil: Alleine, ohne Sauerstoff, und ich habe die ganze Ausrüstung (Zelt, Kocher, Essen, Schlafsack, etc.) selbst getragen“, schrieb Lämmle gestern auf Facebook. Für den 52-Jährigen aus der Stadt Waldburg in Baden-Württemberg war der Lhotse der siebte Achttausender nach Cho Oyu (2003), Gasherbrum II (2005 und 2013), Manaslu (2008), Shishapangma (2013), Mount Everest (2016) und Makalu.

Drei der vier höchsten Berge der Welt in 25 Tagen

Nima Jangmu Sherpa

Eine außergewöhnliche Leistung gelang auch Nima Jangmu Sherpa. Die 27-Jährige erreichte gestern als erste Frau aus Nepal den 8586 Meter hohen Gipfel des Kangchendzönga. Damit bestieg die Sherpani innerhalb von 25 Tagen die drei höchsten Berge Nepals, die gleichzeitig drei der vier höchsten der Welt sind. Am 29. April hatte Nima Jangmu bereits auf dem Lhotse gestanden, am 14. Mai auf dem Mount Everest – jeweils mit Atemmaske. Drei Achttausender in einer Saison hatte 2008 auch die Französin Elisabeth Revol bestiegen. Zwischen ihren Aufstiegen am Broad Peak, Gasherbrum I und Gasherbrum II, ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung, hatten nur 16 Tage gelegen.

Neben Nima Jangmu Sherpa gelang einer weiteren Bergsteigerin aus dem Team des nepalesischen Veranstalters „Imagine“ ein Gipfelerfolg am Kangchendzönga. Die Chinesin Dong Hong Juan stand auf ihrem 13. Achttausender.

Update 25. Mai: Nach Informationen von Iswari Paudel, Chef von Himalayan Guides Nepal Treks & Expedition P. Ltd., hat Tenji Sherpa nach seinem gestrigen Everest-Gipfelerfolg beschlossen, auf die Besteigung des Lhotse zu verzichten und ins Basislager abzusteigen.

Update 1. Juni: Billi Bierling informiert mich, dass Tenjing oberhalb des Südgipfels (8750 Meter) und Lakpa Dendi oberhab des Südsattels (7900 Meter) Flaschensauerstoff genutzt hätten. Das heißt: keine Everest-Gipfelerfolge ohne Atemmaske in dieser Frühjahrssaison.

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Vor 40 Jahren: Messner und Habeler ohne Atemmaske auf dem Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-40-jahren-messner-und-habeler-ohne-atemmaske-auf-dem-everest/ Sat, 05 May 2018 20:23:18 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40551

Habeler (r.) und Messner (1975)

Es war eine Pioniertat, doch die Spuren sind überschaubar. Am Dienstag jährt sich zum 40. Mal der Tag, an dem der Südtiroler Reinhold Messner und der Nordtiroler Peter Habeler als erste Menschen den 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest ohne Flaschensauerstoff erreichten und damit bewiesen, dass es möglich ist. Üblich ist es dadurch nicht geworden. Laut der Bergsteiger-Chronik Himalayan Database ist der höchste Berg der Erde inzwischen 8219-mal bestiegen worden, nur bei 202 Gipfelerfolgen verzichteten die Bergsteiger auf Atemmasken. Das entspricht einem Anteil von 2,5 Prozent. Auch in diesem Jahr dürfte er kaum höher liegen.

„Sind wir noch bei Trost?“

Everest-Südseite

Es habe im Vorfeld jede Menge Kritiker und Skeptiker gegeben, erzählte mir Reinhold Messner einmal in einem Interview. Das habe ihn zusätzlich angespornt. „Im Grunde wollte ich damals nur ein Exempel statuieren, einen Versuch machen. Ich wusste nicht, wie weit ich komme.“ Auch während des Aufstiegs am 8. Mai 1978 hätten Habeler und er durchaus noch Zweifel gehabt, ob sie aus dieser Nummer schadlos herauskommen würden, sagte Messner: „Bei jeder Pause haben wir uns angeschaut: Sind wir noch bei Trost? Ist es noch verantwortbar oder nicht?“ Bei minus 40 Grad Celsius und heftigem Sturm kämpften sie sich hinauf. „Wir haben in der Schlussphase wirklich mehr auf Knien und Händen als gehend den Gipfel erreicht, sonst wären wir vom Grat gefegt worden“, berichtete Messner.

Nichts wie runter!

Peter Habeler heute

Für Peter Habeler war es nach eigenen Worten „ein sehr emotionaler Moment“, als sie schließlich auf dem Dach der Welt standen. Richtig genießen konnte er ihn nicht. „Ich weiß noch, dass ich Angst hatte“, erzählte mit Habeler, als ich ihn vor einigen Monaten traf. „Ich bin sehr unruhig geworden, weil ich runterwollte. Ich habe mir gedacht: Hoppla, wie komme ich denn jetzt über den Hillary Step wieder runter, ohne Sicherung? Der Schnee war dort in einem schlechten Zustand, das hatten wir beim Aufstieg gemerkt. Ich dachte, jetzt bricht da ein Tritt raus, und dann fliegst du oabi. Aber irgendwie ist es gegangen.“ Nach der Heimkehr sei er von dem gewaltigen Medienecho überrascht worden, erzählte Habeler: „Das war ein regelrechter Hype.“

Gefesselter Berg

Reinhold Messner

Auch heute gibt es noch einen Everest-Medienhype, nur dass er selten mit Besteigungen ohne Flaschensauerstoff zu tun hat, sondern eher mit der Masse an Bergsteigern, die sich Jahr für Jahr am höchsten aller Berge versuchen. „Wenn ich tausend Leute im Basislager habe, von denen 540 bei einem Schönwetterfenster einsteigen wollen, ist mir das nicht geheuer“, sagte Habeler. „Das wäre nicht meine Art, Berge zu besteigen. Heute ist der Everest ein gefesselter Berg.“ Da sind sich die beiden Pioniere von einst einig. „Ich werde sicherlich nicht mehr ohne Atemmaske auf den Everest steigen“, sagte mir Reinhold Messner anlässlich seines 70. Geburtstags im September 2014. „Ich will nicht in meinen späten Jahren an den Bergen umkommen, nachdem ich 65 Jahre lang alles getan habe, um das Sterben am Berg zu vermeiden. Aber mit zwei Sauerstoffflaschen und zwei Sherpas, von denen einer vorne zieht und einer hinten schiebt, nochmals auf den Everest steigen? Das ist meine Sache nicht.“

