Diemberger – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Erfolg an der Chogolisa https://blogs.dw.com/abenteuersport/erfolg-an-der-chogolisa/ Sat, 29 Sep 2012 20:31:31 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17203 Das beeindruckende Gipfeltrapez der Chogolisa

Das beeindruckende Gipfeltrapez der Chogolisa

Der Berg sieht aus, wie Kinder ein Satteldach malen, nur in weiß. Die 7665 Meter hohe Chogolisa in Pakistan ist ein echter Blickfang. Wenn du bei gutem Wetter auf dem Concordiaplatz stehst , wo mehrere Gletscher des Karakorum zusammenfließen, gilt der erste Blick meist dem K 2, dem König der Achttausender. Drehst du dich dann aber um 180 Grad, kannst du eigentlich kaum anders als diesen trapezförmigen, schönen Berg zu bewundern. Nach über zwei Jahrzehnten ohne Besteigung standen jetzt die beiden Österreichern David Lama und Peter Ortner auf dem Gipfel der Chogolisa.

Buhls tödlicher Absturz

Der Name des Bergs bedeutet in der Sprache der Balti „Die große Jagd“ – wegen der vielen Steinböcke, die die Einheimischen früher zu Füßen des Siebentausenders vorfanden. Englische Entdecker tauften die Chogolisa auch „Bride Peak“, weil sie das riesige Schnee- und Eiskleid des Bergs an eine Braut erinnerte. Bereits 1909 kamen italienische Bergsteiger an der Chogolisa bis auf 7498 Meter, gut ein Jahrzehnt hielt dieser Höhenrekord. Berühmt wurde der Berg jedoch durch einen tödlichen Unfall. Am 27. Juni 1953 stürzte der Achttausender-Pionier Hermann Buhl in den Tod, als auf dem Gipfelgrat in 7200 Metern Höhe eine Wechte brach. Mit seinem österreichischen Landsmann Kurt Diemberger hatte Buhl die Chogolisa erstmals besteigen wollen, wenige Tage, nachdem ihnen mit zwei weiteren Österreichern die Erstbesteigung des nahe gelegenen Achttausenders Broad Peak gelungen war.

Kurt Diemberger über Hermann Buhls Tod am 27.6.1957

1958 erreichten japanische Bergsteiger den 7654 Meter hohen Nordostgipfel (Chogolisa II). Erst 1975 verbuchten die Österreicher Fred Pressl und Gustav Ammerer die eigentliche Erstbesteigung, als sie auf dem höchsten Punkt, dem Südwestgipfel, standen. Nach der Überschreitung beider Gipfel durch eine britische Expedition im Jahr 1986 wurde es still um die Chogolisa. Einige wenige Expeditionen versuchten sich an dem Berg, scheiterten aber.

Cerro Torre frei geklettert

David auf den letzten Metern (Foto: David Lama)

Jetzt also haben es die Österreicher David Lama und Peter Ortner geschafft, sich durch die Eis- und Schneeflanken bis zum Gipfel zu wühlen. „Ich bin ein Kletterer, was mache ich hier eigentlich?“, fragt sich der 22 Jahre alte David in einem Video, das beide nach ihrem Erfolg veröffentlichten. „Die Höhenerfahrung hier nimmt mir aber keiner mehr.“ Der Sohn eines Nepalesen und einer Österreicherin begann seine Karriere als Sportkletterer. Anfang des Jahres sorgten Lama und Ortner für Furore, als sie den legendären Cerro Torre in Patagonien frei kletterten, also Haken, Klemmkeile und Seile nur nutzten, um sich zu sichern, nicht um sich daran fortzubewegen. Die damals zu lesende Schlagzeile „Kompressor-Route befreit“ stimmt jedoch nur bedingt, da die beiden nach eigenen Angaben im letzten Abschnitt von der 1970 in den Fels gebohrten, umstrittenen Route des Italieners Cesare Maestri abwichen.

