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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Heuberg

Es gibt besondere Berge, auch wenn sie nicht 8000 Meter hoch sind. Erinnerungen machen sie dazu. Für mich zählt etwa der Heuberg zu den besonderen, obwohl er doch eigentlich ein ganz normaler, eher kleiner Berg ist: gerade einmal 1603 Meter hoch, bis weit nach oben bewaldet, nicht sonderlich steil, von einer etwa zehn Meter hohen Felskuppe gekrönt, auf der das Gipfelkreuz steht. Der Heuberg ist gewissermaßen das Entrée zur Felsgruppe des „Zahmen Kaisers“, dem kleinen Bruder des „Wilden Kaisers“.


Heuberg, dahinter der Zahme Kaiser

Blickfang

Zum elften Mal machen wir in diesem Jahr Urlaub auf dem Jagerhof in Walchsee – und der Heuberg gehört ganz einfach dazu. Bei gutem Wetter können wir ihn schon von der Autobahn aus am Irschenberg hinter München sehen. Wenn wir später von Oberaudorf ins Walchseer Tal abbiegen, fahren wir direkt auf ihn zu. Und wenn wir schließlich auf dem Jagerhof auf den blumengeschmückten Balkon heraustreten, grüßt uns der Heuberg von der Seite.
Unsere jüngsten Kinder waren auf dem Gipfel, ehe sie schreiben konnten. Acht Stunden haben wir damals für die Wanderung gebraucht – und anschließend einen Ruhetag. Inzwischen sind die Kinder erwachsen. Die Tour dauert nur noch fünfeinhalb Stunden, aber die Waden brennen noch immer, wenn wir aus den Bergschuhen schlüpfen.


Abklatschen am Gipfelkreuz

Fassungslos

Heute waren wir wieder oben. Die Wanderung weckt zahllose Erinnerungen. So gibt es eine bestimmte Stelle, an der wir wie beim ersten Aufstieg traditionell die Schokolade auspacken, um den Kalorienspeicher wieder aufzufüllen. Wir passieren die Jöchlalm, oder besser gesagt das, was noch von ihr übrig geblieben ist. Im vergangenen Jahr hat eine Lawine die Alm zerstört. Als wir 2009 erstmals die Ruine sahen, stand der Almwirt vor den Trümmern, noch immer fassungslos, obwohl die Schneemassen schon Monate zuvor die Hütte fast bis auf das Fundament weggefegt hatte.

Gipfelfliegen

Wenig später erreichen wir den Heubergsattel, das Jöchl. Hier öffnet sich der Blick auf den „Wilden Kaiser“. Zahlreiche Picknicks haben wir in den vergangenen Jahren an dieser Stelle gemacht: Landjäger, Käse, Semmeln und „Milchlaible“. Schließlich die letzten Höhenmeter, auf einem kleinen Steig über eine von Schafen bevölkerte Wiese, dann über die Felsnase zum Gipfelkreuz. Dort leben jede Menge Schmeißfliegen, die sich offenbar wie wir an der Aussicht nicht satt sehen können. Zu unseren Füßen liegt der Walchsee, wir blicken Richtung Inntal, auf die knapp 2000 Meter hohe Pyramidenspitze, den markanten Geigelstein und viele andere Berge, die wir in all den Jahren bestiegen haben.


Gipfelblick

Im vergangenen Jahr haben wir eine Mondscheintour auf den Heuberg gemacht. Start um 2.30 Uhr, pünktlich zum Sonnenaufgang waren wir oben, nur wir – ein unvergessliches Erlebnis. Auch diesmal sitzen wir – abgesehen von den Fliegen – wieder allein auf dem Brett am Gipfelkreuz und schwelgen in Erinnerungen: „Weißt du noch?“

Käse und Schinken

Immer wieder haben wir am oder auf dem Heuberg Neues entdeckt oder erlebt. Als wir heute vom Gipfel Richtung Tal abstiegen, lud uns der Bauer auf der Hageralm in seine vom Rauch tiefdunkle Holzhütte ein. „Sie hat schon dreihundert Jahre auf dem Buckel“, erzählte uns der alte Mann. Wir kosteten von seinem leckeren Bergkäse, den er ein Jahr lang gelagert hatte. Ein dicker Klotz davon sowie ein Stück des Schinkens, den der Bauer auf der Alm geräuchert hat, liegen jetzt im Kühlschrank unserer Ferienwohnung. Als kulinarisches Andenken vom Heuberg, unserem Familienberg, einem besonderen Berg.

Datum

28. Juli 2010 | 17:06

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