Matterhorn – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Matterhorn: „Zum Klettern okay, aber nicht sehr speziell“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/matterhorn-zum-klettern-okay-aber-nicht-sehr-speziell/ Mon, 13 Jul 2015 06:00:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30025 Dani Arnold

Dani Arnold

Das Matterhorn war sein erster Viertausender. Dani Arnold war 18 Jahre alt, als er 2002 erstmals den Vorzeigeberg seines Heimatlands von der Hörnlihütte aus über die Normalroute bestieg. Heute gehört der 31-Jährige zu den besten Kletterer der Schweiz. Seitdem stand er „vielleicht acht Mal oben“ auf dem Matterhorn, schreibt mir Dani aus Pakistan, wo er mit den Huber-Brüdern und dem Österreicher Mario Walder derzeit versucht, erstmals die Nordwand des Siebentausenders Latok I zu durchsteigen. Für Furore sorgte Arnold bisher vor allem mit seinen Speedrekorden. Seit 2011 hält er den Rekord an der Eiger-Nordwand, die er über die Route der Erstbegeher in zwei Stunden und 28 Minuten durchstieg. Damit war Dani 20 Minuten schneller als der bisherige Rekordhalter Ueli Steck. Im April brach er auch Stecks Geschwindigkeitsrekord am Matterhorn: In einer Stunde und 46 Minuten kletterte Arnold durch die Nordwand, zehn Minuten schneller als Ueli im Jahr 2009. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Profi-Bergsteigers:

Dani, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie siehst du diesen Berg? Oder anders gefragt, was bedeutet er dir?

Es ist einer der schönsten Berge, von der Form her. Zum Klettern ist er okay, aber nicht sehr speziell. Der Fels ist auch nicht immer ganz fest.

Vor 150 Jahren wurde das Matterhorn erstmals durch die Seilschaft des Briten Edward Whymper bestiegen. Wie hoch war die sportliche Leistung, wenn man die damalige Ausrüstung berücksichtigt und bedenkt, dass die Gruppe ins Ungewisse stieg?

Es war natürlich eine beeindruckende Leistung! Respekt. 

Die Erstbesteigung endete tragisch: Vier Bergsteiger stürzten in den Tod. Hat dieses Unglück den Mythos Matterhorn mitbegründet?

Dani nach seinem Speedrekord auf dem Gipfel des Matterhorns

Dani nach seinem Speedrekord auf dem Gipfel

Ich denke schon. Meist sind Tragödien und Unglücke der Grund, dass die Berge diesen Mythos bekommen. Ist eigentlich übel, dass immer etwas passieren muss, bis die Öffentlichkeit Notiz nimmt.

Das Matterhorn ist ein kommerzieller Berg, rund 3000 Gipfelanwärter versuchen sich alljährlich an ihm. Teilt das Matterhorn das Schicksal anderer Prestigeberge wie Mont Blanc oder auch Mount Everest, an denen sich viele tummeln, die wegen mangelnder Fähigkeiten als Bergsteiger dort eigentlich nicht hingehören oder ist er dafür technisch zu schwierig?

Er gehört schon zu dieser Kategorie von bekannten Bergen, die viele Leute wegen des Namens anziehen. Dazu gehören schon auch viele Kletterer, die dort eigentlich nichts zu suchen haben.

Kein Jahr vergeht ohne tödliche Unfälle am Matterhorn. Würde es Sinn machen, die Zahl der Besteigungen zu beschränken?

Nein, das Wichtigste ist, dass das Bergsteigen frei bleibt. Das heißt, jeder kann dort klettern, wo er will. Dies ist ein Riesenprivileg. Jeder muss aber auch selber die Konsequenzen tragen.

Ist das Matterhorn, vor allem natürlich die Nordwand, nach wie vor ein Klassiker, der in der Vita eines Profibergsteigers nicht fehlen darf?

Jeder sollte die Wand geklettert haben. Jedoch muss man das schon relativieren. Die Nordwand ist eine klassische Tour, die viele Leute klettern können. Für uns (Profibergsteiger) ist sie aber eher einfach, verglichen mit jetzigen Projekten. Sonst hätte sich ja der Alpinismus seit der Erstdurchsteigung der Matterhorn-Nordwand nicht weiter entwickelt. 😉

Du hast im April einen neuen Speedrekord in der Nordwand aufgestellt, als du für die Route der Erstbegeher Franz und Toni Schmid (1931) nur eine Stunde und 46 Minuten gebraucht hast und damit zehn Minuten schneller warst als Ueli Steck. Warst du bei diesem Solo am Limit oder geht es noch schneller?

