Hermann Buhl – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Vor 60 Jahren: Buhl auf dem Nanga Parbat https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-60-jahren-buhl-auf-dem-nanga-parbat/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-60-jahren-buhl-auf-dem-nanga-parbat/#comments Sun, 30 Jun 2013 18:09:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22385

Hermann Buhl

Hermann Buhl ist ein Dickkopf. Es schert ihn in diesen ersten Juli-Tagen 1953 nicht, dass unten im Nanga-Parbat-Basislager  der Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer mehrfach zur Umkehr bläst. Der Deutsche mag ja als Geldbeschaffer und Organisator von Expeditionen taugen, aber nicht als Bergsteiger.  Im Gegensatz zu Buhl, der mit 28 Jahren in Topform ist: 1952 hat der Österreicher in den Alpen die Nordostwand des Piz Badile als Erster im Alleingang durchstiegen, im Februar die Watzmann-Ostwand, ebenfalls solo und im Winter. Und jetzt sieht er eine gute Chance, dem Nanga Parbat auf Haupt zu steigen, diesem Achttausender in Pakistan, den die Nazis zum „deutschen Schicksalsberg“ er- und verklärt hatten. 1225 Höhenmeter und über sechs Kilometer Distanz liegen noch zwischen dem höchsten Lager und dem Gipfel. Als sein Zeltpartner Otto Kemptner nicht zur vereinbarten Zeit zum Aufbruch bereit ist, stapft Buhl alleine los. „Es ist sternenklar, die Mondsichel leuchtet herunter und wirft silbernes Licht auf den vor mir aufstrebenden Grat, es ist windstill, doch klar“, schreibt Buhl später.

Hermann Buhl über seinen Alleingang zum Gipfel des Nanga Parbat

Biwak im Stehen

Nanga Parbat

Er erwartet zunächst, dass sein Gefährte zu ihm aufschließen wird, registriert dann aber, dass Kempter aufgibt. Buhl weiß nun, dass er es allein oder gar nicht schaffen wird. Immer weiter steigt er auf, ignoriert einfach, dass seine Kräfte schwinden. Der pure Wille treibt ihn hinauf. In den frühen Abendstunden des 3. Juli 1953 erreicht Buhl schließlich den höchsten Punkt auf 8125 Metern: „Ich bin mir der Bedeutung des Augenblicks nicht bewusst, fühle auch nichts von Siegesfreude, komme mir gar nicht als Sieger vor. Ich bin nur froh, dass ich heroben bin und all diese Strapazen vorläufig ein Ende haben.“ Doch da täuscht sich Buhl. Das eigentliche Martyrium steht ihm noch bevor. Auf einem kleinen Felsvorsprung stehend verbringt er die Nacht. Buhl schluckt Tabletten gegen Erfrierungen und das Aufputschmittel Pervitin, um nicht einzuschlafen. 41 Stunden nach seinem Aufbruch kehrt er mit letzter Kraft zum obersten Lager zurück. Eine unglaubliche Energieleistung. Buhl sieht aus, als sei er in knapp zwei Tagen um Jahre gealtert.

Expeditionsgefährte Hermann Köllenperger über den Gebrauch von Pervitin

Tod an der Chogolisa

Das beeindruckende Gipfeltrapez der Chogolisa

1995 werden japanische Bergsteiger für denselben Weg 39 Stunden brauchen, trotz modernster Ausrüstung und genauer Wegkenntnis. „Damit wird klar, dass Buhl seiner Zeit mindestens 50 Jahre voraus war“, sagte mir Reinhold Messner, als ich ihn vor zehn Jahren zu Buhls Pionierleistung am Nanga Parbat befragte. „Für einen normalen Bergsteiger war das, was Buhl gemacht hat, nicht überlebbar.“

Alt wird Hermann Buhl nicht. Als er am 27. Juni 1957 mit Kurt Diemberger über den Gipfelgrat des Siebentausenders Chogolisa im Karakorum steigt, bricht unter ihm eine Wächte ab. Buhl stürzt mit ihr in den Tod. Wenige Tage zuvor hat er mit seinen österreichischen Landsleuten Diemberger, Fritz Wintersteller und Marcus Schmuck den Broad Peak erstbestiegen: als kleines Team, ohne Hochträger – eine Revolution im Achttausender-Bergsteigen.

Reinhold Messner über Hermann Buhl

Noch ohne Winterbesteigung

Und der Nanga Parbat? 60 Jahre nach Buhls Coup ist der „Nackte Berg“ ein relativ exklusiver Berg geblieben. Mehr als 300 Gipfelerfolge wurden verzeichnet. Zum Vergleich: Am Mount Everest wurde inzwischen die 6000er-Marke überschritten. Etwa 70 Bergsteiger starben bei dem Versuch, den Nanga Parbat zu besteigen. Im Winter hat es trotz zahlreicher Versuche noch niemand auf den Gipfel geschafft. In den nächsten Jahren wird es am Nanga Parbat wahrscheinlich deutlich ruhiger werden. Der Mordanschlag auf das Basislager auf der Diamirseite in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni dürfte dazu führen, dass viele Bergsteiger und Trekkingtouristen zunächst einmal einen Bogen um diesen Achttausender machen.