Film-Drohne

Kritiker werfen Lama vor, ein Meister der Selbstdarstellung zu sein. Mag sein, doch so viel steht fest: Der Jungstar weiß sich geschickt und durchaus kreativ zu vermarkten. Als er mit seinem 29 Jahre alten Kletterpartner Ortner vor seinem Chogolisa-Abenteuer einen der beeindruckenden Trango-Türme im Karakorum bestieg, setzten die beiden eine Video-Drohne ein, um ihren Aufstieg zu filmen. Überzeugt euch selbst, die Bilder (© Mammut/Corey Rich/Dedicam) sind spektakulär:

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Kurt zum 80. https://blogs.dw.com/abenteuersport/kurt-zum-80/ Fri, 16 Mar 2012 07:54:39 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=13681

Am Concordiaplatz: Kurt in der Mitte, links der legendäre pakistanische Hochträger "Little Karim" Balti

Erstmals traf ich Kurt 2003, in der Stadt, deren Namen ein Kölner nicht nennen darf. In D…..dorf weilte Kurt Diemberger bei Freunden. Für eine Radioreportage über den großen Bergsteiger Hermann Buhl wollte ich mir von ihm erzählen lassen, wie das war im Jahr 1957 im Karakorum. Damals hatten die Österreicher Buhl, Diemberger, Markus Schmuck und Fritz Wintersteller Alpingeschichte geschrieben: Als erste bestiegen sie den Achttausender Broad Peak in Pakistan –  und das im „Westalpenstil“: mit minimaler Ausrüstung, ohne Hochträger und ohne Flaschensauerstoff. Eine Revolution im Zeitalter der Großexpeditionen im Himalaya.

Als Buhl durch die Wächte brach

Nach dem Erfolg zerfiel die Seilschaft. Schmuck und Wintersteller bestiegen nach dem Broad Peak auch noch erstmals den 7410 Meter hohen Skil Brum. Buhl und Diemberger versuchten sich an der 7688 Meter hohen Chogolisa. Auf dem Gipfelgrat kamen die beiden in einen Wettersturz. Plötzlich brach unter Buhl eine Wächte ab, er stürzte in den Tod. Davon erzählte mir Kurt damals in D`dorf (das Audio unter dem Absatz solltet ihr euch nicht entgehen lassen). Ganz genau wollte er wissen, was ich mit dem Interview anstellen würde und bat mich, ihm vor der Veröffentlichung eine Kopie zuzuschicken. Wenn es um sein Wort oder Bild geht, sieht und hört Kurt ganz genau hin.

Kurt Diemberger über Hermann Buhls Tod am 27.6.1957

1960 zählte Diemberger auch zu den Erstbesteigern des Dhaulagiri in Nepal. Damit ist Kurt heute der einzige noch lebende Alpinist, der zwei Achttausender erstbestiegen hat.

Tragödie  am K 2 überlebt

Traum- und Schicksalsberg K 2

2004 trafen wir uns wieder, auf dem Weg zum K 2. Ich machte eine Reportagereise anlässlich des 50. Jahrestags der Erstbesteigung, Kurt war von der italienischen K 2-Jubiläumsexpedition eingeladen worden. Den zweithöchsten Berg der Erde bezeichnet er als seinen „Traum- und Schicksalsberg“. Im Sommer 1986 bestieg er ihn mit seiner langjährigen Seilpartnerin, der Britin Julie Tullis. Beim Abstieg gerieten sie in einen Wettersturz, der sie tagelang im Hochlager gefangen hielt. Julie starb an Erschöpfung. Vier weitere Bergsteiger ließen ebenfalls ihr Leben. Kurt erreichte das Basislager mit schweren Erfrierungen, mehrere Fingerglieder der rechten Hand mussten amputiert werden. Damit konnte er weiter leben, viel härter traf ihn der Verlust seiner Freundin Julie. „Ich habe jahrelang gebraucht, um darüber hinwegzukommen“, erzählte mir Kurt, als wir uns am Concordiaplatz, in Sichtweite des K 2.

Kurt Diemberger über die Katastrophe von 1986

Immer noch unterwegs

Seine Leidenschaft für die Berge hat Kurt auch mit 80 Jahren nicht verloren. Regelmäßig marschiert er durch die Hügel um seine italienische Wahl-Heimatstadt Bologna. Häufig geht er immer noch auf Trekkingreisen, am liebsten in einsame Regionen. „Ich will möglichst lange so gesund sein, dass ich wenigstens zum Fuße der Berge hinkomme“, sagt Kurt. „Einen Achttausender brauche ich nicht mehr zu machen.“ Lieber Kurt, alles Gute zum heutigen 80. Geburtstag! Auf dass du noch lange so fit und viel unterwegs bleibst!

