More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Fish and Chips and Interview

Manchmal fällt einem ein Interview in die Frittentüte. Mir widerfuhr das jetzt in Frankfurt. Wenn immer möglich, schaufele ich mir alljährlich einen Tag für die größte Buchmesse der Welt frei: Kontakte pflegen, Gespräche mit Autoren führen, nach neuen Berg- und Abenteuerbüchern stöbern. Drei Stunden lang war ich bereits mehr oder weniger erfolglos durch die Hallen getrekkt. Mein Eindruck: Die Verlage setzen immer mehr auf Stars und Sternchen. Fast jeder A- oder B-Promi darf, unabhängig von seiner Begabung dazu, ein Buch schreiben. Oder schreiben lassen. Bergsteiger gehören außerhalb der Szene eher selten zur besagten Gattung. Folglich muss man sie meist auf der Messe mit der Lupe suchen. Diesmal half auch das nicht.


Einer der wenigen Stände mit Abenteuerbüchern

Ballett in der Vertikalen

Meine Sohlen begannen zu qualmen, mein Magen knurrte laut. Ich begab mich ins Freie, kaufte mir eine Tüte Fish and Chips („Wir verwenden nur Seelachs aus der Nordsee, Kartoffeln aus biologischem Anbau und selbst gemachte Remoulade“) und setzte mich auf ein Mäuerchen, um den Knurrer im Bauch ruhig zu stellen. Währenddessen ließ ich die Blicke schweifen. Sie fielen auf eine etwa acht Meter hohe Wand, auf der ein großes Porträt von Jochen Schweizer prangte, mit der Aufschrift „Warum Menschen fliegen können müssen“. Von oben hingen drei Seile herunter. Plötzlich erklang Musik, drei junge Frauen klinkten sich in die Seile und begannen mit Ballett-Übungen in der Vertikalen. Genau das richtige Beiprogramm zu Fish and Chips.


Vom Bungee-Springer zum Geschäftsmann

Als ich endlich meine Tüte leer und den Magen voll gegessen hatte, entdeckte ich den Mann, der auf der Wand abgebildet war. Ganz ehrlich: Zu dem Zeitpunkt wusste ich sehr wenig über Jochen Schweizer. Dass er in den 1980er Jahren ein gefragter Stuntman war und es 1997 mit dem längsten Bungee-Sprung der Geschichte ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte, dass sein Unternehmen 300 Mitarbeiter zählt, dass ein Kunde 2003 in Dortmund ums Leben kam, weil ein Bungee-Seil riss, dass der Prozess wegen des Vorwurfs fahrlässiger Tötung Anfang 2011 beginnen soll – alles das erfuhr ich erst später. Ich erinnerte mich lediglich, dass ich bei der Recherche zu meiner Last-degree-Expedition über den Namen Jochen Schweizer gestolpert war. Sein Unternehmen hat den Trip zum Nordpol auch im Angebot, neben Bungee-Sprüngen, Hubschrauber-Flügen, Rennbob-Fahrten und vielem anderen. Ich hatte den Prospekt der Firma damals in der Altpapiertonne verschwinden lassen.
Nun also stand Schweizer dort und ich tat, was ein Reporter eigentlich nie tun sollte: unvorbereitet in ein Interview gehen. Die erste Frage ergab sich fast von selbst (unten nachhören). Fünfeinhalb Minuten später hatte ich gelernt, dass Jochen Schweizer eine eigene Vorstellung von Abenteuern hat und ein Marketing-Vollprofi ist, der nicht müde wird, bei fast jeder Antwort noch einen Schlenker auf seine Firma einzubauen. Ach ja, ein Buch hat er natürlich auch geschrieben.

Interview mit Abenteuer-Anbieter Jochen Schweizer

Datum

8. Oktober 2010 | 14:29

Teilen