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Txikon zum Everest, Lunger und Moro nach Sibirien https://blogs.dw.com/abenteuersport/txikon-zum-everest-lunger-und-moro-nach-sibirien/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/txikon-zum-everest-lunger-und-moro-nach-sibirien/#comments Fri, 22 Dec 2017 14:59:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38975

Lunger, Moro, Ali und Txikon (v.l.) 2016 am Nanga Parbat

Ich lag falsch mit meiner Vermutung. Das Dream Team vom Nanga Parbat 2016 wird sich in diesem Winter nicht am Mount Everest zusammenfinden, sondern getrennte Wege gehen. Heute verkündete der Spanier Alex Txikon, dass er zusammen mit dem 41 Jahre alten Pakistani Muhammad Ali „Sadpara“ versuchen werde, den höchsten Berg der Erde ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Die anderen beiden Mitglieder des Nanga-Gipfelteams, den Italiener Simone Moro und die Südtirolerin Tamara Lunger, zieht es dagegen ins eiskalte Sibirien.

Kräfte für oben schonen

Alex Txikon Everest-Basislager (Februar 2017)

Alex Txikon wird nach seinem gescheiterten Versuch im vergangenen Winter einen neuen Anlauf am Everest machen. Damals war der Baske mit einem Sherpa-Team einmal bis zum Südsattel auf 7950 Meter Höhe aufgestiegen, hatte dann aber wegen stürmischer Winde umdrehen müssen. „Das Problem ist nicht die Kälte, sondern der Wind“, sagte der 36-Jährige. „Es werden Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 km/h herrschen und Temperaturen von minus 60 Grad Celsius. Am Gipfeltag darf der Wind aber nicht mit mehr als 40 km/h wehen.“ Zwischen dem 1. und 3. Januar werde das laut Alex „kleine Team“ im Basislager auf rund 5300 Meter Höhe eintreffen. Txikon will sich diesmal die Kräfte besser einteilen. „Wir werden versuchen, uns nicht zu viel Gewicht aufzuladen. Der Schlüssel wird darin liegen, nicht wie im letzten Jahr neun Tage in Folge zu arbeiten und sich schon in den unteren Bereichen aufzureiben, sondern die Kräfte für oben zu schonen.“

Im Grenzbereich des Möglichen

Mount Everest

Im meteorologischen Winter gab es am Mount Everest bisher 15 Gipfelerfolge. Für die Wetterforscher beginnt die kalte Jahreszeit bereits am 1. Dezember, während der kalendarische Winter erst mit der Wintersonnenwende am 21. oder 22. Dezember startet. Die Polen Krzysztof Wielicki und Leszek Cichy erreichten am 17. Februar 1980 den Gipfel des Everest, ihnen gelang damit die erste Winterbesteigung eines Achttausenders überhaupt. Seit Ende 1993 war kein Mensch mehr im Winter auf dem 8850 Meter hohen Gipfel. Der Einzige, der den höchsten Berg der Erde bisher im Winter ohne Atemmaske bestieg, war der Sherpa Ang Rita am 22. Dezember 1987. Das Wetter an diesem Tag war ungewöhnlich gut. Die große Kälte im Winter sorgt normalerweise dafür, dass der Luftdruck im Gipfelbereich noch weiter absinkt. Ein Aufstieg ohne Atemmaske liegt dann im absoluten Grenzbereich des Möglichen.

Saukalter Berg

Pik Pobeda in Ostsibirien

Auch die 31 Jahre alte Tamara Lunger und der 50-jährige Simone Moro werden in Grenzbereiche vordringen müssen. Sie haben sich vorgenommen, den 3003 Meter hohen Pik Pobeda im Osten Sibiriens zu besteigen. Der Berg (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen 7439 Meter hohen Gipfel in Kirgistan) liegt nur rund 140 Kilometer südlich des Polarkreises. Dass es „sau-, sau-, saukalt“ wird, wie Tamara mir verraten hatte, scheint garantiert. Das 250 Kilometer südwestlich des Pobeda gelegene Oimjakon gilt als die kälteste Stadt der Welt. Umstritten ist, ob dort wirklich einmal minus 71,2 Grad Celsius gemessen wurden, unstrittig ist jedoch, dass die Durchschnittstemperatur (!) in der russischen Stadt im Winter bei minus 50 Grad liegt. „Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es dann auf dem Berg sein wird“, schreibt Simone Moro auf Facebook. „Niemand hat diesen Berg bisher im Winter bestiegen und ich kann mir leicht denken, warum.“ Am 22. Januar geht es los.

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Stitzinger nach Manaslu-Erfolg: „Es weht ein anderer Wind“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/stitzinger-nach-manaslu-erfolg-es-weht-ein-anderer-wind/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/stitzinger-nach-manaslu-erfolg-es-weht-ein-anderer-wind/#comments Fri, 06 Oct 2017 07:43:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38043

Luis Stitzinger (l.) und Alix von Melle (r.) am Gipfel des Manaslu

„Trotz Vorahnung waren wir bass erstaunt, was dort geboten wurde“, sagt mir Luis Stitzinger nach seiner Rückkehr vom Manaslu. „Das war eine wahre Zeltstadt im Basislager.“ Der 48-Jährige hatte – wie berichtet – am vergangenen Samstag ein achtköpfiges Team des deutschen Expeditionsveranstalters Amical alpin auf den 8163 Meter Gipfel in Nepal geführt. Mit Luis erreichte auch seine zwei Jahre jüngere Ehefrau Alix von Melle den höchsten Punkt. Für beide war es der siebte Achttausender und der sechste, den sie gemeinsam bestiegen, allesamt ohne Flaschensauerstoff. Gleich zu Beginn der Expedition hatten sich elf der 14 Mitglieder des Amical-Teams bei erkälteten Trägern angesteckt. „Das war ein schlechter Start“, sagt Luis. „Einige mussten die ganze Sache sogar abbrechen. Das war schade, das hat uns ganz schön dezimiert.“ Ich erreiche Luis telefonisch in einem Hotel in Kathmandu:

Luis, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum siebten Achttausender. Wie ist es euch am Gipfeltag ergangen?

