Expeditionsleiter – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 f (Expeditionsleiter) = Autorität + offenes Ohr https://blogs.dw.com/abenteuersport/studie-hierarchie-expeditionen/ Thu, 22 Jan 2015 13:47:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28173 Expeditionsleiter: Keine leichte Aufgabe

Expeditionsleiter: Kein leichtes Brot

Schmusebär oder Diktator. Zwischen diesen Extremen bewegen sich Expeditionsleiter. Immer auf der Suche nach dem „Goldenen Weg“, der maximalen Erfolg garantiert. Wie viel Diskussion ist nützlich, wie viel „Basta!“ nötig? In den USA haben jetzt Wissenschaftler eine interessante Studie über den Einfluss von Hierarchie auf den Ausgang von Expeditionen veröffentlicht. Sie befragten Bergsteiger aus 27 Staaten und werteten die Daten von insgesamt 5104 Himalaya-Expeditionen zwischen 1905 und 2012 aus. Ihr Ergebnis: „Hierarchie führte im Himalaya nach oben, tötete aber auch: Expeditionen aus eher hierarchischen Ländern brachten mehr Teilnehmer auf den Gipfel, gleichzeitig starben dabei auch mehr Bergsteiger.“ Einerseits könne also eine starke Führung ohne Dauerdiskussionen eine Atmosphäre schaffen, in der die Teilnehmer entschlossener seien, den Gipfel zu erreichen. Andererseits erhöhe sich unter Umständen das Risiko für die Gruppe, weil die in der Rangordnung unten stehenden Bergsteiger ihre Zweifel für sich behielten. Wie aber soll nun ein Expeditionsleiter den richtigen Mittelweg finden? Ich habe bei den Machern der Studie nachgefragt.

Alles auf den Tisch

Eric Anicich

Eric Anicich

„Eine starke Führung wird im Bergsteigen immer wichtig sein, weil es so entscheidend ist, die ganze Gruppe gut aufeinander abzustimmen“, antwortet Eric Anicich von der Columbia Business School in New York. Es komme jedoch gleichzeitig darauf an, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Bergsteiger, auch jene weiter unter in der Hierarchie, ihre Bedenken frei äußern könnten. „Ein Weg für die Expeditionsleiter, dies zu erreichen, besteht darin, schon vor dem Aufbruch für ein Gruppenklima zu sorgen, in dem sich die Mitglieder sicher fühlen.“ Während der Expedition sollten die Leiter dann ihre Bergsteiger ausdrücklich ermutigen, das Wort zu ergreifen, wenn sie Informationen hätten, die für die anderen relevant seien. „Wirksame Führung erfordert, alle wichtigen Informationen auf den Tisch zu bekommen, um optimal begründete Entscheidungen treffen zu können.“ Sprich: Autorität gepaart mit einem offenen Ohr erhöht die Gipfelchance.

Schmaler Grat

Die Gruppe muss funktionieren

Die Gruppe muss funktionieren

Ich hatte die Wissenschaftler auch gefragt, ob sie zwischen kommerziellen Expeditionen mit den dort üblichen Leistungsschwankungen und solchen Gruppen unterschieden hätten, zu denen sich gleich starke Bergsteiger zusammenschlossen. Meine Vermutung: Bei kommerziellen Expeditionen dürften die beobachteten Effekte deutlicher ausgeprägt sein. „Ich stimme deiner Intuition zu“, sagt Eric Anicich. Allerdings hätten er und die anderen beteiligten Wissenschaftler dies mit ihrer Studie nicht belegen können, da ihnen verlässliche Daten über die kommerziellen Expeditionen gefehlt hätten. „Möglicherweise spielt Hierarchie dort eine größere Rolle, weil sich die Kletterer in der Regel vorher nicht kennen. Dann braucht es einen starken Expeditionsleiter, um die Bemühungen der Gruppe zu koordinieren“, glaubt Eric. „Gleichzeitig haben die Kletterer bei kommerziellen Expeditionen aber vielleicht auch zu viel Respekt vor ihrem Leiter. Das könnte sie davon abhalten, den Mund aufzumachen und über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen.“  Ein schmaler Grat. Gar nicht so leicht, ein guter Expeditionsleiter zu sein.

