Krebs – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Mick Fowler: „Nein, ich sterbe nicht“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mick-fowler-nein-ich-sterbe-nicht/ Tue, 12 Dec 2017 15:30:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38797

Mick Fowler

Ich musste erst einmal schlucken. Er hat Krebs? Das darf noch nicht wahr sein. „Für uns im ‚Club der Halbhunderter‘ wirken Leute wie Mick Fowler wie ein Antidepressivum“, habe ich einmal über den britischen Extrembergsteiger geschrieben. Wie kaum ein Zweiter steht der inzwischen 61-Jährige in meinen Augen dafür, dass wahres Abenteuer keine Altersgrenzen kennt. Alljährlich macht sich Mick immer noch in abgelegene Regionen des Himalaya auf, um Kletter-Neuland zu betreten. Und das mit großem Erfolg: Schon dreimal wurde Mick mit dem Piolet d’Or, dem „Oscar der Bergsteiger“, ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr plante er wieder eine Erstbegehung im indischen Himalaya, wie schon 2016 mit seinem Landsmann Victor Saunders, einem anderen „Oldie, but Goldie“, 67 Jahre alt. Doch dann erhielt Fowler vor einigen Monaten die niederschmetternde Diagnose: „‘Du hast Krebs‘ war gleichzeitig ein Schock und eine Erleichterung“, schreibt Mick zurückblickend. „Die Unsicherheit war vorbei. Kein Zaudern mehr. Die Reise musste abgesagt werden. Aber was würde vor mir liegen?“

Alles fühlte sich merkwürdig an

Mick während der Chemo

Begonnen hatte es damit, dass Mick zweimal Blut im Stuhl und einen geringen Gewichtsverlust registriert hatte. Doch der Bergsteiger fühlte sich damals eigentlich fitter und gesünder als teilweise in früheren Zeiten. Zudem galt es, die Expedition zu organisieren. „Ich hatte mich in einer ‚Situation beobachten‘-Mentalität gemütlich eingerichtet“, schreibt Mick. Seine Frau Nicki war es, die ihn dazu drängte, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und zum Arzt zu gehen. Eine Darmspiegelung mit Gewebeentnahme brachte es an den Tag: Fowler litt an Darmkrebs. „Ich fühlte mich gut, aber die Ärzte sagten mir, ich sei sehr krank“, erinnert sich Mick. „Aber sie sagten mir auch, dass ich, wenn alles glatt liefe (alle Krebszellen vernichtet), in sechs Wochen wieder auf dem Damm sein könnte. Aber ich würde mich schlecht fühlen (nach Strahlen- und Chemotherapie). Das alles fühlte sich merkwürdig an.“

Positive Prognose

Fowler (r.) und Saunders auf dem Gipfel des 6000ers Sersank (2016)

Inzwischen liegt die Behandlung in einem Krankenhaus in Sheffield hinter Fowler. „All jenen, die fragen, ob ich dabei bin zu sterben, möchte ich versichern, dass es nicht so ist“, schreibt Mick. „Die Prognose ist positiv. Und Victor und ich stellen gerade unsere geplante Himalaya-Reise für 2018 neu auf die Beine.“ Fowler hat wieder mit leichtem Lauf- und Klettertraining begonnen. Mick rät allen, sorgfältig auf den eigenen Körper zu achten. „Und gehe direkt zum Arzt, wenn du irgendetwas Ungewöhnliches wahrnimmst. Nichts (nicht einmal eine Reise in den Himalaya) ist wichtiger.“ Darüber hinaus gibt es ja auch regelmäßige Krebs-Vorsorgeuntersuchungen, die jeder in Anspruch nehmen kann und auch unbedingt sollte. Bergsteiger haben schließlich kein Anti-Krebs-Gen, es kann jeden erwischen. Alles Gute, Mick! Ich drücke die Daumen.

P.S. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die von der deutschen Journalistin und Bergsteigerin Petra Thaller gegründete Initiative „Outdoor against Cancer“ (OAC) hinweisen. Sie bietet Outdoor-Aktivitäten für Krebspatienten an. „Ich habe einfach gemerkt, dass die sportliche Aktivität meiner Psyche sehr gut getan hat“, erzählte mir Petra auf der Messe ISPO im vergangenen Februar. Bei ihr war nach einer Expedition zur Carstensz-Pyramide in Papua-Neuguinea Ende 2014 Brustkrebs diagnostiziert worden.