Der späte Aufstieg war durch die Krankheitswelle bedingt. Es war aber auch teilweise Kalkül. An den Spitzen-Gipfeltagen zwischen dem 26. und 28. September war ein solcher Almauftrieb, dass es uns sicher wenig Spaß gemacht hätte, da mitmischen zu müssen. Zum Glück blieb aber das Wetter sehr lange stabil. Man hat mir erzählt, dass es im letzten Jahr zwei mögliche Gipfeltage gab. Diesmal war es ein großes Schönwetterfenster von  zwei Wochen.

Schlange am Manaslu

Wir hatten uns relativ weit hinten positioniert, was im Endeffekt ein Glück war. Wir hatten freie Bahn, es waren kaum noch Leute unterwegs. Der vergangene Samstag, der 30. September, war ein guter Gipfeltag. Morgens war es noch etwas windig, deshalb sind wir erst gegen 4.30 Uhr aufgebrochen. Der Wind ließ aber schon am ersten Plateau nach, dort wehte es vielleicht noch mit 15, 20 Stundenkilometern.

Mit uns waren nur etwa ein halbes Dutzend Bergsteiger unterwegs, ein paar Spanier und Russen. Durch das große Aufkommen an Bergsteigern zuvor war die Spur sehr gut ausgeprägt. Zu Beginn der Saison waren die Schlüsselstellen der Route bis zum Gipfel von einem Team des Veranstalters Seven Summit Treks mit Fixseilen gesichert worden. Der Gipfelgang war daher für uns recht entspannt und aufgrund des Wetters sogar ein richtiger Genuss.

Blick vom Gipfel

Ihr seid allesamt ohne Flaschensauerstoff aufgestiegen. Das scheint mittlerweile am Manaslu die Ausnahme zu sein.

Wir waren ja 2012 schon einmal im Frühjahr am Manaslu. Da waren die meisten ohne Sauerstoff unterwegs. Das war jetzt im Herbst 2017 ganz anders. Drei Viertel der Bergsteiger, wenn nicht sogar mehr, gingen mit Sauerstoff. Es hat uns schon ein bisschen schockiert, wenn du Leute siehst, die schon ab Lager 1 (auf 5700 Metern) mit Atemmaske gehen. Ich habe sogar Leute gesehen, die von Lager 1 zum Basislager mit Sauerstoff abstiegen.

Da ist schon ein neuer Typ von Expeditionskunden unterwegs. Es waren sehr viele chinesische Bergsteiger dabei, die keine Kosten und Mühen gescheut haben, um auf den Gipfel zu kommen. Oder auch russische Anbieter, die mit allem geklotzt haben: teilweise zwei Climbing Sherpas pro Kunde, Sauerstoff von Lager 1 bis zum Gipfel, und zum Schlafen auch noch. Da weht mittlerweile ein anderer Wind.

Diese große Masse an Bergsteigern an einem Berg, wie am Everest, Cho Oyu oder jetzt am Manaslu, führt auch zu einer Anonymisierung des ganzen Betriebs. Uns ist zweimal aus Zelten Ausrüstung gestohlen worden. Wenn jemand aus dem Hochlager Steigeisen klaut, muss ihm klar sein, dass für den Bestohlenen der Aufstieg zumindest an diesem Tag zu Ende ist. Das finde ich ganz schön übel.  

Das klingt fast wie eine Beschreibung der Auswüchse am Everest.

Ich würde auch sagen, dass der Manaslu der neue Everest ist. Das ist nicht übertrieben. Es liegt natürlich auch daran, dass Tibet in diesem Jahr dicht war. Aber ich glaube, dass viele Veranstalter, die hier diese Luxusschiene fahren, den Manaslu für sich als vermeintlich leichten Achttausender entdeckt haben.

Im Aufstieg

Gab es denn Absprachen zwischen den einzelnen Veranstaltern, wer wann geht, damit es keine Staus auf der Route gibt?

Nein, davon habe ich jedenfalls nichts mitbekommen. Die haben sich einfach den besten Tag ausgesucht und sind losgezogen. Gerade an diesen Spitzentagen hat es große Staus gegeben, vor allem an den schwierigen Passagen zwischen Lager 1 und 2 sowie zwischen Lager 3 und 4. Das erinnerte fast an die Bilder vom Everest. Ich glaube, da gab es Probleme und Unmut bei denen, die wegen der langsamen Gruppen nicht vorwärts kamen.  

Da kann man ja nur froh sein, dass die Lawinengefahr in diesem Herbst am Manaslu offenkundig geringer war als sonst.

Lawinengefahr herrschte in dieser Saison so gut wie gar nicht. Es hat nur ein-, zweimal ein bisschen mehr geschneit, aber der Neuschnee hat sich sofort gesetzt.

Zuletzt gab es immer wieder Berichte von Bergsteigern, dass man die Auswirkungen des Klimawandels auch am Manaslu ganz deutlich sehe. Du warst 2012 schon mal dort. Hast du die Veränderungen auch registriert?

Damals waren wir im Frühjahr dort, als überall noch der Schnee des Winters lag, jetzt im Herbst, das kann mich nicht richtig vergleichen. Aber man sieht schon, dass der Gletscher markant zurückgeht. Am Manaslu North etwa schaut sehr viel Fels heraus, wo vor Jahren noch ununterbrochene Riffeleisflanken waren. Überall läuft das Wasser. Man kann die Folgen des Klimawandels am Manaslu deutlich sehen.

