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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Segel-Wahnsinn

Leinen los, grenzenlos verantwortungslos! Finde ich jedenfalls. Die Niederländerin Laura Dekker hat vom Hafen Gibraltars aus ihre Solo-Weltumseglung begonnen. Das würde kaum Schlagzeilen machen, wäre Laura nicht erst 14 Jahre alt.


Laura allein an Bord

Schon mit 13 wollte sie zum Törn um die Welt aufbrechen. Damals stoppten die niederländischen Behörden die junge Seglerin noch. Den Eltern wurde vorübergehend das Sorgerecht eingeschränkt. Begründung damals: Ein so langes, einsames und gefährliches Abenteuer auf See könne „Lauras Gesundheit und ihre geistige Entwicklung gefährden“. Ein Justizmarathon begann, der Ende Juli damit endete, dass die Vormundschaft der Behörden für Laura gekippt wurde. Damit war die letzte Hürde für ihre Weltumseglung gefallen. Laura will den Briten Mike Perham ablösen, der mit 17 Jahren als bisher jüngster Mensch geführt wird, der solo die Welt umsegelte.

Eigener Wille?

Als meine Kinder 14 Jahre alt waren, habe ich mit ihnen Fußball gespielt, sind wir gemeinsam gewandert oder haben Strandurlaub bemacht. Nicht für Millionen Euro hätte ich sie alleine auf einem Segelboot um die Welt geschickt. Auch nicht auf den Mount Everest.
Der 13 Jahre alte US-Amerikaner Jordan Romero, seit Mai jüngster Everest-Besteiger aller Zeiten, wird derzeit in seiner Heimat von Talkshow zu Talkshow weitergereicht. Dort wiederholt er gebetsmühlenartig, dass es nicht der Wille seiner ehrgeizigen Eltern gewesen sei, der ihn auf den höchsten Berg der Erde getrieben habe. Vielmehr sei es sein eigener großer Traum gewesen.


Jordan (nicht ganz) allein am Gipfel

Ein Bergsteiger, der in diesem Frühjahr gleichzeitig auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest unterwegs war, erzählte mir, dass Jordan im Lager auf 7000 Metern bitterlich geweint und alles andere als entschlossen gewirkt habe aufzusteigen. Sein Vater und seine Stiefmutter hätten auf ihn eingeredet. Dachten sie an die Werbeverträge, die dem Familienunternehmen durch die Lappen zu gehen drohten?

Kein Guinness-Buch-Eintrag

Auch die 14-Jährige Laura, die jetzt in See gestochen ist, hat nicht nur Eltern, sondern auch einen Manager, der für sie die Exklusivrechte aushandelt. Ins Guinness-Buch der Rekorde wird es die Niederländerin übrigens selbst im Erfolgsfall nicht schaffen. Die Firma Guinness‘ World Records und der Internationale Rat für Segelrekorde haben die Kategorie des jüngsten Weltumseglers abgeschafft, um keinen Anreiz für mögliche Nachahmer zu schaffen. Daran sollten sich auch die Medien orientieren. In meinem Blog werdet ihr jedenfalls keine „Wasserstandsmeldungen“ von Lauras Tour lesen. Ich finde den Törn grenzenlos verantwortungslos. Sagte ich ja schon.

Datum

22. August 2010 | 19:28

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