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Lebenstraining: Outdoor against Cancer https://blogs.dw.com/abenteuersport/lebenstraining-outdoor-against-cancer/ Thu, 23 Feb 2017 13:18:15 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35143

Petra Thaller

Nach der Expedition auf Papua-Neuguinea folgte eine weitere: die gefährlichste Expedition im Leben Petra Thallers. Im Dezember 2014 hatte die deutsche Journalistin die Carstensz-Pyramide bestiegen, den mit 4884 Metern höchsten Berg Ozeaniens und damit einen der „Seven Summits“, der höchsten Gipfel aller Kontinente. Kurz nach ihrer Rückkehr stellte Petra fest, dass sich ihre Brust veränderte. Die Diagnose der Ärzte: Krebs. Sechs Tumore in der rechten Brust. Später bildete sich sogar noch ein siebter. Thaller nahm den Kampf gegen die Krankheit an, das volle Programm: Operationen, Chemotherapie,  Antikörpertherapie. Und sie trieb weiter Sport. „Ich war damals richtig fit“, erzählt mir die 55 Jahre alte Münchnerin. „Ich bin super trainiert in die Chemotherapie hereingegangen und habe auch während aller zwölf Zyklen immer Sport gemacht. Ich bin laufen gegangen. Und mir ging es gut.“ Diese Erfahrung wollte Petra an andere Krebspatienten weitergeben. Sie gründete die Initiative „Outdoor against Cancer“ (OaC).

Gut für die Psyche

Schneeschuhwandern mit „Outdoor against Cancer“

„Es gab damals einfach keine Outdoor-Aktivitäten für Krebspatienten“, sagt Thaller. Sie ging mit ihrer Tochter und ihrem Sohn laufen. „Ich habe ihnen gesagt: ‚Wenn ich mich mal schlecht fühle, dürft ihr mir in den Hintern treten und mich rausschicken.‘ Und das haben sie auch gemacht.“ Dank OaC hat sich die Situation für Krebspatienten, die trotz ihrer Krankheit weiter in der Natur Sport treiben wollen, inzwischen geändert. Regelmäßig treffen sich nun Gruppen, ob zum Joggen, Zirkeltraining, Schneeschuhwandern, Mountainbiken oder Segeln. Und das Projekt expandiert: von München aus nach ganz Deutschland. Auch in anderen europäischen Staaten soll es bald OaC-Programme geben. „Ich habe einfach gemerkt, dass die sportliche Aktivität meiner Psyche sehr gut getan hat“, beschreibt Petra ihre Erfahrungen während der Chemotherapie. „Ich hatte einfach keine Depressionen. Ich habe in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht, warum ausgerechnet ich Krebs bekam, obwohl ich mich doch immer gesund ernährt und viel Sport getrieben hatte. Und ich habe auch nicht darüber nachgedacht, dass ich daran sterben könnte. Das war einfach nie mein Ding.“

Petra Thaller: Ich hatte keine Depressionen

Hier und jetzt

Petra 2014 an der Carstensz-Pyramide

Thaller strahlt eine ungeheure Lebensfreude aus, die ansteckend wirkt.  „Ich habe keine Lust, das Leben nicht zu genießen“, sagt Petra. Sie erzählt von einem 44-Jährigen, der an einem Gehirntumor leide. Er sei nach der Krebsdiagnose zunächst fünf Monate lang nicht aus dem Haus gegangen. Heute gehöre er zu den regelmäßigen Teilnehmern ihrer Trainingsgruppe: „Er hat mal gesagt: ‚Petra macht mich wieder fit.‘ Das war eigentlich das größte Geschenk.“ Ich will von ihr wissen, ob der Sport für sie mehr Training für den Körper oder für die Seele ist. „Lebenstraining“, antwortet Thaller. Überlebenstraining? Sie schüttelt den Kopf. „Lebenstraining. Es hat nichts mit Überleben zu tun. Genieße das Leben und zwar im Hier und Jetzt!“ Das ist die Botschaft, die sie anderen Krebspatienten mit auf den Weg geben will: „Geht raus! Macht irgendwas, fahrt weg! Das Leben findet jetzt statt und nicht in vielleicht fünf Jahren, wenn jemand sagt, jetzt bist du aus dem Gröbsten raus.“

Petra Thaller: Sucht das Abenteuer!