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Hans Wenzl: „Ganz alleine auf dem Everest“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/hans-wenzl-ganz-alleine-auf-dem-everest/ Thu, 01 Jun 2017 10:39:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36521

Hans Wenzl am Gipfel des Mount Everest

Es war eine Energieleistung. Am vergangenen Samstag erreichte der Österreicher Hans Wenzlwie berichtet – trotz widriger Wetterbedingungen von der nepalesischen Südseite aus den höchsten Punkt der Erde auf 8850 Metern, und das ohne Flaschensauerstoff. Der Mount Everest war bereits der achte Achttausender, den Hans ohne Atemmaske bestieg. Zuvor stand er bereits auf den Gipfeln Broad Peak, Nanga Parbat, Gasherbrum I und II,  Manaslu, Cho Oyu und Makalu. Außerdem erreichte er 2005 an der Shishapangma den 8008 Meter hohen Zentralgipfel, der 19 Meter niedriger ist als der Hauptgipfel. Sein Fernziel ist, die Achttausender-Sammlung ohne Flaschensauerstoff zu vervollständigen. Dabei ist der 46-Jährige kein Profi-Bergsteiger. Wenzl verdient sein Geld als Polier bei einem österreichischen Baukonzern, für seine Expeditionen nimmt er Urlaub. Hans lebt im 2500-Einwohner-Ort Metnitz im Norden Kärntens, mit seiner Frau Sonja hat er zwei erwachsene Söhne. Er hat auf meine Fragen geantwortet, die ich ihm nach Nepal geschickt hatte.

Hans, zunächst einmal einen ganz herzlichen Glückwunsch zu deinem Erfolg. Du bist am vergangenen Samstag das letzte Stück zum Everest-Gipfel alleine aufgestiegen, im Gegensatz zu deinem Teamkollegen Ferran Latorre ohne Flaschensauerstoff. Wie ist es dir beim Aufstieg im Gipfelbereich ergangen?

Ich habe den Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen. Es war für mich auch nie ein Thema, eventuell zur Atemmaske zu greifen! Ich hätte nicht gedacht, dass der Aufstieg von Lager 4  bis zum Gipfel so lang ist. Dazu war es recht windig und nebelig.

Am Ziel: Der höchste Punkt der Erde

Konntest du überhaupt noch an irgendetwas denken, als du nach den Strapazen den höchsten Punkt erreicht hattest?

Ich war natürlich langsamer als die Sauerstoff-Geher. Aber es war nicht so, dass ich nicht mehr konnte, als ich am Gipfel war. Ich war ca. 20 Minuten alleine oben, etwa zwischen 12.30 Uhr und 13 Uhr Ortszeit. Und ich dachte: Jetzt bin ich hier am höchsten Punkt der Erde und ganz alleine. Ich habe es geschafft, ohne Sauerstoff. Ich wusste es!

Viele sagen, der Abstieg ist eigentlich gefährlicher, weil das große Ziel erreicht ist, die Kräfte nachlassen und auch die Konzentration. Wie hast du den Abstieg zum Südsattel erlebt?

Der Abstieg war wirklich sehr anstrengend, besonders über den Hillary Step. Ich bin dort auch gestürzt. Die Zeit, noch bei Tageslicht zum Südsattel zurückzukommen, wurde kurz. Es war auch niemand mehr auf der Strecke. Ich musste mich beim Absteigen sehr konzentrieren, um schnell genug und sicher herunterzukommen.

Der Everest war dein achter Achttausender ohne Flaschensauerstoff. Wie ordnest du den Gipfelerfolg ein, wenn du an die vorherigen sieben Besteigungen denkst?

Durch die Höhe und ohne Flaschensauerstoff war der Everest wohl der bisher härteste Gipfel für mich.

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Am kurzen Seil? https://blogs.dw.com/abenteuersport/am-kurzen-seil/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/am-kurzen-seil/#comments Wed, 31 May 2017 19:20:15 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36513

Ballinger am Gipfel des Mount Everest

Dass Adrian Ballinger am vergangenen Samstag den Gipfel des Mount Everest ohne Flaschensauerstoff erreicht hat, ist unstrittig. Doch über das „Wie“ ist eine Debatte entbrannt. Auslöser war mein Artikel über ein Gespräch mit Ralf Dujmovits am Montag, zwei Tage nach seinem auf der Everest-Nordseite in einer Höhe von  8580 Metern gescheiterten Versuch ohne Atemmaske. Darin hatte der 55 Jahre alte deutsche Bergsteiger dem US-Amerikaner Ballinger vorgeworfen, zwar in Echtzeit in den sozialen Netzwerken über den Aufstieg berichtet, einige Fakten aber verschwiegen zu haben. So sei Adrian beim Abstieg von einem ecuadorianischen Bergführer am kurzen Seil geführt worden. Das Ballinger-Lager reagierte prompt.

Richards: „Adrian hat sich jeden Schritt erarbeitet“

Gipfel des Mount Everest (vom Nordostgrat aus gesehen)

„Ich bin mit ihm den ganzen Weg vom Basislager aus hinauf- und herabgestiegen, und ich kann sagen, dass er während des Abstiegs niemals am kurzen Seil war, wie Ralf fälschlicherweise behauptet“, schrieb Esteban, genannt „Topo“, Mena, besagter Bergführer aus Ecuador, der für Adrian Ballingers Unternehmen Alpenglow Expeditions arbeitet. „Diese Information ist nicht korrekt und sollte sofort korrigiert werden.“ Und auch Cory Richards – der Ballinger bis zum höchsten Punkt begleitet und im Gipfelbereich Flaschensauerstoff verwendet hatte, weil er sich nicht gut fühlte – widersprach Dujmovits: „Topo war da. Seine Worte werden von (den Sherpas) Pasang und Palden bestätigt. Ralf war ganz einfach nicht da.“ Dujmovits‘ Vorwurf, Ballinger sei bei seinem Auf- und Abstieg von einem großen Team unterstützt worden, sei „offen gesagt, dämlich“, fuhr Richards fort: „Adrian hat sich jeden Schritt seines Gipfelerfolgs erarbeitet.“ Er appellierte an Dujmovits und Ballinger, doch auf das jeweils Erreichte stolz zu sein, anstatt zu streiten. „Es gibt keinen Raum für Machtkämpfe in unserer Sippe, dafür ist sie zu klein.“