Die Schmid-Route durch die Matterhorn-Nordwand

Die Schmid-Route durch die Matterhorn-Nordwand

Es geht immer schneller. 🙂 Nein, es muss schon viel zusammenpassen. Ich muss fit genug sein. Die Verhältnisse müssen okay sein. Die Psyche muss stimmen, und ich muss motiviert sein. Meine Kletterzeit war zwar kurz, jedoch schon anstrengend. 😉

2010 und 2011 eröffnete der Italiener Herve Barmasse in der Südwand des Matterhorns noch zwei neue Routen. Doch solche Aktionen sind selten geworden. Ist das Matterhorn bergsteigerisch ausgereizt, sprich: Ist so gut wie alles gemacht, was machbar ist?

Das glaube ich nicht. Es ist schon so, dass die offensichtlichen Linien gemacht sind. Aber es gibt noch viel Platz. Viele denken, dass man nur noch im Himalaya etwas erleben kann. Und das stimmt nicht.

Wenn du dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag der Erstbesteigung wünschen dürftest, was wäre das?

Ich habe eigentlich noch nie überlegt, was man einem Berg schenken kann. 🙂

P.S.: Damit endet meine kleine Serie zum 150-Jahr-Jubiläum der Matterhorn-Erstbesteigung.

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„Totenbergung ist immer traurig – nicht nur am Matterhorn“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/totenbergung-ist-immer-traurig-nicht-nur-am-matterhorn/ Sat, 11 Jul 2015 06:00:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29915 Helmi Lerjen

Helmi Lerjen, Bergführer und Bergretter

Schon die Erstbesteigung des Matterhorns vor 150 Jahren endete in einer Tragödie. Vier Teammitglieder starben beim Abstieg vom Gipfel, als ein Seil riss. Seitdem sind am „Horu“, wie die Einheimischen das Matterhorn nennen, mehr als 500 Bergsteiger ums Leben gekommen – so viel wie an keinem anderen Berg der Schweiz. Bei jährlich 2500 bis 3000 Gipfelversuchen gibt es auch viel Arbeit für die Bergretter. Helmut, genannt „Helmi“ Lerjen entstammt einer echten Bergführer-Familie. Bereits in der vierten Generation führen die Lerjens Gäste auf Berge wie das Matterhorn. Helmi, der mit seiner Frau und Tochter, im kleinen Dorf Täsch nahe Zermatt lebt, hilft seit fast 15 Jahren auch in der Bergrettungsstation Zermatt mit. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Bergretters:

Helmi, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie siehst du diesen Berg oder anders gefragt, was bedeutet er dir?

Ich bestieg das Matterhorn bisher 187 Mal mit Gästen. Als technischer Leiter bin ich auch für den Unterhalt der Fixseile am Matterhorn zuständig. Bereits im 19. Jahrhundert führten mein Ururgroßvater Josef und Urgroßvater Alois Gäste aufs Horu. Mein Großvater Joseph Lerjen war 1930 an einem gescheiterten Versuch beteiligt, erstmals die Nordwand zu durchsteigen. (Ein Jahr später waren die deutschen Brüder Franz und Toni Schmid erfolgreich.) Zusammen mit seinem Führerkollegen Kaspar Mooser und ihrem Gast Emile Blanchet stieg mein Großvater mit festem Willen in die Nordwand ein. Ausgerüstet waren sie nur mit Holzpickel und Steigeisen ohne Frontzacken (!). Leider mussten sie wegen Steinschlags und schlechter Verhältnisse in der Wand den Rückzug antreten. Die Felsen waren mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Sie kletterten mehrere Stunden. Es ist nicht bekannt, welche Höhe sie genau erreichten. Wäre einer der drei ausgerutscht, hätte es das Ende der ganzen Seilschaft bedeutet. Mehrfach gerieten die drei in Steinschlag. Mit viel Glück entrannen sie der Nordwand unverletzt. Mit diesen Geschichten meiner Vorfahren habe ich eine ganz persönliche Beziehung zum Matterhorn.

Matterhorn-II

Gleich die erste Besteigung des Matterhorns endete mit einem Unglück, das vier Bergsteigern das Leben kostete. Wird diese Tragödie unter Bergrettern immer noch als Beispiel dafür angeführt, was am Matterhorn passieren kann?

