Kaschgar – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Shity-Tour https://blogs.dw.com/abenteuersport/shity-tour/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/shity-tour/#comments Wed, 30 Jul 2014 13:05:27 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27073 Apak Hoja Mazar

Apak Hoja Mazar

Das dürfte eine der kürzesten Stadtrundfahrten in der Geschichte Kaschgars gewesen sein. An unserem letzten Tag in der Metropole an der Seidenstraße will uns Fremdenführer Akbar einige Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen. Mit dem Bus fahren wir zunächst zur Apak Hoja Mazar. In diesem Mausoleum, das 1640 erbaut wurde, sind 72 Mitglieder des Hoja-Clans bestattet. Das waren Uiguren, die zu ihrer Zeit ganz gut darin waren, mit ihren Truppen gegen scheinbar übermächtige Gegner anzutreten und sich einiges unter den Nagel zu reißen, was ihnen vorher nicht gehört hatte. Das Mausoleum ist ein sehr gut erhaltenes, schönes Bauwerk. „Seit fast 400 Jahren ist die Farbe unverändert, selbst die weißen Teile“, erzählt Akbar. „Ein kleines Wunder“. Das hätten wir auch gebraucht, um zu unserem zweiten Tagesziel zu gelangen, der großen Moschee Kaschgars. Es bleibt aus, wir stranden an einer Straßensperre.

Ungeliebter Imam ermordet

Akbar spricht mit einem schwer bewaffneten Polizisten. Doch der schüttelt immer wieder den Kopf. Wir erfahren, dass in der vergangenen Nacht der Imam von Kaschgar ermordet worden ist. Ausgerechnet zum Ende des moslemischen Fastenmonats Ramadan. Aus chinesischer Sicht handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Verbrechen, sondern einen politischen Affront. Der Imam galt als Peking- treu und war bei der uigurischen Bevölkerung der Stadt, um es vorsichtig zu formulieren, nicht gerade beliebt. „Für viele hier ist heute ein Feiertag“, sagt Akbar. Die chinesischen Behörden verstehen in dieser Hinsicht keinen Spaß. Sie wittern einen Aufruhr der chronisch aufmüpfigen Uiguren und schließen nicht nur die Moschee, sondern auch die Märkte der Stadt und fast alle Geschäfte und Restaurants. Polizei und Armee sperren die großen Straßen. Alle Versuche, per Smartphone ins Internet zu gelangen, scheitern. Viel geht nicht mehr in Kaschgar.

Zur Fahndung ausgeschrieben

Zur Fahndung ausgeschrieben

Take it easy!

Immerhin gelangen wir noch zu einem netten Restaurant, das eigentlich auch geschlossen haben müsste. Doch Akbar kennt den Besitzer gut und so dürfen wir Kebab und andere Köstlichkeiten der lokalen Küche genießen. Damit endet allerdings unsere Stadtrundfahrt. Der Fahrer unseres Busses will eigentlich nur tanken, bleibt dann aber im Netz der vielen Straßensperren hängen. Wir müssen nach dem Essen lange warten. Einige vertreiben sich die Zeit mit einem Nickerchen im Restaurant. Schließlich verkündet Akbar, dass wir dem Bus entgegengehen sollten, da unser Fahrer an einer der Sperren nicht vorbeikomme. Zehn Minuten später stehen wir an besagter Kreuzung und blicken in die  Gesichter einiger grimmiger Soldaten mit Maschinenpistolen im Anschlag. Die Jungs würde ich heute nicht unbedingt zum Skatspielen einladen. Meine Kamera habe ich vorsichtshalber tief im Rucksack versteckt. Gerade als wir die Sperre hinter uns gelassen haben, wird die Straße freigegeben. Wenig später biegt unser Bus um die Ecke, und wir fahren zurück zum Hotel. „Das war keine City-Tour, sondern eine Shity-Tour“, witzelt Hannes. Auch Akbar muss lachen. „Nehmt es leicht! Dann kauft ihr eure Souvenirs eben nicht in Kaschgar, sondern morgen in Kirgistan!“

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Wie Clint ohne Colt https://blogs.dw.com/abenteuersport/wie-clint-ohne-colt/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/wie-clint-ohne-colt/#comments Tue, 29 Jul 2014 13:43:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27051

Vorher…

Einige Berufe mit großer Tradition sind in unseren Breiten nahezu ausgestorben. Etwa der des Barbiers. Die Haare kannst du dir in Europa überall schneiden lassen, aber den Bart entfernen? Das kennen wir bestenfalls noch aus den Western des letzten Jahrhunderts: Clint Eastwood setzt sich auf den Stuhl, ein schmieriger Barbier zückt das Rasiermesser und setzt es Clint mit einem fiesen Grinsen an den Hals. Das Lächeln vergeht ihm jedoch, weil Clint ihm den geladenen Colt zwischen die Beine hält. Oder war es Charles Bronson? Wie auch immer, an diese Szene fühle ich mich heute morgen erinnert, als ich von einem jungen Uiguren auf dem Barbierstuhl in die Waagerechte befördert werde und er mir das Rasiermesser an den Hals hält.