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Der Expeditionsleiter: Luis Stitzinger https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-expeditionsleiter-luis-stitzinger/ Wed, 02 Jul 2014 13:13:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26565 Luis Stitzinger

Luis Stitzinger

Auch für Luis ist es keine Expedition wie jede andere. „Es ist ein sehr aufregendes Projekt“, sagt Luis Stitzinger. „Eine Erstbesteigung in dieser Höhenklasse bekommt man nicht jeden Tag geboten. Ich freue mich persönlich auch sehr darauf.“ Der Bergführer aus Füssen, der unsere Expedition zum Kokodak Dome leitet, gehört zu den bekanntesten deutschen Höhenbergsteigern. Sechs Achttausender hat der 45-Jährige bereits bestiegen: den Cho Oyu (im Jahr 2000), Gasherbrum II (2006), Nanga Parbat (2008), Dhaulagiri (2009), Broad Peak (2011) und die Shisha Pangma (2013), die letzten fünf gemeinsam mit seiner Frau Alix von Melle. Luis gilt zudem als Spezialist für Skiabfahrten von den höchsten Bergen der Welt.

Wie Perlen auf der Kette

Der Kokodak Dome hat es ihm schon vor Jahren angetan. „Als ich damals am Mustagh Ata unterwegs war, dachte ich mir: ‚Mensch, das gegenüberliegende Bergmassiv des Kongur Tagh sieht aber toll aus!‘ Ein Sechs- und Siebentausender reiht sich dort an den nächsten, aufgezogen wie Perlen auf einer Kette“, erzählt Stitzinger. „Als ich dann hörte, dass es dort noch einen unbestiegenen Siebentausender gibt, der eine attraktive Route vorzuweisen hat, gab es kein Halten mehr.“

Luis Stitzing: Kniffliger als manch andere Besteigung

Das letzte Wort

Luis 2012 am Manaslu

Luis 2012 am Manaslu

Luis weiß, dass er als Bergführer am Kokodak Dome besonders gefordert sein wird. „Zum einen ist die Route unbekannt, zum anderen ist der Druck der Teilnehmer, den Gipfel zu erreichen, noch mal höher, weil es um eine Erstbesteigung geht. Das ist etwas anderes, als ob ich die 500. Besteigung der Ama Dablam zuwege bringe“, sagt Luis. „Das wird psychologisch schon kniffliger als so manch andere Besteigung.“ Als Bergführer muss er unter Umständen auch unpopuläre Entscheidungen treffen und durchsetzen – etwa, wenn er sieht, dass sich ein Teilnehmer in Gefahr begibt, weil er den Herausforderungen – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewachsen ist. „Ich hoffe doch, dass ich das letzte Wort habe“, wünscht sich Luis. „Es gibt immer wieder Situationen, wo einer das nicht akzeptieren kann und meint, er müsse die Sache aller Vernunft zum Trotz durchziehen. Darin steckt ein großes Potential, dass etwas gravierend schief läuft, bis dahin, dass jemand sterben kann.“

Luis Stitzinger: Ich habe hoffentlich das letzte Wort

Sicherheit geht vor

Stitzinger will so viele aus der Gruppe wie möglich auf den Gipfel des Kokodak Dome bringen, aber auch wieder sicher ins Tal. Seine persönlichen Ambitionen stellt er dafür hintenan. Selbst wenn er wüsste, dass er als Solist den höchsten Punkt erreichen könnte, würde Luis umkehren: „Wenn ich dann losziehe, marschiert mir garantiert irgendwer hinterher. Und ich will nicht schuld sein, dass jemand in sein Unglück läuft.“ Denn schließlich gelte am Kokodak Dome wie anderswo: „Kein Berg, auch keine Erstbesteigung ist es wert, dafür zu sterben oder sich dafür auch nur einen Finger abzufrieren. Mit ein bisschen Abstand wird das jeder auch erkennen.“

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Herbert Wolf, der bergsteigende Polizist https://blogs.dw.com/abenteuersport/herbert-wolf-der-bergsteigende-polizist/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/herbert-wolf-der-bergsteigende-polizist/#comments Fri, 23 Sep 2011 14:36:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=10209 Porträt Herbert Wolf vor Berg in Peru