Jedes Unglück am Matterhorn oder an anderen Bergen ist tragisch. Als Rettungsspezialist ist es für uns immer am schönsten, wenn wir Bergsteiger lebend retten können. Hingegen sind die Einsätze mit Totenbergungen immer traurig. Hier kann man auch nicht mehr von Rettung sprechen, sondern es ist vielmehr eine Arbeit, die wir dann ausführen müssen.

Du bist als technischer Leiter des Bergführervereins für die Fixseile zuständig. Wie sicher ist die Route?

Am Hörnligrat ist die richtige Wegfindung sehr schwierig. Der untere Teil ist wie ein Labyrinth. Sobald man von der richtigen Route abkommt, befindet man sich sofort in losem Gestein, was dann sofort gefährlich werden kann.

Rettungseinsatz der Air Zermatt

Rettungseinsatz der Air Zermatt

Jedes Jahr werden etwa 80 Rettungseinsätze am Matterhorn geflogen, mehr als 500 Bergsteiger kamen schon ums Leben. Das macht das Matterhorn in absoluten Zahlen zum gefährlichsten Schweizer Berg. Welches sind die häufigsten Unglücksursachen?

Das Matterhorn selber ist nicht gefährlich. Gefährlich machen es die Bergsteiger, die sich z.B. am Morgen in der Dunkelheit völlig verlaufen und sich dann in losem Gestein befinden und andere nachkommende Seilschaften mit Steinschlägen gefährden. Durch die Verhauer in der Dunkelheit sind sie dann viel zu lange unterwegs und werden schnell müde. Die Konzentration lässt dann auch markant nach.

Könnte man viele Unfälle vermeiden, und wenn ja wie?

Der Hörnligrat ist die Normalroute auf das Matterhorn, eine der schwersten, die auf einen Viertausender führen. Daher ist es ratsam, sich einen Bergführer zu nehmen.

Das Matterhorn ist kein Wanderberg. Sind viele Matterhorn-Anwärter einfach zu sorglos?

Das glaube ich nicht. Es ist ja bekannt ist, dass der Hörnligrat zu den schwersten Normalrouten zählt.

Viele Bergsteiger auf einer Route, das erhöht fast unweigerlich das Risiko. Steine können losgetreten werden, Staus können sich bilden. Würde eine Beschränkung nicht Sinn machen?

Durch den Bau der neuen Hörnlihütte [Ausgangspunkt des Gipfelaufstiegs] wurde die Zahl der Schlafplätze von 170 auf 130 reduziert. Durch das Campingverbot fallen zusätzlich rund 30 Personen weg. Also werden am Tag insgesamt etwa 70 Personen weniger am Matterhorn unterwegs sein. Das sorgt für mehr Sicherheit.

Wenn du dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag wünschen dürftest, was wäre das?

Am 14. Juli 2015, genau 150 Jahre nach der Erstbesteigung des Matterhorns, wird zu Ehren der Erstbesteiger niemand auf den Berg steigen. Ich wünsche mir von Herzen, dass sich alle Bergsteiger daran halten und das Horu seine Ruhe hat.

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„Dreimal durch Zermatt ist zu wenig fürs Matterhorn“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dreimal-durch-zermatt-ist-zu-wenig-fuers-matterhorn/ Thu, 09 Jul 2015 06:00:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29911 Aufstieg zum Matterhorn (Foto: © Christoph Frutiger)

Aufstieg zum Matterhorn (Foto: © Christoph Frutiger)

Richard Lehner würde den Gipfel wahrscheinlich auch mit verbundenen Augen finden. 650 Mal erreichte das Bergführer-Urgestein aus Zermatt den höchsten Punkt des Matterhorns auf 4478 Meter Höhe. Das ist zwar nicht der Rekord, den Titel „Mr. Matterhorn“ hätte er aber wohl trotzdem verdient. Seine Leidenschaft für die Berge hat der 76-Jährige weitervererbt. Zwei der Söhne sind ebenfalls Bergführer, einer Skilehrer. Richard Lehner ist einer von 87 aufgelisteten aktiven Bergführern des Zermatt Alpin Centers, des örtlichen Bergführervereins. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Bergführers:

Richard Lehner, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie sehen Sie persönlich diesen Berg oder anders gefragt, was bedeutet er Ihnen?