Neue Klinge

Unterm Messer

Drei Wochen lang haben wir uns nicht mehr rasiert, haben damit dem Klischee entsprochen, dass Bergsteiger auf Expeditionen verwildern, zu langmähnigen und -bärtigen Halbtieren werden. Doch ehe wir hier in Kaschgar aufgrund unseres wilden Erscheinens als Yetis in den Zoo eingeliefert werden oder als Kinderschreck in Polizeigewahrsam geraten, beschließen Churchy, Hannes, Richard, Manuel und ich, gemeinsam einen Barbier aufzusuchen und uns der Barthaartracht zu entledigen. Keine 200 Meter von unserem Hotel entfernt lotst uns Muhammad, unser „Basecamp Manager“, in einen Barbierladen. Fünf Meister ihres Fachs erwarten uns. Wer als Mann jemals in Asien weilt, sollte sich dieses Erlebnis, das umgerechnet gerade einmal 2,50 Euro kostet, nicht entgehen lassen. Zunächst ölt der Barbier die Haut unter dem Bart ein und massiert sie minutenlang. Erst dann trägt er die Rasiercreme auf und schäumt sie mit einem Pinsel auf. Der junge Uigure, der mich unter dem Messer hat, macht mich mit einem schelmischen Lächeln darauf aufmerksam, dass er eine neue, scharfe Klinge einsetzt. Ich überlege kurz, ob das der Augenblick wäre, den Colt zu ziehen. Aber ich bin nicht Clint, sondern völlig wehrlos.

Der Bart ist ab

… nachher

Nun führt mir der Barbier die Klinge durchs behaarte Gesicht. Sehr geschickt, sehr vorsichtig. An den kritischen Stellen, etwa unterhalb der Lippe oder unter der Nase, zieht er routiniert die Haut glatt und entfernt auch dort die Yeti-Spuren. Nachdem er das Messer beiseite gelegt hat, massiert er noch einmal nach und schneidet als Zugabe mit einer Schere die lang gewachsenen Haare in Nase und Ohren. Nach einer Viertelstunde ist das Werk vollendet. Mit einer Gesichtshaut, so glatt wie ein Kinderpopo, mache ich dem nächsten Platz. Die Gefahr, in Kaschgar eingesperrt zu werden, ist gebannt.

Ende des Ramadan

Glanz vergangener Tage

Nach dem Besuch beim Barbier lassen wir uns durch Kaschgar treiben. Heute endet der Fastenmonat Ramadan. Die moslemische Bevölkerung ist in Feierlaune, viele tragen Festtagskleidung. Auf offener Straße werden Schafe geschächtet, Fleischspieße gegrillt und Brotfladen gebacken. Kaschgar hat zwei Gesichter. In der Altstadt versprüht es noch den Charme der alten, muslimisch geprägten Stadt an der Seidenstraße. Drumherum schießen die Hochhäuser nach chinesischem Großstadtmuster in den Himmel. Auf dem Platz vor der großen Mao-Statue haben schwer bewaffnete Polizeieinheiten dauerhaft Stellung bezogen. Vor einigen Jahren gab es in Kaschgar und anderen Städten der Region schwere Unruhen, weil die Uiguren nach Unabhängigkeit strebten, die Zentralregierung in Peking dies jedoch mit allen Mitteln verhindern wollte. Von diesem Konflikt ist auf den Straßen Kaschgars zum heutigen Ende des Ramadan wenig zu spüren.

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Vom Basislager ins Vier-Sterne-Hotel https://blogs.dw.com/abenteuersport/vom-basislager-ins-vier-sterne-hotel/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/vom-basislager-ins-vier-sterne-hotel/#comments Mon, 28 Jul 2014 18:25:39 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27037 Oh nein, bitte bleibt hier!

Oh nein, bitte bleibt hier!

Zurück in der Zivilisation. Als wir mit unseren verstaubten Bergschuhen und Hosen sowie den verschwitzten T-Shirts im Vier-Sterne-Hotel in Kaschgar einrücken, wirken wir ein wenig deplatziert. Zweieinhalb Wochen am Berg haben ihre Spuren hinterlassen. Wir nehmen die abschätzenden Blicke gelassen. Schließlich haben wir den 7129 Meter hohen Kokodak Dome erstbestiegen. Heute früh haben wir das Basislager geräumt. Mich beschleicht ein seltsames Gefühl, als ich auf den Platz sehe, wo über zwei Wochen lang mein Zelt gestanden hat.

Blicke auf den Kokodak Dome

Blick zurück auf den Kokodak Dome

Blick zurück auf den Kokodak Dome

Unser Abenteuer neigt sich dem Ende zu. Fünf Stunden lang steigen wir hinab ins Tal. Eine letzte Kraftanstrengung. Wir freuen uns über die unterschiedlichen Blicke auf „unseren“ Berg, die sich uns während der Wanderung bieten. Beim Aufstieg hatte sich der Kokodak Dome hinter Wolken versteckt. Jetzt bleiben wir häufig stehen. „Ist das der Gipfel?“ „Nein, weiter rechts!“ „Jetzt aber, siehst du die drei Spitzen? Zwei davon haben wir erst für den höchsten Punkt gehalten.“ Irgendwann lassen wir die Schneeberge hinter uns und wandern durch eine staubige, fast wüstenähnliche Landschaft. Hochmotiviert sind wir nicht mehr. Wir wollen nur noch herunter.

Socken aus, fertig! 

Zurück im Grünen

Zurück im Grünen

Endlich erreichen wir die große Talsperre, die die Chinesen aufgestaut haben. Es folgt eine vierstündige Busfahrt, entlang endloser Baustellen für Wasserkraftwerke und Straße. Am späten Abend (hier gilt aus politischen Gründen Peking-Zeit) erreichen wir die Metropole Kaschgar. Zehn Minuten Zeit haben wir, um den Staub der Wanderung abzuschütteln. Dann gehen wir essen. Weil unser Gepäck noch nicht eingetroffen ist, improvisiere ich. Ich ziehe einfach die stinkenden Socken aus und schlüpfe barfuß in die Schuhe. Die staubige Hose wasche ich mit einem feuchten Lappen ab. Und schon bin ich wieder repräsentabel. Halbwegs. Die Dusche muss warten.

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