Schlagzeilenträchtiges Bild

Wer sich nicht regelmäßig mit dem Geschehen am Everest auseinandersetzt, wird sich vielleicht fragen, was denn so schlimm daran ist, am kurzen Seil zu gehen. In den Alpen etwa praktizieren Seilschaften diese Technik doch auch. Schon, aber am Everest verbindet man damit eben jenes immer wiederkehrende Bild, das seit den 1990er-Jahren regelmäßig für Schlagzeilen sorgt: In technisch eher leichtem Gelände zieht ein Sherpa seinen sichtlich überforderten Kunden am kurzen Seil den Berg hinauf Richtung Gipfel. Die Botschaft ist klar: Der Hintere gehört eigentlich nicht an diesen Berg. Ein guter Bergsteiger, der eigenverantwortlich am Everest unterwegs ist, hat das nicht nötig – es sei denn, er gerät in ernsthafte Not.

Die letzten zehn Minuten zum Gipfel

Ralf Dujmovits am Everest

Ich habe nach den Reaktionen des Ballinger-Lagers noch einmal bei Ralf Dujmovits nachgefragt. Er räumt ein, dass er in Sachen Abstieg am kurzen Seil einer falschen Information aufgesessen sei, bleibt jedoch bei seiner grundsätzlichen Kritik. „Auf genaues, persönliches Nachfragen hin sowohl bei Adrian als auch Cory kann ich dir sagen, dass Adrian von einem der Sherpas (Palden, Mingma, Pasang Rinji) die letzten zehn Minuten zum Gipfel am kurzen Seil geführt wurde. Hierfür gibt es Augenzeugen“, schreibt mir Ralf. „Das hat ebenfalls mit selbstständigem Bergsteigen nichts zu tun. Wenn dem Team Ballinger daran gelegen wäre, sich um eine korrekte Darstellung zu bemühen, wäre dieser Fakt von ihnen aus angesprochen worden.“ Letzteres sei auch der zentrale Punkt seiner Kritik, so Ralf: „Es geht mir darum, dass von Profis, gerade wenn so viel medialer Aufwand getrieben wird, korrekt berichtet wird – Positives, aber auch Negatives –, und dass eben nicht durch Weglassen bewusst ein falsches Bild erzeugt wird.“

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Ralf Dujmovits: „Mein definitiv letzter Everest-Versuch“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-mein-definitiv-letzter-everest-versuch/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-mein-definitiv-letzter-everest-versuch/#comments Tue, 28 Mar 2017 13:05:48 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35601

Ralf Dujmovits

Sag niemals nie! Das ist nicht nur der Titel eines alten James-Bond-Films, sondern könnte auch über der persönlichen Geschichte Ralf Dujmovits‘ am Mount Everest stehen. Dabei hatte der erste und bisher einzige Deutsche, der auf allen 14 Achttausendern stand, den höchsten Berg der Erde gleich bei seinem ersten Versuch im Herbst 1992 bestiegen. Wegen des schlechten Wetters hatte er oberhalb des Südsattels jedoch zu Flaschensauerstoff gegriffen. „Ich war damals noch sehr jung. Es war ein Fehler“, sagt Ralf heute.

Die anderen 13 Achttausender bestieg er schließlich allesamt ohne Atemmaske. Und so versuchte er hinterher immer wieder, diese Everest-Scharte auszuwetzen. Vergeblich. 1996, 2005, 2010, 2012, 2014 und 2015 kehrte er, aus unterschiedlichen Gründen, ohne Gipfelerfolg zurück. In diesem Frühjahr will es der 55-Jährige noch einmal wissen. Zum achten Mal reist er zum Mount Everest, zum fünften Mal auf die tibetische Nordseite des Bergs. Zuvor will er sich in Nepal mit seiner kanadischen Lebensgefährtin Nancy Hansen bei einer Besteigung des 6501 Meter hohen Cholatse im Khumbu-Gebiet vorakklimatisieren. Ralf ist inzwischen in Kathmandu eingetroffen. Ich habe unmittelbar vor seiner Abreise mit ihm gesprochen.

Ralf, der Everest und du – man könnte fast sagen, ihr habt eine Beziehung.

Ralf und der Mount Everest (Südseite, 2012)

Ja, klar. Wenn man so oft dort unterwegs war – es wird jetzt das achte Mal sein –, dann entsteht ein fast schon persönliches Verhältnis. Aber ich genieße das auch ein Stück weit. Ich bin immer gerne am Everest unterwegs gewesen. Ich freue mich auch jetzt. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin ein bisschen nervös, weil ich mir wirklich fest vorgenommen habe, dass es diesmal definitiv das letzte Mal ist. Das habe ich auch meinen Freunden gesagt.

Und alle haben gelacht.

Zunächst ja. Aber dann haben sie mich doch noch für voll genommen, als ich es wieder und wieder bestätigt habe: das definitiv letzte Mal! Insofern möchte ich mir jetzt mit meinem Partner Everest noch mal alle Mühe geben und dann hoffentlich auch hinauf kommen.

Dujmovits: Definitiv das letzte Mal

Du wirst jetzt zum achten Mal dort sein. Wird man da lockerer oder verkrampfter?