Ich war als Bergführer hauptsächlich am Matterhorn unterwegs. Ich habe den Berg 650 Mal bestiegen, das letzte Mal war ich vor fünf Jahren oben. Für mich war es immer ein schöner Berg. 

650 Aufstiege, wie oft sind Sie dabei in kritische Situationen gekommen?

Nicht oft, und es war nichts Schlimmes.

Welche Anforderungen stellt das Matterhorn an einen Bergsteiger?

Matterhorn-VEr muss schon ein bisschen trainiert sein. Er muss ein guter Läufer sein. Bergsteigertechnische Fähigkeiten sind nicht so wichtig. Hauptsache, die Kondition stimmt.

Gibt es viele, die den Berg unterschätzen?

Ja, sehr viele. Manche, die einsteigen, brauchen drei bis vier Tage. Die stellen ihr Zelt auf und gehen los. Und wenn dann das Wetter umschlägt, schreien sie um Hilfe. Dann steigt der Helikopter auf und bringt sie herunter.

Welche Probleme haben diese Bergsteiger?

Vor allem haben sie Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden.

Jahr für Jahr versuchen sich 2500 bis 3000 Bergsteiger am Matterhorn. Verkraftet der Berg so viele Menschen?

Kein Problem.

Gibt es keine Staus am Berg?

Höchstens morgens beim Einstieg. Danach ist es nicht mehr schlimm.

Wer regelt denn den Verkehr? Machen das die Bergführer?

Das ist nicht nötig. Die Bergführer starten morgens als Erste. Wenn einer schneller ist, geht er eben vor oder überholt. Die ohne Bergführer unterwegs sind, haben kaum eine Chance nachzukommen, weil sie am Seil viel zu viel Arbeit verrichten müssen.

Es vergeht trotzdem kein Jahr ohne tödlichen Unfall am Matterhorn. Ist das die Kröte, die man an einem so beliebten Berg schlucken muss?

Gipfel des Matterhorns

Gipfel des Matterhorns

Früher war die Ausrüstung viel schlechter als heute. Da hatten wir zehn Unfälle im Jahr, heute vielleicht nur einen. An den häufigsten Absturzstellen von damals sind jetzt Fixseile installiert. Da kann man sich beim Heruntersteigen festhalten.

Dennoch geschehen immer noch Unfälle. Warum vor allem?

Hauptsächlich, weil Bergsteiger von der Route abkommen.

Eine Besteigung kostet derzeit etwa 1600 Schweizer Franken, das sind rund 1500 Euro. Das ist eine Menge Geld. Erwarten die Kunden dafür eine Gipfelgarantie?

Die kann man nicht geben. Es gibt Leute, die haben schon Probleme, zur Hörnlihütte zu kommen, und sagen dann: Der Berg ist mir viel zu hoch, ich gehe erst gar nicht los. Manchmal muss man auch wegen eines Wetterumschwungs umdrehen.

Sie haben über mehrere Jahrzehnte als Bergführer am Matterhorn gearbeitet. Hat sich der Typ der Gipfelanwärter verändert?

Ein bisschen schon. Die Menschen wollen einfach nicht mehr trainieren. Die meinen, wenn sie dreimal durch Zermatt hin und zurück laufen, sind sie für das Matterhorn bereit und können sich einen Bergführer suchen. Aber ohne Training geht es nicht, ein Gipfelerfolg lässt sich nicht erzwingen. Früher hat man zunächst zehn andere Touren gemacht, bevor man sich ans Matterhorn gewagt hat. Heute wollen die Leute nur diesen einen Berg machen. Kaum einer von denen kehrt später noch einmal zurück. Sie besteigen das Matterhorn und fertig.

Wenn Sie dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag wünschen dürften, was wäre das?

Für uns als Bergführer wäre es natürlich besser, wenn die Matterhorn-Anwärter ein bisschen besser vorbereitet wären. Ich habe mal mit einem Kunden viereinhalb Stunden für den Aufstieg und dann für den Abstieg acht Stunden gebraucht. Sein Hosenboden war durch, und er hat geblutet. Da stimmt dann etwas nicht mehr. Aber es ist eben der markante Berg, und wir leben von ihm. Hier will jeder Gast ein Zimmer mit Blick aufs Matterhorn haben.