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Vor 25 Jahren: Schwarzer Sommer am K 2 https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-25-jahren-schwarzer-sommer-am-k-2/ Thu, 04 Aug 2011 06:45:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/08/04/vor-25-jahren-schwarzer-sommer-am-k-2/ Heute vor einem Vierteljahrhundert, am 4. August 1986, erreichte Kurt Diemberger mit seiner Seilgefährtin Julie Tullis den Gipfel des K 2. „Einen Tag zu spät. Um den hat sich alles gedreht. Dadurch sind wir Gefangene eines fürchterlichen Sturms geworden“, erzählte mir der Österreicher, als wir uns im Sommer 2004 am Concordia-Platz, der Gletscher-Kreuzung in Sichtweite des K 2 trafen (einen Auszug unseres Gesprächs von damals könnt ihr unter dem Artikel hören). „Aus unserer Gruppe von sieben haben nur zwei überlebt. Und auch Julie ist dort oben geblieben.“


Trügerische Schönheit

Haushoch überm Everest

Es war ein verhängnisvoller Sommer am zweithöchsten Berg der Erde. Insgesamt 13 Bergsteiger starben 2006 bei ihren Versuchen, den höchsten Punkt auf 8611 Metern zu erreichen: abgestürzt, in Gletscherspalten, von Lawinen verschüttet, vom Steinschlag getroffen, an der Höhenkrankheit oder an Erschöpfung. Es war fast, als habe sich der K 2 gegen den Massenansturm wehren wollen. Mehrere Expeditionen gingen gleichzeitig den „König der Achttausender“ an: US-Amerikaner, Franzosen, Polen, Österreicher, Engländer und Italiener. Es handelte sich keineswegs um zahlende Kunden kommerzieller Expeditionen, sondern um erfahrene Alpinisten.
Der Berg schlug zu, gnadenlos. „Der K 2 ist halt in seiner Schwierigkeit noch haushoch überm Everest“, meinte Kurt, als wir uns vor sieben Jahren trafen. Wir waren damals zeitgleich über den Karakorum-Highway Richtung Nordpakistan gebraust – und hatten im selben Hotel offenbar beide die verdorbenen Eier gegessen und dafür mit einem schlimmen Durchfall bezahlt. Kinderkram verglichen mit dem, was Kurt 1986 erlebt hatte.

Dritter Anlauf

Der einzige noch lebende Erstbesteiger gleich zweier Achttausender (Broad Peak 1957, Dhaulagiri 1960) war zum dritten Mal am K 2 unterwegs, wieder gemeinsam mit der Britin Julie Tullis, mit der er seit Jahren „das höchste Filmteam der Welt“ bildete. „Der K 2 war unser Traumberg geworden“, sagt Kurt. 1983 hatten die beiden versucht, den Bergriesen auf der chinesischen Seite über den Nordsporn zu besteigen (wie derzeit Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits). Auf rund 8000 Metern hatten sie wegen einer Schlechtwetterfront umkehren müssen. Drei Jahre später, diesmal auf der pakistanischen Seite des K 2, schienen die Karten für Diemberger und Tullis zunächst günstiger.

Das Glück währt kurz

3. August 1986: Perfektes Wetter. Wie gemacht für einen Gipfeltag, denken sich die beiden. Doch es kommt ganz anders. „Es war eine richtige Kettenreaktion“, erinnert sich Kurt. Eine Eislawine hat mehrere Zelte verschüttet. Im höchsten Lager auf rund 8000 Metern sind plötzlich zu wenige Schlafplätze für alle Gipfelanwärter verfügbar. Es wird diskutiert, gestritten. Keiner ist bereit, noch einmal abzusteigen. Kurt und Julie verschieben schweren Herzens ihren Gipfelversuch um 24 Stunden. Ein verlorener Tag, der sie geradewegs in die Tragödie führt. Am frühen Abend des 4. August erreicht das Duo den Gipfel. „Die Freude! Das Glück! Wir halten uns umschlungen. Für einen Augenblick der Ewigkeit gehört uns der K 2“, schreibt Kurt in seinem Buch „K 2 – Traum und Schicksal“. Die Euphorie währt nur kurz. Nebel zieht auf.

Nur zwei kommen durch

Mit viel Glück überleben die beiden einen Sturz und anschließend eine Nacht im Notbiwak. Als sie am nächsten Morgen das höchste Lager erreichen, hocken dort noch immer fünf weitere Bergsteiger in den Zelten. Ein Schneesturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 Stundenkilometern bricht los. Tagelang fesselt er die Bergsteiger ans enge Lager. An einen Abstieg ist nicht zu denken. Julie stirbt an Erschöpfung. Die anderen sind völlig entkräftet, als sich am 10. August endlich die Chance bietet abzusteigen. Der Brite Alan Rouse ist unfähig, das Zelt zu verlassen. Die Österreicher Alfred Imitzer und Hannes Wieser sowie die Polin Dobroslawa Miodowicz-Wolf sterben beim Abstieg. Lediglich Diemberger und der Österreicher Willi Bauer erreichen – mit schweren Erfrierungen – das Basislager.