Obwohl ich derzeit etwas angespannt bin, werde ich wohl bei der Besteigung etwas lockerer sein. Ich hatte einige Jahre, in denen ich schon mit einer gewissen Verkrampftheit an die Nordwand gegangen bin. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Anschließend wollte ich in den letzten Jahren unbedingt die Messner-Variante. [Bei seiner Solo-Besteigung 1980 querte Reinhold Messner ins Norton-Couloir und stieg von dort aus zum Gipfel.] Auch das hat nicht geklappt. Ich habe mir jetzt gesagt, ich gehe ganz entspannt über den tibetischen Normalweg. Und alles Weitere wird man dann sehen.

Aber du wirst diesmal nicht alleine aufsteigen.

Alleine sowieso nicht. Am Everest bist du nie alleine. Ich werde am Berg gemeinsam mit dem Rumänen Horia Colibasanu unterwegs sein. Wir werden uns wahrscheinlich dort oben auch das Zelt teilen. Ich habe zudem einen Sherpa engagiert, der für mich eine Flasche Sauerstoff mitträgt. Wenn ich merken sollte, dass es für mich dort oben ungesund wird, würde ich unter Umständen auch Sauerstoff nehmen und dann aber auch sofort absteigen. Das heißt, der Sauerstoff ist wirklich nur für den Abstieg, auf keinen Fall für den weiteren Aufstieg.

Tibetische Nordseite des Mount Everest

Wäre es eine Variante, ohne Flaschensauerstoff auf- und dann mit Atemmaske abzusteigen?

Nein, mein Ziel ist natürlich, ohne Sauerstoff hinauf und wieder herunter. Aber ich will mir einfach diese Option offen halten. Der Italiener Abele Blanc war 2010 ein paar Tage älter, als er damals bei seiner Besteigung mit über 55 Jahren ohne Sauerstoff auf dem Gipfel war. Ich wäre, wenn es klappen sollte, der Zweitälteste. Ich merke inzwischen: Das ist für mich in meinem Alter ein wirklicher Grenzgang. Ich will einfach eine gewisse Reserve, beziehungsweise ein kleines Backup mit dabei haben.

Dujmovits: Kleines Backup

Ist das ein bisschen wie Autofahren mit Sicherheitsgurt?

(lacht) Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich glaube, Autofahren mit Sicherheitsgurt ist allgemein üblich geworden. Das gilt inzwischen auch für das Bergsteigen mit Sauerstoff an den Achttausendern. Leider. Ich sehe es eher so, dass ich bewusst versuche, den Sicherheitsgurt wegzulassen. Ich werde die Hand aber am Gurt haben und würde ihn mir im letzten Moment noch ziemlich schnell umschnallen.

Empfindest du das selbst als Stilbruch?

Es mit Sicherheit ein Stilbruch, ein Backup mitzunehmen. Es ist nicht die gängige Variante, aber es ist mir jetzt egal, weil ich diesen Weg für mich zu Ende bringen will. Ich freue mich darauf und kann es für mich akzeptieren. Ich habe eine Weile mit mir gerungen, aber inzwischen ist es für mich so in Ordnung. Da kann mir hinterher oder vorher oder wann auch immer jemand erzählen, was er will. Für mich passt das so. Und da ich niemandem damit weh tue, sollte das auch in Ordnung sein.

Dujmovits: Stilbruch, aber für mich passt das so

Cholatse (Bildmitte, vom Gokyo Ri aus)

Alle erwarten, dass es in diesem Frühjahr am Everest richtig voll wird. Nicht nur auf der nepalesischen, auch auf der tibetischen Seite werden wohl deutlich mehr Bergsteiger unterwegs sein als sonst. Du kennst das. Es wird dich wahrscheinlich nicht großartig beeindrucken, oder?

Ich werde mich zuvor noch mit meiner Partnerin an einem Sechstausender in Nepal in Ruhe vorakklimatisieren. Ich will den großen Massen damit ein wenig entkommen. Ich reise dann relativ spät ins vorgeschobene Basislager und werde wahrscheinlich damit von dem großen Massenaufstieg gar nicht mehr so viel mitbekommen. Natürlich werden, wenn es Richtung Gipfel geht, parallel sehr viele unterwegs sein. Aber auch das wird mich nicht sehr scheren, weil ich nicht so früh starten kann, wie es die meisten machen, die mit Sauerstoff unterwegs sind. Inzwischen sind ja Startzeiten von zehn, elf Uhr abends üblich. So früh kann ich einfach nicht starten, sonst würde ich dort oben zu sehr auskühlen. Ich muss die Sonne in Anspruch nehmen, die mich hoffentlich ein bisschen unterstützen wird.

Das klingt, als würdest du dieselbe Taktik wie Ueli Steck wählen, der auf der Südseite das erste Wetterfenster verstreichen lassen will, damit es nicht mehr ganz so voll am Berg ist.

Wenn sich nur in Ansätzen abzeichnet, dass sich ein zweites Wetterfenster entwickelt, würde ich wahrscheinlich auch darauf spekulieren. In aller Regel war es wirklich so, dass während des ersten Wetterfensters einfach zu viel Betrieb war. Und ich muss einfach genau mein Tempo gehen können. Zu langsam wäre nicht gut, da kühle ich aus. Zu schnell kann ich auch nicht gehen, weil ich dabei zu viel Wärme abatmen würde. Ich muss genau meinen Stiefel gehen. Und das kann ich nur, wenn ich mir mein Tempo aussuchen kann.

2014 im Everest-Hochlager

Bei deinem letzten Versuch 20142015 mit dem Erdbeben in Nepal lasse ich jetzt mal außen vor – bist du bis nach Lager drei auf 8300 Metern gekommen. Damals hast du selbst gesagt: „Ich habe Fehler gemacht.“ Hast du daraus gelernt?

Ich denke schon. Ich hatte damals ein zu leichtes Zelt mit dabei, ein einwandiges, das gerade mal ein Kilo gewogen hat. Es hat in der Nacht ziemlich stark geblasen. Ein weiteres Problem war, dass ich ein nasses Feuerzeug hatte und mir deshalb nicht genug zu trinken machen konnte. Gescheitert ist es dann aber letztlich daran, dass es morgens zu starken Wind gab. Darauf werde ich keinen Einfluss haben. Aber für alle anderen Dinge, die ich damals gelernt habe, habe ich hoffentlich diesmal die richtige Variante in petto und hoffe dann, dass zumindest von meiner Seite her alles passt.