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Vor 150 Jahren: Triumph und Tragödie am Matterhorn https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-150-jahren-triumph-und-tragoedie-am-matterhorn/ Tue, 07 Jul 2015 06:00:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30115 Die Normalroute über den Hörnligrat (© Photopress/Mammut/Robert Boesch)

Die Normalroute über den Hörnligrat (© Photopress/Mammut/Robert Boesch)

Die Uhr läuft ab. Noch eine Woche, dann springt die Countdown-Uhr auf dem Bahnhofplatz in Zermatt auf Null. Am 14. Juli vor genau 150 Jahren wurde das Matterhorn erstmals bestiegen. Kein anderer Berg der Schweiz verkörpert das Land so wie dieser formschöne Viertausender. Und das liegt nicht nur an einer weltweit vertriebenen Schokoladen-Marke, deren Riegel dem Matterhorn nachempfunden sind. Alljährlich versuchen 2500 bis 3000 Bergsteiger, den 4478 Meter hohen Gipfel zu erreichen – der überwiegende Teil von ihnen über den Hörnligrat, die Normalroute, auf der auch die Erstbesteiger um den Engländer Edward Whymper aufstiegen. Die Hörnlihütte auf 3260 Metern, von der aus die meisten starten, ist mit großem Aufwand umgebaut und modernisiert worden. Rechtzeitig zum Matterhorn-Jubiläum wurde sie fertig. Am Festtag selbst soll der Berg seine Ruhe haben. Das Matterhorn wird für Aufstiege gesperrt. Damit soll jener Menschen gedacht werden, die dort ums Leben kamen.

Im neunten Versuch

Edward Whymper (1910)

Edward Whymper (1910)

Mehr als 500 Bergsteiger bezahlten bisher das Abenteuer Matterhorn mit ihrem Leben. Darunter waren auch vier der sieben Erstbesteiger. Es war d i e Bergtragödie des 19. Jahrhunderts. Auf der Rangliste der Bergprojekte in den 1860er Jahren stand die Erstbesteigung des Matterhorns ganz oben, vergleichbar mit jener des Mount Everest im 20. Jahrhundert. Jedem Bergsteiger war klar: Wem es gelingen würde, den Prestigeberg als Erster zu besteigen, würde nicht nur Alpingeschichte schreiben, sondern Weltruhm ernten. Das Projekt entwickelte sich zu einem Wettlauf zwischen dem Briten Edward Whymper und dem Italiener Jean-Antoine Carrel. Beide scheiterten zunächst je achtmal bei Versuchen am Matterhorn, teilweise gemeinsam.

Schnellere Route

Triumph ...

Triumph …

In jener Juli-Woche 1865 stieg Carrel von Italien aus über den Liongrat auf. Diesen Weg hatte bis dahin auch stets Whymper gewählt. Als er erfuhr, dass sich Carrel zum möglicherweise entscheidenden Gipfelvorstoß aufgemacht hatte, ließ er sich auf den Vorschlag des Zermatter Bergführers Peter Taugwalder Senior ein, der den Hörnligrat für machbar hielt. Zur Seilschaft gehörten neben Whymper und Taugwalder  noch dessen Sohn Peter Junior, der französische Bergführer Michel Croz sowie die Briten Lord Francis Douglas, Charles Hudson und Robert Hadow. Taugwalders Route über den Hörnligrat erwies sich als schneller. Um 13.40 Uhr erreichte Whymper als Erster den begehrten Gipfel. Als Carrel rund 400 Meter tiefer die Seilschaft des Briten am höchsten Punkt sah, machte er enttäuscht kehrt.

Ein Opfer bis heute vermisst

... und Tragödie

… und Tragödie

Beim Abstieg der erfolgreichen Seilschaft dann die Tragödie: Hadow rutschte ab und zog Douglas, Hudson und Croz mit sich. Taugwalder Senior schlang geistesgegenwärtig das Seil um einen Felsen. Vergeblich. „Das Seil riss, als wäre es ein Stück Schnur, und die vier jungen Männer waren nicht mehr sichtbar. Es war alles so schnell wie ein Blitzleuchten“, schrieb Taugwalder Junior später. Die vier Unglücklichen stürzten die Nordwand hinab in den Tod. Drei Leichen wurden geborgen. Lord Francis blieb bis heute verschollen – und mit ihm das eine gerissene Seilende. Das andere kann heute im Matterhorn-Museum von Zermatt bestaunt werden. Im kommenden Herbst soll erneut am Fuße der Matterhorn-Nordwand nach Douglas gesucht werden.