Kurt Diemberger (l. der legendäre pakistanische Hochträger „Little Karim“ Balti)

Trauma am Traumberg

Kurt mussten nach der Expedition an der rechten Hand mehrere Fingerglieder amputiert werden. Schlimmer aber war für ihn das Trauma, seine langjährige Seilpartnerin Julie am gemeinsamen Traumberg K 2 verloren zu haben. „Ich habe jahrelang gebraucht, um darüber hinwegzukommen“, erzählte mir Kurt 2004 am Concordiaplatz. Seine Leidenschaft für die Berge wurde durch die Tragödie 1986 jedoch nicht beendet. Auch mit heute 79 Jahren geht Diemberger noch zum Bergsteigen. Für das Frühjahr 2012 hat er sich den Sechstausender Tupungato in den Anden zwischen Argentinien und Chile vorgenommen.

Kurt Diemberger über die Katastrophe von 1986

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Auf dem Weg zum K 2 (Teil 2): Inshallah https://blogs.dw.com/abenteuersport/auf-dem-weg-zum-k-2-teil-2-inshallah/ Wed, 23 Jun 2010 07:22:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/06/23/auf-dem-weg-zum-k-2-teil-2-inshallah/ Nichtsahnend saß ich im Restaurant meines Hotels Masherbrum in Skardu und unterhielt mich mit einem Pakistaner, der einige Jahre in Deutschland gelebt hatte. Plötzlich explodierte mein Bauch. Ohne Vorwarnung. Durchfall, wie ich ihn vorher noch nie erlebt hatte. Die Nacht verbrachte ich auf dem Klosett meines Zimmers, geschüttelt von Darmkrämpfen. Im Stundentakt schluckte ich die Tabletten, die ich in meine Reiseapotheke gepackt hatte. Sie zeigten keine Wirkung. Erst gegen Mittag des folgenden Tages hatte ich überhaupt die Chance, für kurze Zeit das Hotel zu verlassen. Ich fand eine Apotheke und kaufte ein indisches Präparat gegen Diarrhoe. Es färbte meinen Urin tiefbraun, und mir wurde speiübel. Aber das Medikament wirkte.


Hauptstraße in Skardu, links mein Bergführer Syed

Mutter auf Zeit

Eigentlich hatten wir schon mit einem Jeep zum Ausgangspunkt der Trekkingtour weiterfahren wollen, doch entgegen der Absprache waren keine Träger verfügbar. Eine Fügung des Himmels, denn ich brauchte diesen zusätzlichen Rasttag dringend. Als wir am nächsten Morgen mit vollgepacktem Jeep starteten, fühlte ich mich zwar schlapp, aber deutlich auf dem Weg der Besserung. „Hi, I’m Fida. I will be your mother in the next weeks.” Mit diesen Worten stellte sich mir unser Koch vor. Bis vor kurzem hatte Fida ein chinesisches Fast-Food-Restaurant in Lahore betrieben, war aber pleite gegangen. Nun arbeitete er als Expeditions- und Trekkingkoch im Karakorum, um Geld für einen zweiten Versuch zu sparen.
Von Skardu aus lagen knapp 130 Kilometer vor uns, über nicht asphaltierte Pisten voller Schlaglöcher. Obwohl wir einige wirklich heikle Stellen passieren mussten, blieb ich ruhig. Ich war viel zu schwach, um mich aufzuregen und fügte mich in mein Schicksal. Inshallah, so Gott will! Mit diesen Worten beendete Syed fast jeden dritten Satz. Mein Bergführer erzählte, dass er vor kurzem einen japanischen Studenten zum K 2-Basislager hatte begleiten sollen. Bei der Ankunft in Askole, dem letzten Dorf vor dem Baltoro-Gletscher, warf der Japaner das Handtuch. Er wollte sofort zurück. Sein Bedarf an Abenteuer sei gedeckt.


Regenbogen über dem Tal von Askole

13 Träger

Als wir in Askole eintrafen, bauten wir schnell die Zelte auf. Noch immer brachte ich nichts Essbares herunter. Nach einer Stunde Schlaf fühlte ich mich besser. Ich machte sogar einen kleinen Spaziergang ins Dorf, wo mich einige Kinder empfingen, die ständig „Photo-Rupies, Photo-Rupies!“ brüllten. Als ich zum Lagerplatz zurückkehrte, waren die Träger damit beschäftigt, die Lasten abzuwiegen und zu verteilen. 25 Kilogramm pro Mann. Dabei diskutierten sie lautstark, wer welche Ladung schultern sollte.
Früh am nächsten Morgen brachen wir auf: Syed, Fida und ich – sowie 13 Träger. Ich hatte nicht gedacht, dass so viele Träger nötig wären, doch das Gepäck summierte sich: Zelte, Küchenausrüstung, Kerosin, Lebensmittel.