Nächstes Ziel: Aconcagua

Ihre eigene vorerst letzte Chemotherapie liegt schon lange hinter Petra Thaller, die letzte Antikörper-Therapie ein halbes Jahr. Ist sie damit über den Berg? „Wann ist man jemals in seinem Leben über den Berg?“, sagt Petra und lacht. „Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass es schiefgehen könnte. Insofern bin ich vielleicht ein sehr gutes Beispiel dafür, dass auch alles gutgehen kann.“ Der Expedition auf die Carstensz-Pyramide soll bald eine neue folgen: „Ich habe schon ein Ziel für nächstes Jahr“, verrät Petra. „Ich gehe auf den Aconcagua.“ Der mit 6962 Metern höchste Gipfel Südamerikas gehört ebenfalls zu den „Seven Summits“. Der höchste aller Berge sei für sie kein Thema, sagt Thaller: „Der Everest hat mich nie interessiert.“ Ihren persönlichen Mount Everest hat sie ohnehin schon bestiegen.

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Heidi Sand: „Du hast nur ein Leben. Nutze es!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/heidi-sand-du-hast-nur-ein-leben-nutze-es/ Tue, 13 Dec 2016 09:56:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34439 Heidi Sand (im November in Patagonien)

Heidi Sand (im November in Patagonien)

Dass der Denali ihr Leben auf diese Weise verändern würde, konnte Heidi Sand nicht ahnen. Als die deutsche Bergsteigerin und Bildhauerin 2010 vom Gipfel des höchsten Bergs Nordamerikas (6190 Meter) abstieg, hatte die damals 43-Jährige plötzlich starke Magenschwerzen. Wenig später die niederschmetternde Diagnose: Darmkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Nach der Notoperation folgte die Chemotherapie. „Wenn ich das überlebe, will ich mich mit einem Achttausender belohnen“, versprach sich Heidi damals – und erfüllte sich diesen (Über-) Lebenswunsch: Am 26. Mai 2012 stand die Mutter dreier Kinder auf dem Gipfel des Mount Everest.

Heidi Sand hat die kritische Fünfjahresmarke nach der Krebsdiagnose längst hinter sich. Sie gilt als geheilt – und hat nach dem Everest weitere Bergprojekte realisiert. So bestieg Heidi im Herbst 2013 ohne Flaschensauerstoff den Cho Oyu und im Frühjahr 2014 (mit Atemmaske) den Makalu. Mit Billi Bierling teilt sich Heidi die Ehre, als erste deutsche Bergsteigerinnen den Gipfel des Makalu erreicht zu haben. Ihre drei Achttausender-Erfolge widmete sie ihren Kindern, für ihren Mann blieb die Eiger-Nordwand, die Sand vor einem Jahr durchstieg. In diesem November versuchte sie sich mit dem Schweizer Bergführer Lorenz Frutiger vergeblich am legendären Granitriesen Fitz Roy in Patagonien, das Wetter machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ich habe der 50-Jährigen vier Fragen zu ihrem Bergsteigen gestellt.

Heidi, was verdankst du den Bergen, speziell dem Mount Everest?

Heidi Sand (© AthletenWerk/Bob Berger)

Am Mount Everest (© AthletenWerk/Bob Berger)

Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl, auf dem höchsten Punkt der Erde stehen zu dürfen. In dem Bewusstsein, dass dich deine mentale Stärke und deine körperliche Fitness dort hoch gebracht haben. Jeder neue Gipfel gibt mir eine neue Perspektive – nicht nur das Umland, sondern insbesondere auch auf mich selbst, auf mein Leben. Es gibt mir Kraft und Zuversicht.
Das Ziel, den Everest zu besteigen, habe ich während der Chemotherapie gefasst, und mich hat dieses Ziel vor Augen aus meinem Tal gezogen. Nicht hinsetzen und in Selbstmitleid verfallen, sondern aufstehen. Sich bewegen und wieder das Licht am Ende des Tunnels finden.

Du bist als Krebskranke dem Tod von der Schippe gesprungen. Hat dich diese Erfahrung in den Bergen mutiger oder zumindest risikofreudiger gemacht?