Übel nachgetreten

Die drei Überlebenden – Whymper und die beiden Taugwalders – mussten sich heftiger Kritik erwehren. Whymper warf Vater Taugwalder später vor, mit Absicht das dünnere Seil zwischen sich und den anderen zum Sichern verwendet zu haben. Die Bergführer-Karriere Taugwalders verebbte daraufhin, weil er keine auswärtigen Kunden mehr fand. „Whymper hatte keinen Respekt vor den Bergführern“, sagte Bergsteiger-Legende Reinhold Messner der Neuen Zürcher Zeitung. „Kein einziges Mal hat er Taugwalder dafür gedankt, dass ihm dieser das Leben gerettet hatte, indem er im Moment des Sturzes das Seil um einen Felsen schlang und den Stand behielt.“

Carrels Tod am Matterhorn

Jean-Antoine Carrel gelang am 17. Juli, also nur drei Tage nach Whympers Gipfelerfolg, über den Liongrat die zweite Besteigung des Matterhorns. Der Wettlauf um die Erstbesteigung des Bergs entzweite Whymper und Carrel nicht. Beide gingen später sogar in Südamerika gemeinsam auf Expedition. Dabei gelang ihnen 1880 unter anderem die Erstbesteigung des 6267 Meter hohen Chimborazo in Ecuador. Carrels Leben endete 1890 am Matterhorn. Nach einem Wettersturz gelang es ihm noch, seine Gefährten durch tiefen Schnee in Sicherheit zu bringen, ehe er selbst an Erschöpfung starb.

P.S. Zum Matterhorn-Jubiläum könnt ihr hier im Blog in den nächsten Tagen drei Interviews lesen, bei denen jeweils die erste und letzte Frage identisch ist. Das Matterhorn aus drei Perspektiven: der eines Bergführers, eines Bergretters und eines Extrembergsteigers. Neugierig geworden? Dann schaut doch rein.

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Neuer Speed-Rekord am Matterhorn https://blogs.dw.com/abenteuersport/neuer-speed-rekord-am-matterhorn/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/neuer-speed-rekord-am-matterhorn/#comments Thu, 30 Apr 2015 10:53:00 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29291 Dani Arnold am 22. April in der Matterhorn Nordwand

Dani Arnold am 22. April in der Matterhorn Nordwand

Die Erdbebenkatastrophe in Nepal überschattet derzeit alles. Dennoch will ich euch eine bergsteigerische Topleistung nicht vorenthalten, die der Schweizer Daniel Arnold vor acht Tagen in der Matterhorn-Nordwand gebracht hat. Dani  durchstieg die Wand auf der so genannten „Schmid-Route“ (der Route der Erstbegeher Franz und Toni Schmid aus München im Sommer 1931) im Alleingang, ohne Sicherung, in nur einer Stunde und 46 Minuten. Der 31-Jährige war damit zehn Minuten schneller als der bisherige Rekordhalter, sein Landsmann Ueli Steck im Jahr 2009. „Zu Beginn fühlte ich mich gar nicht gut. Es wurde mir fast schlecht und ich überlegte aufzugeben“, sagt Dani. Dann aber habe er seinen Rhythmus gefunden. „Ich war nicht mega schnell, das einzige was zählt, ist der Rhythmus.“

Arnold: Es geht noch schneller

Schon 2011 hatte Arnold in der Eiger-Nordwand eine neue Bestzeit aufgestellt (zwei Stunden, 28 Minuten) und damit auch dort den damaligen Rekordhalter Steck um 20 Minuten unterboten. Fast auf den Tag vier Jahre später folgte jetzt sein nächster Husarenritt am Matterhorn. „Es zeigt mir, dass ich den letzten Jahren vieles richtig gemacht habe. Das ist für mich das Wchtigste an diesem Ereignis“, sagt Dani. Die Bedingungen in der Wand seien nicht perfekt gewesen, das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: “Es würde wahrscheinlich noch schneller gehen.“ Am Matterhorn wird in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen der Erstbesteigung vor 150 Jahren gedacht.