Expeditionsleiter Herbert Wolf

Eine Polizeieinheit namens Cobra? Da denken die meisten wohl an eine Fernsehserie: die älteren Zuschauer an „Kobra, übernehmen Sie!“ aus den 1960er Jahren, die jüngeren an die Autobahn-Cops von „Alarm für Cobra 11“. In Österreich jedoch ist Cobra nicht Polizei-Fiktion, sondern Realität. Der Name steht für eine etwa 450 Mann starke Anti-Terroreinheit, vergleichbar mit der GSG 9 der Bundespolizei in Deutschland. „Ich habe dort eine intensive Freundschaft zwischen Kollegen erlebt, wie ich sie vorher nicht gekannt habe“, sagt Herbert Wolf. „Die drei Jahre möchte ich nicht missen.“ Doch das Kapitel Cobra ist abgeschlossen. Aus dem Verbrecherjäger ist ein Bergsammler geworden. Herbert leitet unsere Expedition zum Siebentausender Putha Hiunchuli, die heute in einer Woche beginnt.

Fast nie zu Hause

„Irgendwann ließ sich das intensive Bergsteigen nicht mehr mit der Arbeit in der Spezialeinheit verbinden“, erzählt der 44-Jährige. Er wechselte zur Alpin-Polizei nach Bad Ischl im Salzkammergut. Dort widmet sich Herbert nun allen Arten von Unfällen in den Bergen, ob beim Skifahren, Wandern, Klettern oder Mountainbiken. „Es könnte ja auch Fremdverschulden vorliegen.“ Wenn er als Bergführer in den Himalaya, den Karakorum, nach Patagonien oder sonst eine Bergregion reisen will, stellt ihn sein Arbeitgeber frei.

Herbert hat seit sieben Jahren „eine ganz liebe Freundin. Die hat mich kennen gelernt, wie ich bin: fast nie zu Hause, immer auf den Bergen unterwegs, dazwischen mein Job als Polizist. Sie zeigt dafür sehr viel Verständnis, und darüber bin ich froh.“ Herbert hat aus erster Ehe einen 24 Jahre alten Sohn, seine Freundin eine 17-jährige Tochter.

Optimale Gipfelchance für jeden

Herbert Wolf zieht am Ortler das Seil ein

Herbert am Ortler

Die Erfahrungen als Polizist helfen Herbert auch bei seiner Arbeit als Expeditionsleiter: „Ich habe in meinem Job mit unterschiedlichsten Charakteren zu tun. Da kriegt man mit der Zeit ein Gefühl, wie man mit Menschen in schwierigen Situationen umgeht.“ In erster Linie will der Bergführer alle Teilnehmer wieder gesund nach Hause bringen, „aber der Erfolg ist natürlich noch größer, wenn der eine oder andere von uns am Gipfel stand.“

Ein Expeditionsleiter bewegt sich auf einem schmalen Grat. Die Mannschaft ist ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Bergbegeisterter. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch fast schon auf. Einige Bergsteiger haben mehr Erfahrung in großer Höhe als andere. Auch das Leistungsvermögen schwankt. „Es wird sicherlich nicht einfach für mich, für jeden die richtige Taktik anzulegen“, ahnt Herbert. „Aber das ist die Herausforderung, jedem die optimale Gipfelchance zu geben.“

Herberts Expeditionsbilanz bei einem guten Kaffee

Keinen Traumberg

Der Österreicher hat bereits vier Achttausender bestiegen: die Shishapangma (2000), den Cho Oyu (1998 und 2006), den Nanga Parbat (2004) – und auch den Mount Everest (2007). Herbert führte einen Kunden auf den höchsten Berg der Erde. Beide benutzten ab einer Höhe von 8000 Metern Atemmasken.

Auch nach dem Mount Everest auf dem Boden geblieben

Einen Traumberg habe er nicht, sagt der bergsteigende Polizist aus dem Salzkammergut. „Jeder Berg hat seinen Reiz, seine eigene Charakteristik. Es muss nicht immer ein Achttausender sein.“ Herbert schätzt an den Bergen auch die Stille, die Möglichkeit, mit sich selbst ins Gespräch zu kommen. Unter Umständen muss ein Expeditionsleiter aber auch einmal laut werden. Schließlich trägt er die Verantwortung für die Sicherheit der Teilnehmer. „Das letzte Wort habe ich“, versichert Herbert, schränkt aber gleich ein: „Seit 2004 bin ich für Amical alpin als Bergführer auf Expeditionen und Trekkings unterwegs. Das letzte Wort habe ich Gott sei Dank aber noch nie gebrauchen müssen.“

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