Du hast eben gesagt, das ist mein definitiv letzter Versuch am Everest. Ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen. Gehen wir also mal davon aus, dass es wirklich das letzte Mal ist. Bist du unter Umständen versucht, deswegen mehr zu riskieren?

Ich glaube nicht. Ich kenne mich sehr gut. Ich weiß auch, dass ich umdrehen kann. Das habe ich oft bewiesen, und würde es auch diesmal so machen, wenn es nötig ist. Meine Gesundheit ist für mich nach wie vor das allerhöchste Gut. Diesen Grundsatz, dass ich gesund zurückkommen möchte, werde ich auch bei diesem allerletzten Versuch – selbst wenn du schmunzelst, es wird wirklich der letzte sein – nicht aufgeben.  

Dujmovits: Möchte gesund zurückkommen

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Everest-Gipfelversuch in der kommenden Woche? https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-gipfelversuch-in-der-kommenden-woche/ Fri, 10 Feb 2017 16:37:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35061 Alex Txikon bei seinem vorherigen Aufstieg bis zum Südsattel

Alex Txikon bei seinem vorherigen Aufstieg bis zum Südsattel

„Die Würfel sind gefallen“, sagt Alex Txikon. „Es wird nur einen einzigen Gipfelvorstoß geben, und wir werden versuchen, so zu klettern, wie wir es bisher getan haben.“ Der 35 Jahre alte Baske ist heute mit den Sherpas Nurbu und Chhepal vom Basislager auf  5250 Meter Höhe bis ins Lager 2 auf 6400 Metern aufgestiegen. Die anderen drei Sherpas seines Teams, Nuri, Pemba und Phurba, wollen am Samstag hinterhersteigen. Fünf Tage lang hatten Txikon und Co. im Basislager das schlechte Wetter mit Sturmböen von bis zu 190 km/h im Gipfelbereich ausgesessen.  Zunächst wollen die Bergsteiger jetzt überprüfen, ob das von ihnen deponierte Material in Lager 3 auf 7300 Metern und Lager 4 auf dem Südsattel auf 7950 Metern beschädigt oder gar weggeweht wurde und ersetzt werden muss.

Gute Wetteraussichten

Alex im Basislager

Alex im Basislager

Es sieht aus, als gäbe es zwischen Dienstag und Samstag ein Schönwetterfenster mit optimalen Bedingungen, verglichen zu den Vortagen. Das würde einen Gipfelversuch begünstigen“, sagt Alex. „Es kann aber auch sein, dass alle unseren Optionen, den Gipfel zu erreichen, verschwinden. Aber wir werden alles versuchen.“

Alles muss passen

Txikon will den Everest ohne Flaschensauerstoff besteigen. Bisher hat das nur Ang Rita Sherpa geschafft: am 22. Dezember 1987, gleich zu Beginn des kalendarischen Winters, bei außergewöhnlich gutem und vergleichsweise mildem Wetter. Seit 1993 hat in der kalten Jahreszeit überhaupt niemand mehr auf dem Gipfel des Everest gestanden. Die große Kälte im Winter sorgt normalerweise dafür, dass der Luftdruck im Gipfelbereich noch weiter absinkt. Ein Aufstieg ohne Atemmaske liegt dann im absoluten Grenzbereich des Möglichen. Es muss also wirklich alles passen, damit Alex Txikon eine realistische Chance hat, auf den Gipfel zu gelangen und auch wieder sicher das Basislager zu erreichen.

P.S.: Ich werde von Sonntag an eine Woche lang die Skipisten Osttirols unsicher machen und daher, wenn überhaupt, nur „sparsam“ bloggen. Also nicht wundern! 😉

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Bravo, Everest-Ladies! https://blogs.dw.com/abenteuersport/bravo-everest-ladies/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/bravo-everest-ladies/#comments Tue, 24 May 2016 22:23:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32805 Melissa Arnot

Melissa Arnot

Power-Frauen auf dem Mount Everest. Unter der Handvoll Bergsteiger, die bisher in dieser Frühjahrssaison ohne Flaschensauerstoff den 8850 Meter hohen Gipfel erreichten, waren auch zwei Frauen: Melissa Arnot und Carla Perez. Vor ihnen war dieses Kunststück erst sechs anderen Bergsteigerinnen gelungen: Lydia Bradey (Neuseeland, 1988), Alison Hargreaves (Großbritannien, 1995), Francys Arsentiev (USA 1998, sie starb jedoch beim Abstieg), La Ji (China, 2004), Nives Meroi (Italien, 2010) und Gerlinde Kaltenbrunner (Österreich, 2010).

Feste Größe am Everest

Melissa Arnot ist also die erste US-Amerikanerin, die ohne Atemmaske den Gipfel des Everest erreichte und auch wieder lebend zurückkehrte. Sie stieg über die tibetische Nordseite auf. Die 32-Jährige ist inzwischen eine feste Größe am höchsten Berg der Erde, sie arbeitete dort auch als Bergführerin. Es war bereits Melissas sechster Erfolg am Everest nach 2008, 2009, 2010, 2012 und 2013. Bei ihren ersten fünf Besteigungen, alle über die Normalroute auf der nepalesischen Südseite, hatte Arnot Flaschensauerstoff benutzt. 2013 war sie im Everest-Hochlager Zeugin der Angriffe wütender Sherpas gegen die europäischen Topbergsteiger Ueli Steck und Simone Moro geworden. Mutig hatte sich Melissa zwischen die Parteien gestellt und versucht, den Streit zu schlichten.