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Speedy Ueli https://blogs.dw.com/abenteuersport/speedy-ueli-steck-peuterey/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/speedy-ueli-steck-peuterey/#comments Tue, 27 Aug 2013 14:28:39 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22929

Ueli bei seiner Solo-Tour am Mont Blanc

Steck is back. Gut drei Monate nach dem unseligen Sherpa-Angriff am Mount Everest auf ihn, Simone Moro und Jonathan Griffith meldet sich der Schweizer Top-Bergsteiger Ueli Steck eindrucksvoll zurück. Der 36-Jährige setzt am Mont Blanc ein Ausrufezeichen. Solo und in Rekordzeit klettert Ueli die „Intégrale de Peuterey“, den nach seinen Angaben längsten Grat der Alpen: „1000 Höhenmeter Zustieg, 4500 Höhenmeter Kletterei,  3800 Höhenmeter Abstieg, horizontale Distanz: Keine Ahnung!“

Normalerweise zwei bis drei Tage

1953 meisterten die deutschen Kletterer Richard Hechtel und Günther Kittelmann die Traverse erstmals. Die Tour beginnt normalerweise an der auf 2325 Meter gelegenen Borelli-Schutzhütte auf der italienischen Seite des Mont Blanc und endet nach einem aufregenden Auf und Ab über scharfe Grat-Schneiden am Gipfel auf 4810 Metern. (Einen guten Eindruck vermittelt das Video von Jonathan Griffith, das ihr unten ansehen könnt.)  Im Normalfall brauchen Kletterer für die Strecke zwei bis drei Tage. Der 25 Jahre alte Slowene Luka Lindic kletterte vor wenigen Wochen nach eigenen Angaben in fünfzehneinhalb Stunden über die „Intégrale“ zum Gipfel.

Wahnsinnszeit

Speedy Ueli ist 16 Stunden und neun Minuten unterwegs. Allerdings bricht Steck nicht an der Borelli-Hütte auf, sondern von einem Campingplatz im Val Vény aus. Und die Gesamtzeit schließt auch noch den Abstieg ins Tal ein, nach Les Houches auf der französischen Seite des höchsten Bergs der Alpen. Für den eigentlichen Grat benötigt der Schweizer nur gut zehn Stunden. Wahnsinn! Während der Kletterei habe er sich ganz in seinem Element gefühlt, schreibt Ueli: „Ich bin völlig alleine, muss auf niemand Rücksicht nehmen, kann mein eigenes Tempo gehen. Mein Rhythmus – mein Tag. Es ist einfach genial. Für mich sind solche Tage das Schönste, was es gibt. Der Berg und ich.“

Ein Lachen auf den Lippen

Auf dem Grat, am Gipfel der Aiguille Noir

Meiner einer wäre nach einer solchen Leistung (abgesehen davon, dass sie für mich so realistisch ist wie die Durchquerung des Ärmelkanals für einen Nichtschwimmer) reif für die Intensivstation. Und Ueli? Er duscht, schlürft einen Fitness-Drink und schlüpft in den Schlafsack: „Mit einem kleinen Lachen auf den Lippen schlafe ich ein! Ich hatte einen super Tag!“

Und was kommt noch?

Es scheint, als hätte Ueli die traumatischen Erlebnisse vom Everest weggesteckt. Nach seiner Mont-Blanc-Tour ist Steck mit seiner Frau nach Kanada geflogen. Eigentlich hatte der Spitzenbergsteiger aus der Schweiz für die Nach-Monsun-Zeit noch einen Trip zu einem Achttausender im Himalaya geplant. Das war allerdings vor den Ereignissen am Everest. Vielleicht überlegt es sich „Speedy Ueli“ ja noch einmal. Die Topform für einen neuerlichen großen Coup hat er jedenfalls.

P.S. In den Alpen gab es noch einen Speed-Rekord. Der katalanische Bergläufer Kilian Jornet Burgada brauchte am Matterhorn für Auf- und Abstieg über die italienische Normalroute zwei Stunden und 52 Minuten und war damit 22 Minuten schneller als der bisherige Rekordhalter Bruno Brunod aus Italien. Der 25 Jahre alte Jornet hält seit Juli auch den Rekord des schnellsten Mont-Blanc-Auf- und Abstiegs: vier Stunden 57 Minuten von Chamonix aus und zurück. Natürlich auf der Normalroute, nicht über die „Integrale“! Der flinke Spanier hat übrigens auch noch den Mount Everest im Visier.