Ich konzentriere mich stärker als früher auf die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, die mir am Herzen liegen. Wir schulden es uns selbst und den anderen, jeden Tag auszuschöpfen. Du hast nur ein Leben. Nutze es!
Risikofreudiger – in dem Sinne, dass ich jetzt mehr Risiken eingehe als früher – bin ich nicht geworden. Da ich jetzt aber öfter in den Bergen bin und meine Ziele konsequenter verfolge, gehe ich in der Summe natürlich schon höhere Risiken ein, die es mir aber wert sind.

Am Fitz Roy

Am Fitz Roy

Nach dem Everest hast du auch den Cho Oyu und den Makalu bestiegen. War es das für dich mit den Achttausendern?

Ich hatte mit dem Cho Oyu noch eine Rechnung offen und wollte außerdem einen 8000er ohne zusätzlichen Sauerstoff besteigen. Der Makalu wird weit seltener bestiegen als der Everest und stellt auch technisch sehr viel höhere bergsteigerische Anforderungen. Jedes Projekt war detailliert geplant, aber es gibt natürlich immer Ereignisse, die man nicht voraussehen kann. Ich hatte also auch großes Glück, alle drei besteigen zu dürfen. Gegenwärtig möchte ich nicht sagen, dass es das mit den Achttausendern nun war. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Aber es gibt noch viele weitere bergsteigerische Herausforderungen für mich, die nicht nur durch ihre Höhe definiert sind, wie z. B. die Eigernordwand (durchstiegen am 20.12.2015), den Fitz Roy in Patagonien, den Mount Foraker in Alaska und viele weitere Berge in den Alpen und weltweit.

Nach welchem Muster suchst du deine Bergziele aus?

Ich habe keine ausgefeilte Strategie. Das jeweilige Bergziel muss mich vielmehr einfach ansprechen. Emotional, optisch, wegen seiner Geschichte oder aufgrund seiner bergsteigerischen Herausforderung für mich. Meistens sind es mehrere dieser Faktoren.
Beim Abstieg vom Everest habe ich mich in den Makalu „verguckt“. Diese überwältigende Felspyramide hat mir damals schon quasi zugewunken. Zudem gilt er als schwieriger 8000er, wegen seiner Höhe und seinen technischen Herausforderungen. Bei der Eiger-Nordwand – an deren Fuß ich schon oft Skifahren war und das Buch „Die weiße Spinne“
(von Heinrich Harrer über die Erstdurchsteigung der Wand im Jahr 1938) verschlungen habe – hat mich natürlich seine tragische Geschichte in ihren Bann gezogen. Erst wenn ich dann solch einen Berg gefunden habe, geht es an die Planung und Vorbereitung.

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Marietta Uhden ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/marietta-uhden-ist-tot/ Wed, 26 Nov 2014 10:50:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27835 Marietta Uhden (1968-2014)

Marietta Uhden (1968-2014)

Eine der großen deutschen Kletterinnen ist tot. Marietta Uhden starb in der Nacht zum Montag im Alter von 46 Jahren an Krebs. Sie hatte seit Jahren gegen die schreckliche Krankheit gekämpft. Die gebürtige Münchnerin war in ihrer Kindheit Turnerin und fand erst im Alter von 20 Jahren zum Sportklettern. Die Erfolge stellten sich schnell ein. 1993 holte Uhden ihren ersten von insgesamt zwölf deutschen Meistertiteln (zehn im Schwierigkeitsklettern, zwei im Bouldern). 1997 wurde sie WM-Dritte im Sportklettern, im Jahr 2000 gewann sie als erste deutsche Kletterin den Boulder-Weltcup.2005 beendete die „Steffi Graf des deutschen Sportkletterns“, wie Marietta  einmal genannt wurde, ihre Wettkampf-Karriere und widmete sich wieder ausschließlich dem Felsklettern. „Ich liebe es, in der freien Natur klettern zu gehen, mit ganz wenigen Dingen auszukommen und unter freiem Himmel zu übernachten“, sagte Uhden damals in einem Interview der Zeitschrift ALPIN. Auch im Fels setzte sie Maßstäbe: So konnte sie 2001 als erste Frau weltweite eine Route im elften Schwierigkeitsgrad („Sonne im Herzen“ in den bayrischen Voralpen) erstbegehen. Marietta hinterlässt ihren Ehemann und eine bald fünfjährige Tochter. R.I.P.

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