Traum erfüllt

Carla Perez

Carla Perez

Wie Arnot bestieg auch die 33 Jahre alte Ecuadorianerin Carla Perez den Everest von Norden aus. Sie war die erste Frau aus ihrem südamerikanischen Heimatland auf dem höchsten Punkt der Erde – und dann auch noch ohne Atemmaske.  „Vor ein paar Stunden waren wir auf dem Gipfel des Mount Everest“, schrieb Carla auf Facebook. „Ohne Sauerstoff, erschöpft, ohne zu wissen, wie wir es hier herauf geschafft haben, aber glücklich, unseren Traum erfüllt zu haben.“ Für Perez war es ihr dritter Achttausender nach dem Manaslu 2012 und dem Cho Oyu 2014. Auch dort hatte sie auf Flaschensauerstoff verzichtet.

Starke Sherpani

Weitere Ausrufezeichen am Everest setzten zwei Sherpani – auch wenn sie Atemmasken trugen. Lhakpa Sherpa bestieg den höchsten Berg – wie berichtet – bereits zum siebten Mal. Die 42-Jährige, die in Nepal geboren wurde und in den USA lebt, bleibt damit weiterhin die Frau mit den meisten Everest-Besteigungen.

Maya Sherpa

Maya Sherpa

Maya Sherpa stand zum dritten Mal auf dem Gipfel. Sie war die einzige Frau unter den Climbing Sherpas auf der nepalesischen Seite, sprich: Sie arbeitete am Berg. Maya hatte 2014 für Schlagzeilen gesorgt, als sie mit ihren Landsfrauen Dawa Yangzum Sherpa und Pasang Lhamu Sherpa Akita den 8611 Meter hohen K 2 in Pakistan bestiegen, den zweithöchsten Berg der Erde. „Ich bin seit 2003 Profibergsteigerin und habe immer versucht, dafür zu sorgen, dass mich auch jene Kerle wahrnehmen, die glauben, dass Frauen auf diesem Gebiet ein jämmerliches Bild abgeben“, schrieb mir Maya Sherpa Anfang 2015. Ich ziehe vor Maya, Lhakpa, Carla und Melissa meinen Hut. Bravo!

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Vor 35 Jahren: Everest ohne Atemmaske https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-35-messner-habeler-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-35-messner-habeler-everest/#comments Wed, 08 May 2013 12:36:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21529

Messner (l.) und Habeler (1975)

Tod oder irreparable Hirnschäden. So lautete die Prognose vieler Experten vor dem Versuch des Südtirolers Reinhold Messner und des Österreichers Peter Habeler, den höchsten Berg der Erde erstmals ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. „Ich wollte damals im Grunde nur ein Exempel statuieren, einen Versuch machen. Ich wusste nicht, wie weit ich komme“, sagte mir Reinhold Messner, als ich vor zehn Jahren mit ihm über diese Everest-Besteigung sprach (siehe Audios unten). Gerade weil es im Vorfeld so viele Kritiker und Skeptiker gegeben habe, sei dieses Projekt, so Messner, „meine erfolgreichste Geschichte nach außen“ gewesen. „Wir haben da wirklich eine Erfahrung gemacht, die es noch nicht gab. Und darauf springen immer viele Menschen an.“ 

Team im Team 

Dass es möglich sein könnte, hatte bereits 1924 Edward Norton bewiesen. Der Brite war auf der Nordseite des Bergs ohne Atemmaske bis auf eine Höhe von 8570 Metern aufgestiegen. Dieser „Oben ohne“-Höhenweltrekord stand auch noch im Frühjahr 1978, als sich Messner und Habeler einer österreichischen Everest-Expedition unter Leitung von Wolfgang Nairz anschlossen. Die beiden waren wegen ihres extremen Vorhabens ein Team im Team. Sie durften ohne Rücksprache mit den anderen Teilnehmern (darunter auch Reinhard Karl, der als erster Deutscher den Everest bestieg) entscheiden, wann sie zu ihrem Gipfelversuch aufbrechen wollten. 

Noch bei Trost? 

Letzte Etappe zum Gipfel vom Südsattel aus

Am 8. Mai 1978, heute vor 35 Jahren, starteten sie vom Südsattel aus zu ihrer letzten, der Gipfeletappe. Die Wetterverhältnisse waren mäßig: Minus 40 Grad kalt, starker Wind. Bedingungen, bei denen Gipfelaspiranten heute kaum noch aufsteigen würden. „Wir haben in der Schlussphase wirklich mehr auf Knien und Händen als gehend den Gipfel erreicht, sonst wären wir vom Grat gefegt worden“, erinnert sich Messner. Frei von Zweifeln seien sie bei ihrem Aufstieg nicht gewesen. „Es war schon so, dass wir uns während jeder Rastpause angeschaut haben: Sind wir noch bei Trost, ist es noch verantwortbar oder nicht?“ 

Messner: Auf Knien und Händen

Weder Euphorie noch Weisheit möglich 

Gegen 13 Uhr Ortszeit erreichten Messner und Habeler den höchsten Punkt auf 8850 Metern. Er habe damals weder Euphorie verspürt, noch Genugtuung, es seinen Kritikern gezeigt zu haben. „Wir sind da oben in Eigenverantwortung für uns allein und versuchen nur, das Leben zu retten“, sagt Messner. „Euphorie kommt auch nicht auf, weil das Gehirn nicht mehr voll durchblutet ist und das Ganze sehr verzögert läuft. Nicht nur das Gehen und Steigen, auch das Denken und Entscheiden, alles geht sehr, sehr langsam. Es ist, als wäre unser Gehirn etwas behindert, tumb. Und damit ist weder große Freude, noch große Erkenntnis, noch Weisheit möglich.“ 

Messner: Kein Platz für Euphorie

Der nächste Everest-Gipfelerfolg ohne Flaschensauerstoff gelang fünf Monate nach Messners und Habelers Coup dem deutschen Bergsteiger Hans Engl. Die Öffentlichkeit nahm davon kaum noch Notiz. Nur bei rund 180 der bis heute über 6000 Everest-Besteigungen verzichteten die Bergsteiger auf Atemmasken.

P.S. Wenn ihr hier klickt, könnt ihr euch ein Interview ansehen, dass Peter Habeler zum 35. Jahrestag gegeben hat.

 

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