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Hervé Barmasse, Bergsteiger mit Gefühl https://blogs.dw.com/abenteuersport/herve-barmasse-bergsteiger-mit-gefuhl/ Tue, 06 Nov 2012 11:30:30 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17873

Hervé Barmasse

Ausgelutschte Berge gibt es nur für Bergsteiger, die ihren Geschmackssinn verloren haben. Auf diesem Standpunkt steht Hervé Barmasse. Der Italiener aus dem Aostatal hat im vergangenen Jahr an gleich drei „Modebergen“ der Alpen neue Routen eröffnet: an seinem Hausberg Matterhorn, dem Mont Blanc und dem Monte Rosa. „Ich wollte zeigen, dass man auch in den Alpen noch Abenteuer erleben kann“, sagt der 34-Jährige während unserer gemeinsamen Wanderung beim International Mountain Summit in Brixen in Südtirol. „Abenteuer ist für mich, neue Routen zu finden, neue Berge zu besteigen, und dabei nicht nur die Welt, sondern mich selbst zu erforschen – das, was ich am Berg fühle. Denn ein Leben ohne Emotionen ist nicht gut.“ 

Herve Barmasse: Abenteuer ist für mich, wenn …

Neuland am Matterhorn 

Zum Auftakt seiner Trilogie eröffnete Hervé im Alleingang eine neue Route durch die italienische Südwand des Matterhorns (Seht euch das Video unten an! Copyright: The North Face): 1200 Höhenmeter, die ersten 500 Meter durch eine Rinne, die folgenden 700 über einen steilen, teilweise überhängenden Pfeiler. „Das war echtes Neuland und ich habe gezeigt, dass es selbst an diesem Berg noch möglich ist, eine neue lange Route zu erschließen“, findet Hervé. Seinen ursprünglichen Plan, auch die anderen beiden Berge solo zu klettern, gab er auf – der Gefühle wegen: „Wenn du mit deinem Vater oder Freunden kletterst, sind mehr Emotionen mit im Spiel. Ganz besonders mit dem Vater. Es war unglaublich.“ 

Nicht nur Kraft zählt  

Zunächst gelang Barmasse am Mont Blanc mit den spanischen Brüdern Iker und Eneko Pou eine Erstbegehung über den Brouillardpfeiler. Und dann eröffnete Hervé mit seinem damals 62 Jahre alten Vater Marco eine neue Route am Monte Rosa. Seit drei Generationen sind die Männer im Hause Barmasse Profi-Bergführer. Im Vergleich zu Hervés Kindertgen waren die Rollen vertauscht: Jetzt kletterte der Sohn als Seil-Erster und der Vater hinterher. Das hatten sie so auch schon 2010 am Matterhorn praktiziert, als die beiden erstmals durch die später „Barmasse-Couloir“ getaufte Rinne in der Südwand geklettert waren. „Das hatten vor uns schon viele hochkarätige Kletterer vergeblich versucht“, erzählt Hervé stolz. „Wir haben es geschafft. Der Berg schickte damit eine Botschaft: Manchmal braucht man nicht viel Kraft, Muskeln oder ähnliches, sondern vor allem eine gute Einstellung.“ 

Herve über das Klettern mit seinem Vater

Traum von einer neuen 8000er-Route 

Herve und ich beim IMS in Brixen

Bergsteigerische Spuren hat Hervé auch schon im Karakorum in Pakistan hinterlassen. Dort gelang ihm 2008 mit seinem Landsmann Simone Moro die später auch preisgekrönte Erstbesteigung des fast 7000 Meter hohen Bekka-Brakai-Chhok-Südgipfels. Zwei Jahre später wollte Barmasse den Gasherbrum I (8080 Meter) erstmals über die chinesische Nordwand besteigen. Doch die Expedition erreichte wegen logistischer Schwierigkeiten und Problemen mit dem chinesischen Militär nicht einmal das Basislager. „Es bleibt mein Traum, meinen ersten Achttausender auf einer neuen Route zu besteigen“, sagt Hervé, der auch über den Tellerrand hinaussieht. 2010 veranstaltete er gemeinsam mit Simone Moro und zwei pakistanischen Freunden im Karakorum ein Kletter-Camp für einheimische Träger. Auch Frauen waren unter den Kursteilnehmern. „In Pakistan haben Frauen normalerweise kaum die Chance, Berge zu besteigen. Dass sie dabei sein konnten, bedeutete für mich eine andere Art von Emotion. Vielleicht sogar besser, als einen Gipfel zu erreichen.“

Hervé: Ein großer Schritt für Pakistans Frauen

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