Ich war alles andere als im Vollbesitz meiner Kräfte, aber irgendwann fand ich meinen Gehrhythmus. Unser Weg führte uns zunächst durch eine fast wüstenähnliche Landschaft. Die kleinen Sträucher rechts und links wurden seltener und verschwanden schließlich ganz. Es regnete in Strömen, die Gipfel hingen in Wolken. Der schmale Pfad wand sich nun entlang des Braldo-Flusses. Wegen des heftigen Regens war der Gletscherfluss so angeschwollen, dass die Wassermassen an einer Stelle auf einer Länge von fünf Metern den Weg weggespült hatten. Wir mussten auf einer kleinen Felsleite hinüberklettern. Irgendwie schwindelte ich mich auf die andere Seite. Genau dort fiel später am Tag ein Träger einer anderen Gruppe, der sieben Plastikstühle auf dem Rücken trug, ins Wasser, konnte sich aber glücklicherweise noch an Land retten. Völlig durchnässt erreichte er einige Stunden nach uns Jhola.

Zwei Gräber

Der Zeltplatz liegt auf 3200 Metern Höhe. 2004 war er erst ein Jahr alt, finanziert vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Die Zelte standen auf abgesteckten Parzellen, es gab sogar rund 20 Toilettenhäuschen und Solarstrom.
Ich aß ein wenig und zog mich dann zurück. Völlig erschöpft von der fast achtstündigen Wanderung und immer noch geschwächt, fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Am folgenden Morgen hatte wenigstens der Dauerregen aufgehört. Ich fühlte mich deutlich besser.
Irgendwann entdeckte ich am Wegesrand das Grab eines Trägers, der in den Braldo gestürzt, ertrunken und hier wieder angespült worden war. Über eine weitere letzte Ruhestätte stolperte ich fast. Da erst erkannte ich den Kopf eines Esels, der notdürftig im Sand verscharrt worden war.


Ende einer Dienstreise

Unfreiwilliger Abendsport

Der Tag endete in Paiju, auf 3450 Metern. Von diesem Camp aus sieht man direkt auf die Zunge des Baltoro-Gletschers. Auch eine große italienische Expeditionsmannschaft hatte dort ihre Zelte aufgeschlagen. Nur ein Bergsteiger sprach deutsch: Karl Unterkircher. Der sympathische Südtiroler (der leider vier Jahre nach unserer Begegnung, im Juli 2008, im Alter von 37 Jahren am Nanga Parbat beim Sturz in eine Gletscherspalte ums Leben kam) lud mich zum Essen mit den Italienern ein: Aufgetischt wurden echter Parmesan und Parmaschinken, perfetto!


Träger in Pakistan, diskussions- und tanzfreudig

Ich hatte gehört, dass sich in Paiju die Pakistaner abends träfen, um zu singen und zu tanzen – auch um sich gegenseitig ein wenig Mut für die nächsten gefährlichen Tage auf dem Eis zu machen. Dass ein neugieriger Trekker mittanzen muss, hatte mir niemand erzählt. Und so fand ich mich, ehe ich mich versah, in einem etwa fünf Meter breiten Kreis wieder, den rund hundert Träger, Köche und Bergführer gebildet hatten. Ein Mann stand in der Mitte und sang die Strophen. Beim Refrain stimmten alle ein und klatschten wild im Takt, während mich der Sänger herumwirbelte. Alles drehte sich vor meinen Augen, die Beine schmerzten. Nach der vierten Wiederholung des Refrains hatte die Menge ein Einsehen. Ich durfte den Kreis verlassen. Außer Atem, mit wackligen Knien taumelte ich zum Zelt zurück. In meinem Rücken hörte ich die Rufe der Träger: „Very good dance! Excellent dance!“

P.S. Unten könnt Ihr den ersten Teil meiner Reportageserie hören, die 2004 in DW-Radio gesendet wurde. Wundert euch nicht: Die Stücke entsprechen nicht den Blog-Texten. Es kann also sein, dass ihr Sachen hört, die ihr schon im letzten Eintrag gelesen habt.

Radio-Reportageserie (2004): Auf dem Weg zum K 2 (Teil 1)

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