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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Everest-Saison in Tibet beendet

Die Nordseite des Mount Everest

Die Nordseite des Mount Everest

Eines möchte ich vorausschicken. Angesichts des Leids in Nepal nach dem Erdbeben vom vergangenen Samstag – inzwischen wurden mehr als 5000 Tote und 10.000 Verletzte gezählt – ist das, was auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest geschieht, eher belanglos. Doch ich berichte eben auch über die Folgen der schrecklichen Tragödie für die Bergsteiger in der Region – und in Tibet halten sich noch mehrere hundert auf, darunter auch viele Sherpas aus Nepal. Alle machen sich jetzt auf den Heimweg. Egal, ob sie wollen oder nicht, sie müssen. „Es ist offiziell: Der Everest ist für diese Saison geschlossen“, schreibt Expeditionsleiter Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical Alpin, aus dem „Chinese Basecamp“ auf der Nordseite des Mount Everest. Müller hatte bereits gestern seine Expedition abgebrochen, einen Tag vor dem entscheidenden Treffen der Expeditionsleiter mit Vertretern des chinesisch-tibetischen Bergsteiger-Verbands CTMA im Basislager auf 5150 Meter Höhe.

Straße nach Nepal gesperrt

Andere Bergsteiger bestätigen, dass die chinesischen Behörden alle weiteren Aktivitäten am höchsten Berg der Erde und auch den anderen Bergen Tibets untersagt hätten. „Träume sind gerade geplatzt“, schreibt der österreichische Bergsteiger Alois Fuchs in seinem Internet-Tagebuch. „Es wird angenommen, dass sich die Erdbebentätigkeit Richtung Mount Everest (Tingri) verschiebt und noch nicht abgeschlossen ist. Die Gefahr von Steinschlag und Lawinen kann niemand genau abschätzen, und deshalb wurden alle Berge in dieser Gegend gesperrt. Das bedeutet für uns: Mount Everest gestrichen, Gepäck sammeln, Flüge umbuchen und im BC (Basislager) auf die Kollegen warten, welche sich noch im ABC (Vorgeschobenes Basislager) befinden.“ Dort hält sich derzeit auch noch Ralf Dujmovits auf, der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger. Auch Ralf werde jetzt seine Sachen packen, bestätigt sein Büro in Deutschland. Nach Angaben von Adrian Ballinger, Chef des US-Veranstalters Alpenglow Expeditions, ist die Straße von Tibet nach Nepal gesperrt. Sein Team wird deshalb wie viele andere auch über die tibetische Hauptstadt Lhasa ausreisen.

Zu wenig Operationsmaterial

Matthias Baumann bestätigt, dass die Straßenverbindung zwischen beiden Ländern erneut unterbrochen sei. „Es hat neue Erdrutsche gegeben, einige Regionen sind abgeschnitten“, berichtet mir der deutsche Arzt und Bergsteiger telefonisch aus Nepal. Der Unfallchirurg hilft in einem Krankenhaus vor den Toren Kathmandus. „Wir operieren vor allem Arm- und Beinbrüche, auch Rückenbrüche.“ Es fehle an OP-Materialien wie Platten, Nägeln und Schrauben. Er versuche jetzt, Nachschub aus Deutschland zu organisieren. „Wir haben hier so viele Brüche, da ginge jedem Krankenhaus auf der Welt das Material aus.“ Matthias schläft im Zelt. „Das machen hier sehr viele Menschen.“ Er habe bereits am ersten Tag seines Aufenthalts drei Nachbeben gezählt. Die Versorgung der Erdbebenopfer in Kathmandu sei nach seiner Einschätzung „ganz ordentlich, aber in viele Bergregionen ist man noch gar nicht vorgedrungen. Es gibt viel zu wenige Hubschrauber.“ Jene Helikopter, die bei der gestern abgeschlossenen Rettungsaktion am Mount Everest im Einsatz waren, werden also dringend benötigt. Am Dienstagabend wurde gemeldet, dass in der Region Langtang eine Matschlawine abgegangen sei, mindestens 250 Menschen würden vermisst.

Erst wenn die Hubschrauber frei sind

Obwohl sich viele Bergsteiger auf den Heimweg gemacht haben, ist die Saison auf der nepalesischen Seite des Mount Everest offiziell noch nicht beendet – trotz des schlimmen Lawinenunglücks nach dem Beben. „Unser Team wird in den nächsten Tagen im Basislager bleiben und dann entscheiden, ob wir weitermachen oder nicht“, schreibt etwa Russell Brice, Leiter des neuseeländischen Veranstalters Himalayan Experience. Er habe sich heute am Flughafen von Kathmandu mit Vertretern des Nepalesischen Bergsteigerverbands NMA und dem Tourismusminister getroffen. „Er erlaubte uns, Material nach Lager eins zu fliegen – aber erst, wenn die Hubschrauber nicht mehr für Rettungseinsätze benötigt werden. Das sehen wir natürlich ganz genauso.“

P.S.: Matthias Baumann sagte mir, dass sich auf seiner Facebook-Seite der Fehlerteufel eingeschlichen habe. Die richtige Kontoverbindung seiner Hilfsaktion für die Erdbebenopfer in Nepal sei jene, die auf seiner Homepage  stehe: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN DE82 6545 0070 0007 8203 31, BIC: SBCRDE66, Kennwort: „Erdbeben Opfer“.

Datum

29. April 2015 | 16:29

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