Holzel – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Die Kamera vom Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/die-kamera-vom-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/die-kamera-vom-everest/#comments Thu, 22 Apr 2010 08:41:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/04/22/die-kamera-vom-everest/ Es ist der wohl meistgesuchte Fotoapparat der Welt: eine Kodak-Kamera im Westentaschenformat, die seit 86 Jahren am Mount Everest vermisst wird. Es wird vermutet, dass sie der Brite Andrew Irvine bei sich trug, als er gemeinsam mit seinem Landsmann George Leigh Mallory am 8. Juni 1924 Richtung Gipfel aufbrach. Noell Odell, ein weiteres Mitglied der Expedition, sah nach eigenen Angaben die beiden später, als kurz die Wolkendecke aufriss, am Grat oberhalb einer Felsstufe. Er meinte, dass es sich dabei um den sogenannten „Second Step“ handelte, die schwierigste Stelle des Aufstiegs auf der heutigen Normalroute. Mallory und Irvine kehrten nicht zurück. Seitdem wird darüber spekuliert und diskutiert, ob die beiden möglicherweise als erste Menschen den Gipfel des Mount Everest erreicht haben könnten. Das Rätsel könnte vielleicht gelöst werden, fände sich eine der mindestens zwei Kameras, die sich angeblich im Gepäck der Bergsteiger befanden. Kodak-Experten halten es jedenfalls für möglich, dass die damals benutzten Schwarz-Weiß-Filme die Jahrzehnte am Everest überdauert haben und die Bilder restauriert werden könnten.


Das letzte Foto von Mallory und Irvine

Der Marmormann

1933 wurde Irvines Eispickel unterhalb des „First Step“, einer weiteren, tiefer gelegenen Felsstufe, gefunden. Hatte sich Odell geirrt und die beiden möglicherweise weiter unten gesehen? 1999 machte sich eine Expedition unter Leitung des US-Amerikaners Eric Simonson auf die Suche nach den vermissten englischen Bergsteigern. Conrad Anker entdeckte die Leiche Mallorys auf einer Höhe von 8160 Metern, etwa in Falllinie der Eispickel-Fundstelle. „Ich hatte den Eindruck, eine griechische oder römische Marmorstatue zu sehen“, schreibt Anker in seinem Buch „Verschollen am Mount Everest“. Die an einigen Körperteilen freiliegende Haut schimmerte weiß. Mallorys Bein war gebrochen, schwere Kopfverletzungen waren zu sehen. Die Expeditionsmitglieder fanden in den Taschen des offenkundig abgestürzten Bergsteigers mehrere persönliche Gegenstände, aber keinen Fotoapparat. Weitere Suchexpeditionen 2001 und 2004 blieben erfolglos.

Zu 85 Prozent überzeugt

Anfang dieses Jahres sorgte die verschollene Kamera erneut für Schlagzeilen. Der Everest-Historiker Tom Holzel erklärte, er habe durch die Analyse hochaufgelöster Luftaufnahmen in einer Höhe von 8425 Metern eine Stelle ausgemacht, an der etwas 1,80 Meter Großes liege. „Ich bin zu 85 Prozent überzeugt, dass es sich um Irvine handelt“, sagte Holzel. Es sei nahe der Stelle, an der 1960 zwei chinesische Bergsteiger die gefrorene Leiche eines Engländers gesehen haben wollen. Holzel scheiterte mit seinem Versuch, Sponsoren für eine 200.000 Dollar teure Suchexpedition aufzutreiben.


Irgendwo nahe der Pfeilmarkierung wird die Leiche Irvines vermutet

R.I.P.?

Ein spanischer Bergsteiger berichtete kürzlich, eine österreichische Expedition suche in diesem Frühjahr nach Irvine und dessen Kamera. Und tatsächlich taucht im Blog des nepalesischen Expeditionsveranstalters Explore Himalaya die Mitgliederliste einer deutsch-österreichischen Expedition zur tibetischen Seite des Mount Everest auf. Darauf stehen unter anderen ein Regisseur und zwei Kameramänner aus Österreich, die sich auf spektakuläre Bergfilme spezialisiert haben. Als Expeditionsleiter wird der Deutsche Jochen Hemmleb aufgeführt. Der hatte mit seinen Nachforschungen zu Mallory und Irvine die Suchexpedition 1999 angestoßen und auch daran teilgenommen. „Mein Leben beschleunigte sich, als hätte man mich auf eine Rakete gesetzt und die Lunte gezündet“, schreibt Hemmleb über die Zeit danach. 2009 erschien mit „Tatort Mount Everest. Der Fall Mallory“ bereits sein zweites Buch zum Rätsel um die beiden englischen Bergsteiger. Und was macht Hemmleb jetzt an der Nordseite des Mount Everest? Ich glaube kaum, dass er nur den Gipfel besteigen will.
R.I.P. (Ruhe in Frieden), das dürfte für Andrew Irvine wohl in nächster Zeit nicht gelten. Vielleicht hätte er doch den Fotoapparat im Basislager lassen sollen.

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