P.S. Ja, ja, ich weiß, der 60. Jahrestag ist erst am Mittwoch. Aber dann sitze ich bereits in der Sonne und bin faul.  🙂

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Piolet d’Or für Kurts Lebenswerk https://blogs.dw.com/abenteuersport/kurt-diemberger-pioletdor-2013/ Thu, 04 Apr 2013 13:05:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20847

Kurt Diemberger

Kurt ist eine lebende Legende. Gleich zwei Achttausender hat der inzwischen 81 Jahre alte Österreicher Kurt Diemberger erstbestiegen und auch danach noch für viele Glanzlichter gesorgt. Nicht nur als Bergsteiger, auch als Filmemacher, Fotograf und Autor. Heute abend wird er in Courmayeur im Schatten des Mont Blanc für sein Lebenswerk mit dem Piolet d’Or geehrt, dem Goldenen Eispickel, dem „Oscar der Bergsteiger“. Keine Frage, Kurt ist ein würdiger Preisträger.

Revolutionärer Stil 

1957 schrieb der damals 25-Jährige mit seinen Landsleuten Hermann Buhl, Markus Schmuck und Fritz Wintersteller Alpingeschichte: Als erste bestiegen sie den Achttausender Broad Peak in Pakistan – und das im „Westalpenstil“: als kleines Team, mit minimaler Ausrüstung, ohne Hochträger und ohne Flaschensauerstoff. Das kam einer Revolution gleich. Damals wurden Achttausender üblicherweise mit großen Mannschaften und Bergen von Material regelrecht belagert. Nach dem Erfolg zerfiel die Seilschaft jedoch. Schmuck und Wintersteller bestiegen nach dem Broad Peak auch noch erstmals den 7410 Meter hohen Skil Brum. Buhl und Diemberger versuchten sich an der 7688 Meter hohen Chogolisa. Auf dem Gipfelgrat kamen die beiden in einen Wettersturz. Plötzlich brach unter Buhl eine Wächte ab, er stürzte in den Tod. (Kurt hat mir davon einmal sehr eindringlich erzählt, wie ihr im Audio unten hören könnt). 

Kurt Diemberger über Hermann Buhls Tod am 27.6.1957

Sechs Achttausender 

Kurt in der Mitte, l. der legendäre pakistanische Hochträger „Little Karim“ Balti, r. ich

Drei Jahre danach, 1960, zählte Diemberger auch zu den Erstbesteigern des Dhaulagiri. Außer ihm war es nur Hermann Buhl gelungen, zwei Achttausender erstmals zu besteigen (1953 Nanga Parbat, 1957 Broad Peak). Später stand Kurt noch auf den Gipfeln von vier weiteren Achttausendern: auf dem Makalu (1978), dem Mount Everest (1978), dem Gasherbrum II (1979)  – und dem K 2 (1986). Den zweithöchsten Berg der Erde bezeichnet Kurt als „Traum- und Schicksalsberg“. Nachdem er mit seiner langjährigen Seilpartnerin, der Britin Julie Tullis, den Gipfel des K 2 erreicht hatte, gerieten die beiden in einen Wettersturz, der sie tagelang im Hochlager gefangen hielt. Julie starb an Erschöpfung, vier weitere Bergsteiger kamen ebenfalls ums Leben. Kurt schaffte es mit schweren Erfrierungen zurück ins Basislager. Mehrere Fingerglieder der rechten Hand mussten ihm damals amputiert werden.

Kurt Diemberger über die Katastrophe 1986 am K 2

Fünfter Preisträger 

Auch heute ist Kurt noch viel unterwegs: auf Vortragsreisen, in den Bergen oder eben wie jetzt in Courmayeur, um Auszeichnungen entgegenzunehmen. Der Ehrenpreis für sein Lebenswerk heißt offiziell „Prix Walter Bonatti“, benannt nach dem inzwischen verstorbenen ersten Preisträger im Jahr 2009. In den folgenden Jahren erhielten Reinhold Messner, der Brite Doug Scott und der Franzose Robert Paragot diesen Goldenen Eispickel. 

Oldies, but Goldies 

Der Mazeno-Grat (© Doug Scott)

Mit Spannung wird erwartet, wer am Freitagabend den aktuellen Piolet d’Or in Händen halten wird. Sechs Projekte aus dem Jahr 2012 sind nominiert, zwei an 6000ern (darunter auch die hier im Blog beschriebene Expedition am Shiva in Indien), drei an 7000ern und eines am Achttausender Nanga Parbat. Letzteres Unternehmen ist eindeutig mein persönlicher Favorit: Die Briten Sandy Allan und Rick Allen hatten – wie ebenfalls hier berichtet – erstmals den 8125 Meter hohen Gipfel über den Mazeno-Grat erreicht, den mit rund zehn Kilometern längsten Grat an einem Achttausender. 18 Tage lang waren sie in großer Höhe unterwegs. Beide sind übrigens weit über die 50. Manchmal zahlt sich Erfahrung eben aus.

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